Winger. Peter Schmidt
und legte sie ins Fach zurück.
"Immer noch in denselben Nebengeschäften tätig, Eduardo?“, fragte ich. "Bisschen das Taschengeld aufbessern? Hat die Polizei denn gar keinen Ehrgeiz, dieses schöne Viertel von bösen Drogen zu säubern? Und das Schild da?“, erkundigte ich mich und deutete auf das gleiche polierte Messingschild mit der Aufschrift: LIGA GEGEN AUSLÄNDERHASS auf seinem Schreibtisch wie im Lokal. "Ist das etwa eine neue Methode der armen verfolgten Mitbrüder draußen vor unseren Grenzen, um mit all den himmelschreienden Ungerechtigkeiten wegen der Verteilung unserer Sozialhilfe fertig zu werden?"
"Reden Sie doch keinen Blödsinn", sagte er böse. "Sie hören sich ja schon an wie einer dieser verdammten Rechtsextremen. Wie kommen Sie überhaupt hier herein?"
"Ihr Wachhund Balwin war so entgegenkommend, bei der Türdame ein gutes Wort für uns einzulegen."
"Tja", murmelte er, dabei strich er sich unschlüssig mit der Daumenspitze übers Brustbein und zupfte am wuchernden schwarzen Haar, das aus seinem Hemdausschnitt lugte. Schließlich verklärte ein breites Lächeln sein Gesicht – und dieses Gesicht war ungefähr so groß und oval wie ein Tennisschläger, nur nicht so sauber verspannt. "Das muss ich dann ja wohl glauben, Winger. Was führt Sie zu mir?"
"Linda", sagte ich. "Jetzt sind Sie an der Reihe."
"Hübscher Name", nickte Eduardo. "Passt zum angenehmen Rest. Linda – und wie weiter?"
Jemand hämmerte draußen laut gegen Eduardos Bürotür. Dann fragte Balwins besorgte Stimme: "Alles in Ordnung, Chef? Macht er wieder Schwierigkeiten? Soll ich ein paar Leute besorgen?"
"Nein, nicht nötig", sagte Eduardo über die Sprechanlage. Und, nachdem er sich wieder mir zugewandt hatte: "Wir sind doch nicht nachtragend, Winger? Sie sind doch ein Mensch, der eigentlich ein Herz für Ausländer hat? Als Sie mich damals nach Portugal zurückschicken wollten, geschah das doch nur, weil Ihnen einer meiner liebenswerten Konkurrenten im Viertel Flausen in den Kopf gesetzt hatte ..."
"Marokko", verbesserte ich.
"Mein Gott, ist das lange her", sagte er und hob ergebungsvoll seine großen weißen Hände, deren Finger so aussahen, als habe man ihre Kuppen mit Bimsstein und die Nägel mit einer groben Pfeile bearbeitet. "Ich erinnere mich schon gar nicht mehr an meine Heimat. Ich bin jetzt portugiesischer Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft."
Linda setzte sich in einen der Sessel vor dem Schreibtisch und schlug die Beine übereinander.
Eduardo musterte sie so interessiert, als seien Lindas Beine plötzlich der einzige interessante Gegenstand auf der Welt – als entdecke er außer Drogen und seinem Laden noch etwas anderes, das die Beschäftigung lohnte. Und er hatte natürlich recht, Lindas Beine lohnten mehr als eine Beschäftigung. Wenn Gott die Frauenbeine geschaffen hat, um bei uns Männern den Verstand außer Kraft zu setzen, damit wir auf das immer gleiche Bisschen Fassade hereinfallen, dann war es ihm bei Linda besonders gut gelungen.
"Ich sehe Ihnen ja an, dass Sie so was wie ein Fachmann in Sachen Beinen sind, Eduardo. Das bringt Ihr Beruf in diesem Gewerbe nun mal so mit sich. Aber sollten unsere Augen jetzt nicht wieder nach oben rutschen?"
"Ist das Eifersucht oder einfach nur Anstand bei Ihnen, Winger?“, fragte er, ohne den Blick von Lindas übereinandergeschlagenen Beinen abzuwenden.
"Beides. Ihr verdammten Muslime seid doch nur so außer Rand und Band, weil ein paar prüde Geistliche mit Potenzproblemen euch gesagt haben, man müsse alles, was schön an den Frauen ist, verhüllen. Und nun glaubt ihr hier bei den Ungläubigen wildern zu können, weil sie nach euerer Lehre gar keine richtigen Menschen sind."
"Quatsch", sagte er. "Hab' nie was mit dem Koran am Hut gehabt."
"Sind Sie eigentlich wirklich der Besitzer dieses schönen Etablissements, Eduardo?“, erkundigte sich Linda.
"Sicher, warum fragen Sie?"
"Oder gibt es Teilhaber?"
Eduardo ließ sich nicht anmerken, dass ihn die Frage ärgerte. Zumindest war das für einen weniger geübten Beobachter kaum zu erkennen. Aber ich kannte ihn inzwischen gut genug, um am unmerklichen Zittern seines weißen Wabberkinns und seinen in den Jackentaschen geballten Fäusten zu sehen, dass ihn das in diesem Viertel besser keiner fragte – und schon gar keine Frau. Es ging gegen seine Ehre als Nordafrikaner. Ein Geschäftsmann wie er war von niemandem abhängig, nicht mal von einem Teilhaber.
"Wie kommen Sie bloß auf diesen Quatsch?“, fragte er. Quatsch schien sein neues Lieblingswort zu sein.
"Es heißt, der ganz Block gehöre ein paar Anlegern, die lieber nicht bekannt werden wollten."
"So? Nie was von gehört."
"Der Block – und wahrscheinlich noch ein ganzer Teil des Bahnhofsviertels."
"Die Besitzer sind alle fein säuberlich im städtischen Grundbuch aufgelistet", sagte er. "Wenn es Sie interessiert, gebe ich Ihnen gern die Adresse vom Amt?"
"Nein, das wird nicht nötig sein."
Eduardo nickte, als habe er nichts anderes erwartet, und setzte sich achselzuckend hinter seinen Schreibtisch. "Darf ich fragen, was Sie beide zu mir führt? Doch wohl nicht die Frage, wie viele Hausbesitzer das Viertel hat?"
"Nein, allerdings nicht", bestätigte Linda. Sie zog ein Blatt Papier aus ihrer Tasche. "Man sagt, das Mädchen auf dem Phantombild habe mit dem Besitzer dieses Etablissements ein Verhältnis gehabt."
Eduardo nahm das Blatt und schüttelte mürrisch den Kopf. "Der Besitzer bin ich, wie gesagt ..."
"Es geht das Gerücht um, viele Besitzer hier in der Gegend seien nur Strohmänner für reiche Anleger, die selbst nicht in Verruf kommen möchten, sich mit solchen Geschäften ein Zubrot zu verdienen."
"Gerüchte, Gerüchte ... haben Sie da jemand Bestimmten im Auge?"
"Sagt Ihnen der Name Elmond etwas?"
"Elmond, Elmond? Ist das nicht ein Bonner Politiker? Ich glaube, ich hab' kürzlich mal was in der Zeitung über ihn gelesen. Einer von diesen Burschen, die uns Ausländern nicht so grün sind, wie sie's eigentlich nach der Verfassung sein sollten."
"Ich meine nicht Peter Elmond, den Vorsitzenden des Wehrausschusses im Bundestag, sondern seinen Vater."
"Ja richtig, Elmonds Vater." Eduardo lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich voller Unbehagen. "Haben Sie mir die Kleine auf den Hals gehetzt, Winger? Ist das wieder mal auf Ihrem Mist gewachsen? Etwa eine neue Attacke, um ehrbare Kaufleute zu diskreditieren?"
"Nein, ich bin nur Lindas Begleiter. Ich passe auf, dass ihr bei der Suche niemand zu nahe kommt."
"Suche wonach?“, fragte er.
"Nach dem Mädchen auf dem Phantombild, nehme ich an – oder, Linda?"
"Wie man's nimmt, ja."
"Was denn nun – wie man's nimmt? Oder ja?“, fragte ich.
Linda warf mir einen bösen Blick zu und steckte das Blatt mit dem Phantombild wieder in ihre lederne Umhängetasche. "Ich sagte Ihnen doch schon, Winger, dass ich Sie nur bezahle, damit sie mich unterstützen und nicht weil ich scharf drauf wäre, dass Sie mir mit Ihren Kommentaren auf den Wecker gehen. Wenn Sie die Arbeit langweilt oder wenn Sie meine Methode in Zweifel ziehen ..."
"Ihr beide seid mir ja ein hübsches Pärchen", meinte Eduardo und rekelte sich amüsiert in seinem schwarzen Drehsessel, die Arme über den Lehnen baumelnd.
"Es wäre natürlich schön, wenn Sie sich noch an den Namen Ihres Teilhabers erinnern könnten", sagte Linda.
"Und weshalb sind Sie so verlegen darum? Warum wollen Sie das Mädchen finden? Hat es irgend etwas ausgefressen – natürlich, sonst würd's ja nicht mit einem Phantombild gesucht", fügte er nachdenklich hinzu.
"Ich möchte es finden, aber nicht, weil es irgend etwas ausgefressen hätte. Phantombilder werden von der Polizei auch eingesetzt,