Ein Prinz für Movenna. Petra Hartmann
war? Orh glaubte es fast.
Wulfrics Schwert, die Waffe, die seit Urzeiten stets von dem mächtigsten und tapfersten Krieger Movennas geschwungen wurde. So lange noch ein Kämpfer Wulfrics Schwert führen konnte, so hieß es, werde auch das Heer nicht unterliegen. In alten Zeiten hatten die Könige ihren Stolz daran gesetzt, selbst die Klinge in der Schlacht tanzen zu lassen. Ja, das war ruhmreich. Doch Lorman und Orsan hatten diese Würde wohlweislich dem Akkatosser verliehen. Orh lehnte den schwer gewordenen Kopf auf seine Knie. Seine Gedanken waren bei dem Schwert. Und bei König Wulfric, der es geschmiedet hatte.
*
Der Geselle hatte die Daumen lässig hinter den Gürtel gehakt und blickte geringschätzig auf den schmalen Burschen herab. Auch die beiden Lehrlinge ließen keinen Zweifel daran aufkommen, was sie von dem Neuankömmling hielten. Einzig Meister Marten blieb ernst. Der Schmied hatte die breiten Arme vor der Brust verschränkt und blickte prüfend in die Augen des jungen Mannes, der kaum das Gewicht eines Vorschlaghammers zu haben schien. Wulfric hielt der Musterung gelassen stand und schwieg. Endlich nickte Marten. „Gut, wenn es dein Wunsch ist, dann wollen wir es einmal miteinander versuchen“, entschied der Meister. „Aber ich warne dich: Eine Waffenschmiede in Ira ist nicht der Königshof von Pol Movenn.“
Wulfric nickte ernst. „Das weiß ich, Meister. Deshalb bin ich hergekommen.“
Marten deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Gesellen hinüber. „Du kannst bei Moran schlafen. Er wird dir sagen, was zu tun ist. Doch nun: An die Arbeit mit dir.“
Wulfric schob sein Bündel in eine Ecke und legte seine Jacke ab. Die dünnen Oberarme nötigten den drei jungen Burschen um ihn herum ein mitleidiges Grinsen ab, doch Wulfric schien nicht darauf zu achten. „Also?“, fragte er unternehmungslustig. „Womit fangen wir an?“
Wenn der Junge geglaubt hatte, seine Lehre bei Ambossmeister Marten mit dem Schmieden eines Metallgeräts zu beginnen, so hatte er sich gründlich getäuscht. Der Geselle Moran ließ ihn Wasser heranschleppen und Kohle schippen, Schaufel für Schaufel, und befahl ihm schließlich, den großen ledernen Blasebalg zu betätigen. Auf und nieder, auf und nieder zwang Wulfric das widerborstige Ding. Rolf und Goric, die beiden anderen Lehrlinge feixten. Mit seinem Eintritt in die Schmiede waren sie diese lästige Pflicht losgeworden. Und Wulfric spürte bald, dass seine dünnen Arme ermüdeten. Den hölzernen Griff fest umklammert, pumpte er weiter und sah, wie mit jedem Luftstoß die Flamme in der Esse aufloderte und mit jedem Atemholen des Gerätes wieder in sich zusammenfiel. „Schneller“, kommandierte Moran unbarmherzig. Wulfric biss die Zähne zusammen. Er wandte bereits jetzt all seine Kraft auf, und doch schaffte er es, noch ein wenig schneller zu werden. Der nackte Oberkörper beugte und hob sich, immer wieder, unaufhörlich, während der Geselle mit der Zange die schwarzgebrannte Eisenklinge eines Kurzschwertes in die Flammen hielt. Wulfric starrte wie gebannt auf das dunkle Werkstück und konnte den Blick kaum davon losreißen. Moran grinste. „Ja, das möchtest du wohl gern haben, was?“ Wulfric nickte, vergaß einen Moment das Pumpen. Mit voller Wucht traf ihn die Rechte des Gesellen, und für einen Augenblick glaubte er, sein Trommelfell sei geplatzt. Sein Ohr brannte wie Feuer, vor seinen Augen tanzten Sterne. „Untersteht dich, noch einmal mit dem Pumpen aufzuhören, wenn ich ein Werkstück im Feuer habe“, fuhr Moran ihn an. Wulfrics Hand fuhr zur Seite, dorthin, wo Krieger ihr Schwert tragen, doch seine Finger griffen ins Leere. Er besann sich kurz, zuckte dann die Achseln. „Entschuldige“, sagte er und packte erneut den Blasebalg an. Sein Kopf brummte wie ein Bienenkorb, doch der Junge verbiss sich jedes weitere Wort. Auf und nieder, auf und nieder presste er den Ledersack und bemühte sich zu lächeln. Moran starrte ihn wütend an.
Fasziniert blickte Wulfric in die Flamme, die bei jedem Luftstoß des Blasebalgs aus der Kohle in die Höhe schoss. Helles, rot und golden glosendes Licht, dazwischen der dunkle Schatten der Schwertklinge. Moran wandte das Eisen gleichmütig im Feuer hin und her, legte es schließlich ganz in die Kohlen und baute sich neben dem neuen Lehrling auf. „Ein wenig schneller, Bürschlein. Hast wohl das Arbeiten nicht gelernt bei den feinen Stadtfatzkes am Königshof, wie?“, fragte er anzüglich. Wulfric biss die Zähne zusammen und antwortete nicht. Obwohl ihm Rücken und Arme bereits schmerzten, als sei er in eine Folterkammer der Moglàt geraten, ließ er sich nichts anmerken und presste weiter Luft in die Esse. Die dunkle Eisenklinge begann zu glühen. Erst glomm nur ein dunkles Rot zwischen den Kohlen, dann ein helles Gelb. Moran achtete nicht darauf, er ließ den Lehrling keine Sekunde aus den Augen. Als Wulfric sich erneut aufrichtete, sah er das Eisen weiß aufglühen. Wieder beugte er sich vor und zwang den Blasebalg zusammen. Da – weiße Sterne sprühten aus der Klinge, das Eisen knisterte und prasselte, es schrie.
„Moran, du Nichtsnutz!“, brüllte der Meister. Er schlug so fest nach dem Gesellen, dass dessen Ohr in glühroten Eisenfarben aufbrannte, und riss das Werkstück aus den Flammen. Zu spät. Das Schwert war verbrannt, das Feuer hatte wie ein Heuschreckenschwarm über der Klinge gewütet, und was die Flammen nicht gefressen hatten, das war zu spröder, poröser Schlacke geworden. Zornig schleuderte Marten das erbärmliche Aschenklümpchen in die Ecke zu den Abfällen.
„Das wirst du mir büßen, du eingebildeter Fatzke“, zischte Moran gefährlich leise. Wulfric wusste, dass er in dieser Schmiede einen Todfeind gewonnen hatte.
Am Abend wankte der Junge in Morans Kammer, fiel auf die schmale Schlafstelle und war sofort eingeschlafen. Das Letzte, was er an diesem Tag wahrnahm, war der schreiende Schmerz in seinen Handflächen. Die Handteller hatten sich in eine einzige Eiterblase verwandelt, sie nässten auf die unreinliche Bettdecke, rohes Fleisch schien noch immer in Flammen zu stehen, darein hatten sich Rußspuren und Kohlereste gesetzt, und an den Fingerkuppen hatte er sich arge Verbrennungen zugezogen. Doch Wulfric spürte nichts mehr, er fiel in tiefen, traumlosen Schlaf wie ein Toter.
In den folgenden Wochen lernte Wulfric viel. Er lernte sich wegzuducken, wenn die Hand des Gesellen heranzischte. Er lernte, seine karge Mahlzeit heimlich zu verzehren, wo ihm Moran nicht die Wurst auf dem Brot streitig machen konnte. Er lernte, wann man Meister Marten am besten aus dem Weg ging und dass es bei Strafe verboten war, des Meisters Tochter schöne Augen zu machen. Doch an den Amboss selbst ließ ihn der breitschultrige Geselle so gut wie nie heran.
In diesen ersten Wochen erfuhr er vom Schmiedehandwerk kaum mehr als die Namen der Werkzeuge, die er Moran bei seiner Arbeit anreichen durfte. „Jung’, du musst viel mehr lernen, mit den Augen zu klauen“, hatte ihm Marten einmal im Vorbeigehen mit einem freundschaftlichen Klaps verraten. Wulfric dröhnte noch lange der Schädel davon. Aber den Rat vergaß er nie, und er hatte seine Augen überall in der Schmiede. Kein Handgriff Morans entging den wachen Blicken des jungen Lehrlings, sodass der Geselle ihn endlich gereizt anbölkte: „Was glotzt du so, Stadtfatzke? Wohl noch nie einen arbeitenden Menschen gesehen, wie?“ Aber Wulfric antwortete nicht darauf.
Er sprach überhaupt nur das Nötigste. In den ersten Tagen hatte er sich von dem älteren Burschen entlocken lassen, dass er vor allem das Schwertschmieden lernen wollte. Die Hänseleien, die er seitdem über sich ergehen lassen musste, waren fast noch übler als das Hofleben in Pol Movenn, und Wulfric war versucht gewesen, die ganze Schmiedelehre wegzuwerfen und erneut auf die Wanderschaft zu gehen. Aber er hatte die Zähne zusammengebissen und geschwiegen. Und weiter den Blasebalg betätigt.
Endlich kam der Tag, an dem Wulfric das erste Mal selbst den Hammer schwingen sollte. Marten hatte einen Großauftrag über Nägel für ein Bollwerk an der östlichen Stadtflanke bekommen, und nun wurden in der Schmiede alle Hände gebraucht. Wulfric hatte schon oft zugesehen, wenn Moran das Eisen auf dem Amboss hin und her gewandt hatte, aber es war doch etwas anderes, es nun selbst zu tun, und als der Geselle mit den Worten „So, nun zeig mal, was du kannst“ den Hammer in seine Richtung warf, war ihm doch vor Überraschung die Luft weggeblieben. Und das nicht nur, weil der Hammer in seiner Magenkuhle gelandet war.
Der Lehrling packte eine der Eisenstangen und hielt das Ende ins Feuer. Die Rechte umkrampfte den Stiel des Hammers, während die Linke das Eisen in den Flammen drehte. Keine Sekunde ließ er die Spitze aus den Augen und war sich bewusst, dass er in seiner Verkrampfung und Anspannung das genaue Gegenteil dessen bot, was er bei Marten gesehen hatte.
Das Eisen begann, dunkelrot zu glühen, und schnell riss es Wulfric