Liebesbriefe von Alice.. Alice Zumbé
10. Februar 2016: Bedingungslose Liebe – Teil 1.
„Lieber Freund,
erinnerst Du Dich noch an die Bücher, die ich mir vor zwei Wochen in der Stadtbücherei auslieh? „Stolz und Vorurteil” von Jane Austen habe ich nun zu Ende gelesen und bin begeistert. Ich genoss die Erzählungen aus dieser lange zurückliegenden Zeit, die mir einen Einblick in die Gefühls- und Gesellschaftswelten des endenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts gewährten. Jedes geschriebene Wort von Jane Austen war mir eine Augenweide in seinem Zusammenspiel mit weiteren Worten und so verkörperte ihr Schreibstil mein Verständnis von „Die Schönheit der Sprache”. Ihre Beschreibung der verschiedenen Charaktere und deren zwischenmenschliche Verbindungen sind von Humor und Leichtigkeit getragen und verlieren sich dennoch nicht in Oberflächlichkeiten, wenn man sie genauer betrachtet. In Liebesdingen zeigt sich Jane Austen als eine Befürworterin des gesunden Menschenverstandes und der Umstand, dass sie nur einen Tag vor meinem Geburtstag, im Jahre 1775, geboren wurde, ruft bei mir ein gewisses Gefühl der Verbundenheit hervor. Definitiv trage ich mich nun mit dem Gedanken auch ihre anderen Werke zu lesen und solltest Du die Gelegenheit finden eines ihrer Bücher irgendwo zu entdecken, so kann ich Dir diese Lektüre nur empfehlen.
Derweil waren die letzten Tage von neuen Begegnungen mit bisher unbekannten Menschen und so manchem, interessanten Gespräch geprägt. Besonders nachhaltig wirkte auf mich ein zweistündiges Telefonat letzte Woche Montag mit einem Freund aus dem hohen Norden, den ich vor drei Jahren in der realen Welt kennenlernte. Neben dem Austausch über aktuelle Lebensgeschichten, führten wir vor allem eine anregende Konversation zu dem Thema „Bedingungslose Liebe”, welches mich bereits in den vergangenen drei Jahren meiner Forschungsreise rund um die Liebe immer wieder beschäftigte. Dabei hatte es den Freund und mich auch so manches Mal in der Vergangenheit in Atem gehalten, wenn wir uns auf kontroverse Art vor allem in der virtuellen Welt darüber austauschten. So regte mich die Thematik derart an, dass ich mich in den letzten Tagen wieder intensiver den Studien dazu hingab. Ich grub mich gedanklich in die Erinnerungen der eigenen Erfahrungen mit bedingungsloser Liebe ein, tauchte ab in das Wissen anderer, die sich damit vertraut gemacht hatten und wagte den Blick von oben auf einige Menschen, die meines Erachtens danach lebten in bedingungsloser Liebe zu handeln.
Zunächst machte ich die Bekanntschaft mit Fragen, die durch meinen Kopf jagten. „Was bedeutet eigentlich bedingungslose Liebe?”, „Gibt es sie überhaupt?” und wenn „ja”, „Ist es leicht oder schwer danach zu leben?” und „Weshalb ist das so?”, „Was muss man tun?”, „Wo kann man das lernen?” und „Wer handelt schon danach?” und, und, und... Eine Frage reihte sich an die nächste und je mehr ich mich mit ihnen befasste, die Erkenntnisse anderer heranzog, spürte ich die Komplexität der Thematik und erlangte die Einsicht, dass es nicht DIE eine Antwort auf jede dieser Fragen gibt. Und immer, wenn ich in meinem Leben das Gefühl hatte, dass etwas eine sehr große Tragweite zu haben schien, verschiedene Sichtweisen inne hatte, deren Ausmaß ich nicht im entferntesten überschauen konnte, kehrte ich ganz nah zu mir zurück. Zu meinem Leben und zu meinen innersten Gedanken, die aus meiner Seele sprachen. Um zu erkunden, was sich dort zum Sachverhalt wiederfand und wenn es mir irgendwie möglich sein sollte, folgte ich dem Leitsatz „Keep it simple”, beschränkte mich auf das Wesentliche, um im besten Fall die daraus gewonnenen Erkenntnisse weiterzutragen, mitzuteilen.
Mit dem Begriff „bedingungslos” verband ich noch andere Bezeichnungen, wie „unabhängig” in Bezug auf Gegebenheiten und „frei” von Verlangen und Erwartungen sowie „wertungsfrei”. Außerdem las ich von anderen, dass sie der bedingungslosen Liebe den Sinn eines spirituellen, übergeordneten Zustands zusprachen. Da ich mich selbst allerdings eher als bodenständigen Realisten bezeichne, interessierte mich mehr die Betrachtung im Hinblick auf das Handeln, die Erlebnisse mit Menschen, von denen es sicher viele zu entdecken gab. Doch „keine Erwartungen haben”, „nichts verlangen”? Wie funktioniert das?
Mit dem Blick auf mich selbst, wusste ich ganz genau, dass sich dies im alltäglichen nicht immer einfach gestaltet, denn es ist eine Herausforderung, der auch ich mich immer wieder stelle. Beginnend bei mir, denn auch die Liebe zu sich selbst beinhaltet für mich die bedingungslose Liebe – losgelöst von Labels, einem Status, den man sich selber gibt oder den andere in einem sehen. Eine der elementarsten Grundlagen für diese Form von bedingungsloser Liebe, ist für mich die Achtung vor sich selbst und die eigene Wertschätzung und dies geht einher mit den Gefühlen, die sich täglich offenbaren. Die gesamte Palette von Licht und Schatten, verbunden mit den Stärken und Schwächen, die in uns allen schlummern. Denn bedingungslos lieben kann ich nur das Gesamtpaket, wenn ich es so annehme, wie es sich gänzlich präsentiert. So nehme ich die schönen Gefühle dankbar an, genieße die Momente leicht und beschwingt, genauso wie ich die dunklen Seiten annehme, die ich als Lehrzeit betrachte, um zu verstehen, weshalb es in diesem Moment so ist und daraus zu lernen. Rückblickend haben sie mir die Möglichkeit geboten mich weiter zu entwickeln, zu reifen und das ist etwas, dass mir ein gutes Gefühl gibt. Es erfüllt mich regelrecht und führte mich zu wunderschönen Begegnungen mit anderen Menschen, in denen ich bedingungslos lieben konnte.
Zwei Menschen gelangen mir sofort in den Sinn und erfüllen mein Herz mit spürbarer Liebe. Bedingungslos. Eine Geschichte erzähle ich Dir heute, die mich mit dem einen eint und die ich mit „bedingungsloser Liebe” verbinde. Vor 26 Jahren sind wir uns zum ersten Mal begegnet, nachdem ich ihn 9 Monate in mir getragen hatte. Vieles ist in den Jahren geschehen und ich durfte mein Leben mit ihm teilen, sah ihn aufwachsen, entdeckte die Entwicklung seiner Persönlichkeit, seines Charakters und viele Jahre waren von gefühlter Liebe erfüllt. Schließlich wurde er selbstständig, benutzte die Flügel, die ich ihm mitgab und entdeckte die Welt, machte Erfahrungen und traf neue Menschen. Manches Mal stürzte er, stand wieder auf, ging weiter und lernte viel über sich und andere. Vor drei Jahren traf ich ihn dann in einem Moment, der ihn alle Schatten seines Lebens spüren ließ.
Wir trafen uns in einem Café und ich wusste schon durch das zuvor geführte Telefongespräch, dass es ihm nicht gut ging. Vorbereitet auf mein Kind, das wieder einmal gestürzt war, begab ich mich zum vereinbarten Treffpunkt. Ich fühlte zu diesem Zeitpunkt so viel Liebe in mir, dass ich wusste, was auch immer er mir an negativen Erlebnissen und Gefühlen mitbrachte, ich würde es aushalten und einfach für ihn da sein, egal was kommt. Dann trat mir ein Mensch entgegen, der in diesem Moment seinen ganzen Schmerz, die Niedergeschlagenheit, die Enttäuschung, die Wut, die Hilflosigkeit und die fehlende Selbstsicherheit ausstrahlte. Ich konnte nur eines tun. Zuhören. Und ihm so vielleicht die Möglichkeit bieten alle diese Gefühle ein Stück loszulassen. Es war kein leichtes Gespräch, aber ich fühlte mich stark genug seine Last für den Moment zu tragen und ich brachte die positive Energie mit, die es brauchte, um dem persönlich entgegen zu stehen. Nachdem er schweren Herzens seine Geschichten erzählt hatte, verweilten wir einen Moment im Schweigen. Dann fragte ich ihn, wo die Liebe bei ihm ist. Ich berührte damit sein Herz und weil er sich gerade schwach und leer fühlte, beantwortete er die Frage damit, dass er es nicht weiß, sie einfach gerade nicht da sei und er glaube, dass er sie verloren hat. Dann begann ich ihm von meinen Erlebnissen zu erzählen, die von Liebe getragen waren. Ich erzählte von den wunderbaren Menschen in meinem Leben, mit denen ich in Liebe verbunden bin. Er hörte mir zu und öffnete für einen Spalt breit sein Herz. Ich freute mich, dass er dies zuließ und spürte aber auch wie viel Kraft es ihn gekostet hatte. Nach einer Weile waren alle Worte gesagt und ich wusste, dass die Zeit gekommen war uns zu trennen. Wir verließen den Ort der Zusammenkunft und gingen noch gemeinsam ein Stück des Weges. Die Zeit des Abschieds war da.
Wir standen uns mit etwas Abstand gegenüber und aus tiefstem Herzen ließ ich meinen Gefühlen Raum für die richtigen Worte: „Ich liebe Dich. So wie Du bist. Egal was war oder was kommen wird.“ Dann drehte ich mich um und ging weg. Es war Liebe da. Die Liebe zu meinem Sohn. Bedingungslos. Und ich vertraute meinem Kind, dass es seinen Weg finden würde. Am folgenden Sonntag war Muttertag. Ein Tag, dem ich bisher keine besondere Bedeutung zumaß, was sich am Abend dann jedoch ändern sollte. Mein Sohn schrieb mir eine Nachricht in den späten Abendstunden und der Satz, der mich am meisten darin berührte und der in großen Lettern