Brut des Bösen. Mark Savage

Brut des Bösen - Mark Savage


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       Der Unfall

      Jennifer schlich sich leise am Schlafzimmer ihrer Eltern vorbei. Durch die geschlossene Tür hindurch vernahm sie das laute Schnarchen ihres Vaters. Sie beeilte sich, den Flur zu durchqueren, und schlüpfte vorsichtig durch die Haustür ins Freie. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blitzte es zwischen den Büschen kurz auf. Zielstrebig schlug sie diese Richtung ein und fiel daraufhin in zwei starke männliche Arme, die sie fest an sich drückten.

      »Na endlich, ich dachte schon, du wärst eingeschlafen«, sprach der schwarzhaarige Junge in der Lederkluft, der auf den Namen Mark Kobain hörte.

       »Ausgerechnet heute mussten Mom und Dad so spät zu Bett gehen. Aber ich wollte nicht, dass es mir so geht wie beim letzten Mal.«

      Jennifer Brand zog ihren Freund zu sich heran und küsste ihn.

      »Wichtig ist, dass wir jetzt beisammen sind. Auf dem Trafalgar Square ist ein kleiner Jahrmarkt, gehen wir hin?«

      »Wie du möchtest. Wir können aber auch zu mir gehen. Meine Eltern würden nichts dagegen sagen, das weißt du.«

      »Ich weiß«, sprach Jennifer leise. »Aber ich bin noch nicht so weit, Mark. Gib mir noch etwas Zeit, ja?«

      »Sag mal, kannst du Gedanken lesen? Du denkst ja ganz schlimme Sachen von mir, oder wie verstehe ich das? Na gut, fahren wir zum Jahrmarkt. Vielleicht überlegst du dir es ja noch.«

      Jennifer nahm ihren Helm entgegen und schwang sich auf den Sozius.

      »Wir werden sehen, Mark. Aber verspreche dir nicht zu viel. Bis um drei will ich auf jeden Fall wieder zu Hause sein.«

       Ein letztes Mal bäumte sich der Körper Jennifers auf. Ein lautes, erlösendes Stöhnen drang aus ihrem Mund. Dann warf sie sich erschöpft über den unter ihr liegenden Körper.

      Ausgelaugt und glücklich strich Mark über das schulterlange dunkelblonde Haar seiner Freundin. Ihr hübsches, kindliches Gesicht mit der niedlichen Stupsnase überzog ein dünner Film aus Schweiß. Ihre grünbraunen Augen sahen ihn forschend an.

      »Mark, Schatz, es war ... so schön ... wunderschön. Es ... war das erste Mal, dass ich mit einem Jungen geschlafen habe, weißt du.«

      »Ich weiß«, erwiderte Mark mit sanfter Stimme. »Du warst großartig. Ich liebe dich, Jenny.«

      »Ich liebe dich auch. Wenn es nur öfter so sein könnte. Manchmal glaube ich, meine Eltern für ihre störrische Haltung hassen zu müssen. Was haben sie nur gegen dich, du hast ihnen doch nichts getan. Sie haben dir nicht mal die Möglichkeit gegeben mit ihnen zu sprechen.«

      »Weißt du, Jenny, ich glaube es liegt weniger an mir als an der Tatsache, dass dich deine Eltern noch für zu jung für eine Beziehung halten. Ich bin dreiundzwanzig, du erst vierzehn. Sie machen sich Sorgen, das ist alles. Gib ihnen Zeit.«

      Jenny kuschelte sich an ihren Freund und seufzte traurig.

      »Wie ich diese Heimlichtuerei hasse. Warum darf ich dich nicht lieben, nur weil ich vierzehn bin. Oh Gott, stell dir mal vor sie wüssten, was wir beide gerade getan haben.«

      »Sie würden mich wahrscheinlich anzeigen. Wegen Missbrauchs einer Minderjährigen«, vermutete Mark.

      Jennifers Körper schob sich erneut über ihn.

      »Was meinst du? Sündigen wir noch mal?«

      Marks Hände fuhren ihren Rücken entlang und strichen über die runden Formen ihres Beckens. Er spürte, wie ihn erneut die Erregung befiel. Als sie sich ein zweites Mal liebten, bemerkten sie nicht, wie schnell die Zeit verging.

       Als Jennifer an der Seite ihres Freundes erwachte, fiel ihr Blick zufällig auf die Uhranzeige des Radioweckers. Mit einem Satz sprang sie auf und rüttelte Mark an der Schulter.

      »Was ist denn ...?«, knurrte dieser mürrisch und noch halb im Schlaf.

      »Es ist schon halb fünf morgens, Mark. In einer halben Stunde steigt mein Vater auf. Ich glaube, ich habe meine Zimmertür offengelassen. Was glaubst du, was los ist, wenn er bemerkt, dass ich nicht da bin. Schnell, Mark, beeile dich.«

      Missmutig stieg Mark aus dem Bett, beeilte sich aber doch, da er sich und seiner Freundin unnötigen Ärger ersparen wollte.

      Nur wenige Minuten später saßen sie auf dem Motorrad. Mark fuhr leidenschaftlich Harley, und er tat dies Sommer wie Winter. Er hasste Autofahren.

      Die Straßen Londons waren bereits gutgefüllt, da sich die Schichtarbeiter entweder auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Nachhauseweg befanden. Mark wohnte zudem in einer Ortschaft außerhalb Londons, so dass der Weg in die Stadt schon eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Die Zeit würde verdammt knapp werden. Er beschloss, einiges an Geschwindigkeit zuzulegen. Normalerweise hielt er sich zurück, wenn Jenny hinter ihm saß, und dieses eine Mal, dachte er sich, würde schon alles gut gehen.

       Ted Henlon fuhr schon seit fünfzehn Jahren Truck, aber nie ging es ihm so beschissen wie heute. Er saß bereits über zwanzig Stunden am Steuer, fest entschlossen, sein Ziel vor dem Morgen zu erreichen.

      Danach hatte er erst mal ein paar Tage Ruhepause, und er freute sich darauf, seine Frau und die Kleinen wieder zu sehen. Dieses geschah im Jahr höchsten vier- bis fünfmal. Er hätte den verfluchten Job sicherlich schon längst aufgegeben. Aber es war das Einzige, das er konnte. Zudem liebte er seinen Truck.

      Das Radio lief mit voller Lautstärke, aber selbst dies hielt ihn nicht mehr richtig wach. Endlich bog er auf ein Stück der Hauptstraße, welche um diese Zeit nur wenig befahren war. Die ständige Konzentration laugte ihn völlig aus. Er trat das Gaspedal etwas mehr durch. Auf dieser Strecke konnte er unbesorgt an Tempo zulegen, denn er wusste aus Erfahrung, dass ihn hier eine Zeitlang keine Fahrzeuge behindern würden.

      Mit dem Fuß auf dem Gaspedal schlief Ted Henlon schließlich ein.

       Mark fuhr mit über 100 Sachen durch die verkehrsberuhigte Zone, in der Hoffnung, keinem Streifenwagen in die Quere zu kommen.

      Jennifers Hände krallten sich fest um seine Hüfte. Unter anderen Umständen hätte das Mädchen über die riskante Fahrweise ihres Freundes einen Wutanfall bekommen. Die Angst vor ihrem Vater überwog jedoch, so dass sie es Mark nicht weiter übel nahm.

      Mark fluchte im Stillen, als aus einer Seitenstraße ein Polizeifahrzeug auf die Hauptstraße bog. Er reagierte, bevor ihn die Bobbys erblickten, und bog seinerseits in eine Nebengasse ein. Nach einigen Umwegen fuhr er wieder in Richtung der Hauptverkehrsstraße. Vorsichtig sah er sich um, als er an die Straßenkreuzung heranfuhr. Nach einer Weile bog er beruhigt ab. Ein schneller Blick auf die Uhr ließ ihn das Gas ein wenig mehr durchdrücken. Die Landstraße lag frei vor ihm, auf der Gegenseite blendete das einsame Lichterpaar eines Sattelschleppers. Es störte den jungen Mann nicht.

      Das Motorrad beschleunigte und war fast an dem Truck vorbei, als dieser urplötzlich die Straßenseite wechselte und geradewegs auf ihn zusteuerte. Das tonnenschwere Fahrzeug scherte so unerwartet aus seiner Bahn, dass Mark nicht geringste Chance zum Ausweichmanöver erhielt.

      Frontal prallte das Motorrad mit dem Sattelschlepper zusammen. Alles geschah rasend schnell.

      Mark wurde regelrecht aus seinem Sitz katapultiert und flog einer Kanonenkugel gleich mit dem Kopf voran in die Fahrerkabine. Glas barst mit lauten Knall.

      Ted Hanlon, der Fahrer, erwachte in dem Moment, als der Kopf Mark Kobains auf den Beifahrersitz fiel. Die Wucht des Aufpralls, die den jungen Mann in die Frontscheibe trieb, enthauptete ihn in Sekundenschnelle. Die Hände des Torsos baumelten über die Armaturen, und aus dem Stumpf des Körpers schossen Unmengen von Blut, die den gesamten Innenraum der Fahrerkabine besudelten.

      Schreiend trat Ted Hanlon auf die Bremse. Eine Reaktion, die unbewusst erfolgte. Er vernahm das Krachen unter den Rädern des Trucks. Panik kroch in ihm hoch. Zitternd stieg er aus dem 40 Tonnen schweren Fahrzeug und stürzte um ein Haar zu Boden. Er musste sich zwingen, einen Blick unter den Truck zu werfen.

      Die kläglichen Überreste der zerfetzten Maschine hingen zum Teil in der Achse


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