Herzbrecher. K.P. Hand

Herzbrecher - K.P. Hand


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einer langen Messerklinge in ihre Kehle stach, sie spürte, wie sie die Haut aufriss und Blut hervorquoll.

      »Drück. Den. Knopf«, flüsterte er ihr drohend ins Ohr und betonte jedes einzelne Wort, als sei sie schwer von Begriff.

      Als sie sich nicht rührte, gab er ihr einen kräftigen Stoß, sodass sich die Spitze der langen Messerklinge noch tiefer in ihren Hals bohrte.

      Okay, beruhige dich, sagte sie zu sich selbst. Tu einfach, was er verlangt!

      Sie streckte eine zitternde Hand aus und drückte einfach den Knopf, der die Türen wieder schließen ließ, weil sie gar nicht wusste, welchen der vielen Knöpfe er gemeint hatte.

      Anni hatte wohl richtiggelegen, denn er atmete hinter ihr gelassen aus.

      »Gut, und jetzt hör mir genau zu«, sagte er so leise, das sie ihn über das Rauschen ihres erhöhten Pulses kaum verstehen konnte. »Wir werden jetzt die Kabine verlassen und zu meinem Wagen rübergehen. Du wirst nicht schreien, die wirst nicht versuchen, wegzulaufen. Und wenn doch ...« Er sagte den Satz nicht zu Ende, stattdessen drückte er die Spitze des Messers noch tiefer in die kleine Wunde. Blut floss über Annis Halssehnen hinab und tropfte auf ihr weißes T-Shirt.

      »Hast du das verstanden, Süße?«

      Sie nickte angestrengt, hob eine Hand und tippte ihm bittend auf die Finger. Vielleicht konnte sie verhandeln.

      Anni spürte sein Zögern, aber schließlich lockerte er doch seine Hand und gab ihren Mund frei.

      Luft holend sprach sie sofort nervös auf ihn ein: »Sie können meine Handtasche haben, da ist ein bisschen Bargeld drinnen, die Tasche selbst ist viel wert. Nehmen sie auch den Autoschlüssen. Es ist die große silberne Limousine auf Parkplatz 3D. Sie können meine Kreditkarte haben, was immer Sie wollen ... Mein Daddy hat viel Geld, sicher können wir uns einigen, wenn wir ihn anrufen.«

      »Halt den Mund.« Er legte wieder seine Hand über ihre Lippen und schüttelte frustriert über sie den Kopf. »Ich will deine Scheißsachen nicht.«

      Was wollte er denn dann? Wenn es ihm um Lösegeld ging, konnte er es doch auch gleich hier und jetzt von Annis Vater verlangen. Warum sollte sie dazu zu seinem Wagen gehen?

      »Jetzt drück den Scheißknopf und geh unauffällig raus«, sagte er in einem Tonfall, der deutlich machte, das mit ihm nicht zu spaßen war.

      Anni zitterte heftig, als sie erneut den Knopf betätigte.

      Der Fahrstuhl öffnete sich und sie blickte direkt in die menschenseelenleere Tiefgarage. Nur wenige Autos standen auf den Parkplätzen, die meisten Bewohner waren schon zu ihren Arbeitsplätzen gefahren. Anwälte, Werbefuzzis, Autohändler und so weiter.

      »Kein Mucks«, warnte er sie noch. »Sonst schneid ich dir die Zunge raus, kapiert?«

      Er ließ sie los und sie ging langsam aus dem Fahrstuhl, weil er dicht hinter ihr war und ihr das Messer in den Rücken drückte.

      »Ich schwöre es, ich steche dich ab«, zischte er, während er sie geradewegs auf einen schwarzen Sportwagen zu bugsierte, als könnte er ihre Gedanken hören, die sich überschlugen und überschlugen.

      Was sollte sie jetzt tun? Keiner hatte ihr je gesagt, was sie in einem solchen Fall tun sollte.

      Annis Augen huschten umher. Wo waren die Kameras? Umging er sie etwa? Wusste er bereits, wo sie hingen? Vielleicht hatte er deshalb die Mütze auf und den Kragen hochgestellt.

      Auch er sah sich nervös um.

      War denn niemand hier, der ihr helfen konnte?

      Und dann hörte sie ein Geräusch, wie eine zuschlagende Autotür. Musik in ihren verzweifelten Ohren.

      Anni riss den Ellenbogen nach hinten und hatte Glück, das der Stoß direkt in die Rippen des Fremden traf. Er grunzte und kam ins Wanken. Anni nutzte ihre Chance und rannte ihm davon.

      »Scheiße«, hörte sie ihn fluchen und seine dunkle Stimme war so von Zorn verzerrt, das sie sich nur wünschen konnte, dass er sie nicht wieder in die Finger bekam.

      »Hilfe«, schrie sie. »Bitte, helfen Sie mir!«

      Sie rannte in die Richtung, von der sie glaubte, die zuschlagende Tür gehört zu haben. Zum Glück war sie auf dem Weg zur Arbeit gewesen und trug einfache Sneakers statt ihrer üblichen Fick-mich-Pumps.

      Anni hörte hinter sich die schnell herannahenden Schritte ihres Verfolgers.

      Sie wagte einen Blick über die Schulter und sah ihn mit überaus finsterer Miene schnell zu ihr aufschließen.

      Anni rannte schneller, oder versuchte es jedenfalls. Ihre Beine brannten so sehr, sie wünschte sich in diesem Moment, dass sie mehr ihre Schenkelmuskulatur trainiert hätte, statt nur Bauch, Brust und Po, um heiß und knackig auszusehen. Aber jeder noch so wohlgeformte Muskel brachte ihr nichts, wenn die Ausdauer fehlte. Ihre Lunge protestierte bei jedem Einatmen, als habe sie Jahrzehntelang mehrere Schachtel Zigaretten am Tag geraucht, dabei war der Sprint bis zur Ausfahrt nur kurz ...

      »Nein!«, rief Anni fassungslos, als sie einen Wagen gerade aus der Tiefgarage fahren sah.

      Die Schranke ging zu, und der blaue Kombi bog ab.

      Trotzdem rannte Anni weiter, winkte rufend mit den Armen. »Hey! Kommen Sie zurück! Bitte kommen Sie zurück!«

      Der Fahrer hörte sie nicht, er fuhr davon.

      »Hab ich dich!«

      Er rannte sie einfach um und warf sie zu Boden.

      Anni schlug mit dem Kopf auf, sie spürte warme Flüssigkeit ihren Nacken hinabfließen, ihr wurde schwummrig, trotzdem kämpfte sie gegen den Fremden an.

      Er schlug ihre Hände fort, doch sie holte aus und zog ihre Fingernägel quer über sein Gesicht. Sie hinterließ nur leichte Spuren.

      »Fotze!«, stieß er aus und schlug ihr einfach ins Gesicht.

      Er schlug sie! Anni atmete fassungslos aus. Wegen des Adrenalins – oder besser gesagt, dank des Adrenalins – spürte sie den Hieb kaum. Es war eher so, dass es sie zutiefst schockierte, geschlagen worden zu sein.

      »Steh auf!«, brüllte er sie an. Er zog sie grob auf die Beine.

      Anni war speiübel, sie fürchtete, eine Gehirnerschütterung erlitten zu haben.

      »Warte nur ab, du Miststück!« Er packte ihren wankenden Körper und zerrte sie durch die Tiefgarage wieder zurück zu seinem Wagen. »Das wirst du bereuen, das verspreche ich dir.«

      Anni wollte sich ja wehren, aber immer wieder verschwamm ihre Sicht. Sie behielt nur mit Mühe das Bewusstsein.

      Er öffnete den Kofferraum, als sie an seinem Wagen ankamen.

      »Steig rein da.«

      Anni verstand die Worte im ersten Moment nicht, sie blinzelte ihn verwirrt an.

      »Los!«, brüllte er ihr ins Gesicht. »Rein da!«

      »Aber ... Nein! Nein!« Er wollte sie hinein schubsen, aber Anni fing sich am Rand ab und stemmte sich dagegen. »Bitte nicht.«

      »Du hast es ja nicht anders gewollt, Anni.«

      Anni versteinerte. Woher kannte er ihren Namen? Woher wusste er, wer sie war?

      Sie schluckte. »Wer sind Sie?«

      »Sagen wir einfach, Daddy legte sich mit den falschen Leuten an«, hauchte er ihr zu.

      »Was wollen Sie?« Anni hoffte erneut auf Verhandlungen. »Geld? Er wird Ihnen Geld geben. Alles, was Sie wollen. Nur ... tun Sie mir bitte nichts.«

      Letzteres weinte sie verzweifelt. Das sie mal so eine flehende Bitte ausstoßen würde, hätte sie niemals für möglich gehalten. Warum, um Gotteswillen, musste das ausgerechnet ihr geschehen?

      Er beugte sich über sie und legte den Mund an ihr Ohr. »Weißt du, was ich will, Anni?«


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