Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny
wie eine Fanfare. Christian blieb das Herz stehen.
Stille.
Louis lauschte.
Mit stockendem Atem blickte Christian auf sein Kind. Louis schien die Lautlosigkeit nicht geheuer. Unbehaglich verzog er das Gesicht, schloss die Augen und brüllte los. Christian holte tief Luft, hielt eine Sekunde inne und trat die Flucht nach vorn an. Er stieg die letzten beiden Stufen hinauf. Renate blickte ihn erschrocken an. Es waren die Augen einer Verfolgten, die schmerzhaft erkannte, in eine Sackgasse geraten zu sein.
»Geh jetzt«, forderte sie Oliver auf, ohne ihn anzusehen. Ihre Augen krallten sich in Christians Blick.
»Ich komme wieder«, versprach Oliver. Wenige Sekunden später trafen sich die Augenpaare der beiden Männer.
»Hallo, Christian«, zischte der Krankenpfleger zwischen geschlossenen Zähnen hervor und schob sich an ihm vorbei.
»W ... Was willst du hier?«, rief ihm Christian nach, doch Oliver hob nur abwehrend die Hand, ohne sich umzudrehen. Die Haustür fiel ins Schloss. Renate stand im Türrahmen. »Hallo«, sagte sie und wischte sich eine Träne von der Wange.
»Was wollte der von dir? Kennt ihr euch? Woher kennt ihr euch?«
Renate fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und knipste ein gezwungenes Lächeln an. Sie machte einen Schritt auf Christian zu.
»Louis, mein Kleiner! Komm zu Oma. Geht’s dir wieder gut?« Ihre Stimme war belegt.
Louis lächelte und streckte die Ärmchen nach ihr aus. Christian reichte seinen Sohn weiter.
»Was wollte der Typ von dir?«, fragte er.
»Nichts.« Renate verschwand in die Wohnung.
»Mama. Ich hab euer Gespräch belauscht.«
Christian folgte ihr in die Küche. Sie hantierte einhändig an der Kaffeemaschine. »Was habe ich dir übers Lauschen beigebracht?«
Christian verdrehte die Augen.
»Weshalb bedroht er dich?«
»Da musst du etwas falsch verstanden haben. Er hat mich nicht bedroht.« Sie wandte sich Louis zu. »Dein Daddy immer! Er sieht überall Bedrohungen!«
Christian seufzte. »Hör auf damit, Mama! Ich sehe doch, dass du geweint hast. Ihr habt euch angeschrien. Sag mir, was er von dir will!«
»Er wollte mir ein Zeitungsabo verkaufen, und ich habe abgelehnt. Da hat er ein bisschen ungehalten reagiert, das ist alles«, sagte Renate. Christians Blick verfinsterte sich.
»Mama, er vertickt keine Zeitungen. Er ist Krankenpfleger. Ich bin nicht blöd.«
Renate öffnete den Hängeschrank und holte zwei Kaffeetassen heraus. Christian versuchte es mit einem vertraulichen Ton: »Hast du so wenig Vertrauen zu mir, dass du nicht darüber reden kannst?«
»Es ist so, wie ich gesagt habe: Zeitungsabo. Die verdienen ja nicht viel im Krankenhaus. Und jetzt Schluss damit!« Sie schleuderte eine Kaffeetasse zu Boden. Laut zerschellte das Porzellan auf den Fliesen zu tausend Scherben. Christian riss die Augen auf und auch Louis schien perplex. Christian ging auf ihn zu und strich ihm über die Wangen, dabei blickte er seiner Mutter in die Augen. Sie glänzten und warfen sein Spiegelbild zurück, als wollten sie ihn daran hindern, in ihre Seele zu blicken. Er spürte, heute bekam er keine Antwort. Vielleicht sollte er Oliver im Krankenhaus einen Besuch abstatten?
Louis hatte den Schrecken über die polternden Tassen verdaut und streckte die Ärmchen nach seinem Vater aus. Renate verschwand und kam zurück mit Eimer und Besen. Sie sammelte die Splitter ein und fegte stumm.
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