Die Stunde, eh' du schlafen gehst. Ханс Фаллада

Die Stunde, eh' du schlafen gehst - Ханс Фаллада


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dann schlafen!«

      »Det is doch einfach unerhört!« ließ sich die Pinkpank vernehmen. »Singen sagt se, aber se meent …«

      »Ruhe, Pinkpank!« befahl er. »Also singen Sie, mein Fräulein, los, singen Sie meinen Schlager, den ganz Berlin singt …«

      »Hier?« fragte sie verwirrt. »Hier soll ich singen? Hier auf der Treppe, vor ihrer Tür?«

      »Nun, und was ist weiter dabei?« entgegnete er, immer zorniger, und wußte doch, daß er sich zu schämen hatte, daß er ohne Recht zornig war. »Die Bühne ist noch sehr viel öffentlicher, und Sie haben dort auch etwas mehr Publikum als meine gute Pinkpank und mich. Singen Sie, mein Fräulein, oder ich gehe sofort und überlasse Sie der Frau Pinkpank!«

      »Gut, ich werde hier singen«, sagte sie. »Ihren Schlager, nicht wahr?« Er nickte ungeduldig. »Einen Augenblick, bitte.« Und mit dem Versuch eines Lächelns: »Ich bin ein wenig aufgeregt.«

      »Ich verstehe«, erwiderte er trocken und beantwortete das Lächeln nicht, sah sie nur kühl prüfend an.

      Wie sie da jetzt mit geschlossenen Augen an dem Türrahmen lehnte, unruhig atmend, wollte Mitleid ihn überkommen. Ich sollte sie doch wenigstens in die Wohnung lassen, dachte er. Aber er hatte schon soviel Unangenehmes mit sogenannten Verehrerinnen erlebt, manche waren nur durch äußerste Grobheit loszuwerden. Vielleicht, wahrscheinlich tat er dieser unrecht, sie sah nicht danach aus. Aber, dachte er mit einem plötzlichen Gedankensprung und umging die Frage nach Recht und Unrecht, aber ich muß meinen Schlaf retten, ich muß in anderthalb Stunden frisch sein!

      »Ich singe«, sagte sie und schlug die Augen zu ihm auf, sah ihn fest an. »Ich singe Ihr Lied …«

      Und nun sang sie dieses Lied – das er allabendlich zur Begeisterung seiner Hörer sang, das ganz Berlin summte, sang, tanzte –, sang dies:

      Die Stunde, eh’ du schlafen gehst,

      Die schenk du mir, die schenk’ ich dir,

      Und wenn du mich dann recht verstehst,

      So bleibe ich bei dir.

      Die Nacht verrinnt, der Tag bricht an,

      Die Sonne steigt. – Nun sieh mich an.

      Jetzt wohnt das Glück bei mir!

      Welch überraschend tiefe Stimme! dachte er. In diesem zarten Körper! Es wäre damit etwas anzufangen, nur ein wenig Schule noch. Obwohl sie schon gute Schule hat, sie muß bei einer ausgezeichneten Lehrerin sein! Wo sagte sie doch? In Lübeck, richtig, ja. – Sie ist jetzt befangen, aber die Atemtechnik ist gut – das eben hätte die Marielen nicht besser machen können …

      Sie sang immer weiter, alle Strophen, den Kopf gegen den Rahmen gelehnt, ihn ansehend. Das Gesicht der Pinkpank hatte sich geglättet, sie war ein alter Theaterhase, sie hörte, wer was konnte. Diese kleine Wiehießsiedoch konnte was!

      Die Stimme war immer voller und sicherer geworden, sie läutete jetzt wie eine tiefe, dunkle Glocke. Das Mädchen sang den letzten Vers:

      Die Stunde, eh’ du schlafen gehst,

      Darf ich nun bei dir sein.

      Was dich erlöst, was mich erlöst,

      Wir wissen es allein,

      Die Nacht verrinnt, der Tag bricht an,

      Nun bin ich Frau, du bist der Mann –

      Jetzt sind wir stets zu zwei’n!

      Aber so gut sie auch sang, ihm mißfiel nun die Sängerin. Der Blick, mit dem sie ihn selbstvergessen ansah – ach! Er hatte ihn so oft in den Augen anderer Verehrerinnen gesehen, die nicht so gut sangen, denen es aber auch gar nicht auf den Gesang ankam! Die Pinkpank hatte es auch gemerkt, ihr Gesicht war wieder säuerlich geworden.

      »Schön, schön, mein Fräulein«, sagte er darum eilig, kaum daß sie geendet hatte. »Sie haben ein recht gutes Material. Seien Sie noch ein, zwei Jahre recht fleißig bei Ihrer vorzüglichen Lehrerin, und Sie werden eine erfreuliche Zukunft haben. Guten Abend!«

      Und rasch, ehe ihn seine Wort noch reuen konnten, ging er in das Innere der Wohnung.

      Sie war bei dieser bösen Abfertigung zusammengefahren, als hätte er sie geschlagen. Und er hatte sie ja wirklich geschlagen! Verzweifelt fragte sie die Haushälterin: »Habe ich denn so schlecht gesungen? Warum ist er so böse auf mich?«

      »Nee, Se haben nicht jrade schlecht jesungen, Frollein«, antwortete die Pinkpank. »Aber denken Se bloß: alle wollen wat von ihm, und keene bringt ihm wat! Wenn der nich uff sich aufpaßt, is er gleich flöten. – Na, nu kucken Se man nich so traurig! Jehn Se lieber nach Haus und tun Se, wat er Sie jesagt hat!«

      Damit schloß Frau Pinkpank die Tür, und das Mädchen aus der Fremde stand im Treppenhaus. Umsonst, alles vergeblich! Mama hatte recht behalten: ihre Kraft war nicht groß genug. Und sie hatte geglaubt, sie würde ihn sofort überzeugen …

      Lange mußte Babendererde auf dem Balkon warten, bis er das Mädchen auf der Straße erscheinen sah. Schon empfand er bittere Reue wegen seiner Härte, und diese Reue wuchs, als er sie schlaff die Straße eher hinabschleichen als gehen sah. Am liebsten wäre er ihr nachgelaufen und hätte ihr mit ein paar Worten Mut gemacht. Aber, dachte er, aber wohin soll das führen?! Sie hätte mich nicht so ansehen dürfen – mit ein paar Worten ist es da nicht getan! All das zersplittert mich bloß. Ich muß mich zusammenhalten. Zwölfhundert Menschen haben ihr Geld dafür ausgegeben, um heute abend eine gute Leistung von mir zu sehen. Dafür muß ich frisch sein …

      Er ging entschlossen auf den Gang. »Pinkpank«, rief er, »lassen Sie mir ein Bad ein, recht heiß! Mit dem Schlafen wird es doch nichts mehr.«

      »Ick saje et ja!« seufzte die Pinkpank. »Immer die ollen Mächens!«

      2

      Der Anruf und das Ei

      Die Marielen, die große Marielen, wie sie von ihren Verehrern genannt wurde, saß in ihrer Theatergarderobe und schalt mit dem Friseur herum: »Ich habe es hundertmal gesagt, ich will das Haar an den Schläfen lockerer haben – ganz locker! Aber in diesem Theater tut noch der kleinste Statist alles, um mich zu ärgern!«

      Die Tür öffnete sich, und eilig trat der Theaterarzt Doktor Altpeter ein. »Ich küsse dich, mein schönes Kind!« sagte er und sandte der Marielen durch den Spiegel einen leicht schnalzenden Kuß, den er von dem Rücken seiner fetten Hand fortschnellte. Dann warf er sich seufzend in einen Sessel. »Nun, wie ist hier die Stimmung, Marielen? Drüben« – er deutete mit dem Daumen zur Tür – »ist sie grauenvoll! Einfach grauenvoll!«

      »Und das wundert dich, Doktor?« fragte die Marielen spöttisch. »Bedenke doch, heute abend geben wir seinen geliebten Schmarren zum letzten Mal! Mindestens vierzehn Tage werden der hohe Herr Babendererde unbeschäftigt sein! Unbeschäftigt – du lieber Gott! Ich glaube, er hat ›nur‹ an drei Filmen zu arbeiten!«

      »Du tust ihm unrecht, Marielen!« versicherte Doktor Altpeter eifrig. Ihm, wie allen beim Theater, war bekannt, daß die Marielen von Ehrgeiz verzehrt war und daß sie es nie verwinden konnte, kein ›filmisches Gesicht‹ zu haben. Der Versuch, mit ihr einen Film zu drehen, war fehlgeschlagen – das verzieh sie keinem, der filmte! »Du tust ihm wirklich unrecht! Er hat seinen geliebten Schmarren genauso über wie du, mein Kind, und freut sich auf seine vierzehn Tage Spielfreiheit. Nur schlafen, Doktor, hat er mir noch gestern gesagt, schlafen und vergessen!« Ein wenig wichtigtuerisch setzte er hinzu: »Ich habe ihm ein neues Brompräparat verschrieben, von dem er keine Pickel bekommen wird.«

      »So!« sagte die Marielen, immer in dem gleichen spöttischen Ton, winkte dem Friseur Entlassung und fing an, ihr Gesicht einzufetten. »Er erzählt dir, er hat den Schmarren über, und du bist so naiv, es ihm zu glauben, Doktor? Dir kann man auch alles erzählen! Sag mal, mein Guter, hast du dir das Stück in letzter Zeit mal angesehen – vom Zuschauerraum aus, meine ich?«

      »Die Wahrheit zu sagen, nein!« gestand Doktor Altpeter etwas verlegen. »Ich bin hinter der Bühne immer so beschäftigt


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