Die Stunde, eh' du schlafen gehst. Ханс Фаллада

Die Stunde, eh' du schlafen gehst - Ханс Фаллада


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doch nicht, Babendererde? Sie fangen doch nicht an zu spinnen?!«

      Und zu Meindorff, der mit drei Gläsern Bier ankam: »Der Babendererde will partout nicht filmen! Läßt sich zureden wie ’ne kranke Kuh, hilft aber nichts. Kann man das denn überhaupt so einrichten, daß er drei, vier Tage frei ist?«

      »Zehn Tage!« sagte Babendererde. »Vierzehn Tage!«

      »Vierzehn Tage! Du mußt wahnsinnig sein! In vierzehn Tagen haben wir ausgedreht, oder wir sind erschossen, Hensel, du, ich, wir alle! Dann ist’s mit den Aufträgen vorbei! Nun trink erst mal, Babendererde, guter alter Flimmerstern, dann wird dir schon anders. Saazer Urstoff, aus den reinen böhmischen Wassern gebraut, eins der herrlichsten Getränke in dieser durstmachenden Welt! Prost!«

      »Und ich kann doch nicht filmen!« sagte Babendererde hartnäckig und setzte das Glas ab.

      Die beiden wollten gerade wieder in Protest ausbrechen, als Julius an ihrem Tisch stand.

      »Ihr Bier, meine Herren!« sagte er strahlend. »Herr Direktor hat drei bestellt und Herr Babendererde zweimal eins. Und für Herrn Meindorff habe ich auch noch gleich eins mitgebracht, macht sechs Schultheiß dunkel, zwei vierzig, zwei fünfundsiebzig, drei fünf, drei achtzig – wer zahlt von den Herren?«

      Sie starrten ihn entgeistert an. Dann brachen sie in ein unbändiges Gelächter aus; auch Babendererde lachte mit.

      »Verschwinde, du Wurm!« rief Meindorff. »Du vertrottelst immer mehr! Siehst du nicht, daß du uns schon drei Glas gebracht hast, gerade eben? Und nun kassierst du auch schon! Hebe dich von uns, Julius, und sieh zu, daß du nicht auch deinen letzten Funken Verstand vertrinkst!«

      Mit starren Fischaugen stand Julius, ein Bild des Jammers. »Ich habe wirklich schon Bier gebracht …« murmelte er. »Der hat recht. Ich seh’s ja stehen. Jetzt hat’s aber bei mir geklingelt! Nun wird’s duster. Nun trink’ ich auch keinen Tropfen mehr! – Aber was mach’ ich mit dem Schultheiß?«

      Sie sahen ihn am Serviertisch die sechs Gläser absetzen. Julius warf einen scheuen Blick, der nichts sah, um sich, hob ein Glas zum Munde, und: »Das Bier, das du getrunken hast, das bracht’st du mir, das schenkt’ ich dir …« summte Meindorff.

      Babendererde zog ein Gesicht, sagte dann aber ganz friedlich: »Wenn Sie nur wollen, läßt es sich ganz gut einrichten. Schieben Sie meine Aufnahmen an den Schluß, erledigen Sie alles, aber auch alles andere vorher. Ich werde irgendwohin fahren, wo ich für Sie erreichbar bin. Nicht weit weg. Ich bin kein Spielverderber!«

      Die beiden anderen wechselten einen raschen Blick. Erst zuckte Meindorff mit den Achseln, dann nickte er unmerklich.

      »Wohin wollen Sie denn fahren?« fragte Hensel.

      »Ich weiß noch nicht recht. Ich hab’ an Lübeck gedacht, das heißt, ich meine natürlich Travemünde.«

      »Nein, Lübeck!« riefen Produktionschef und Regisseur fast gleichzeitig. »Das ist beinahe eine Idee, Babendererde! Wenn Sie wirklich nach Lübeck fahren, läßt sich vielleicht darüber reden!«

      »Warum denn so plötzlich?« fragte Babendererde mißtrauisch. »Wollen Sie etwa in Lübeck Außenaufnahmen drehen?«

      »Keine Idee, Sie sollen nicht gestört werden! Aber haben Sie schon mal von der Lena Christobal gehört?«

      »Idiot!« sagte Babendererde bloß. »Wer hat nicht schon von der Christobal gehört? Aber die spielt doch seit netto zehn, zwölf Jahren nicht mehr!«

      »Seit zwanzig Jahren!« verbesserte Meindorff. »Seit sie geheiratet hat, irgendeinen Dänen oder Schweden …«

      »Einen Holländer!« meinte Hensel.

      »Na ja, jedenfalls was Ausländisches. Seitdem hat sie keinen Fuß mehr auf die Bühne gesetzt.«

      »Und was ist mit der? Was hat die Christobal mit Lübeck zu tun?«

      »Sie muß da irgendwo hausen, in oder bei Lübeck, nicht unter ihrem Bühnennamen natürlich, sondern unter ihrem Frauennamen. Den müssen Sie irgendwie rauskriegen!«

      »Ich?« fragte Babendererde. »Wozu soll das denn gut sein?«

      »Na, Mensch, Babendererde, heute haben Sie aber eine ungewöhnlich lange Leitung. In vier Wochen wollen wir doch mit ›Mutterglück‹ ins Atelier, und die Mutterrolle ist noch immer nicht besetzt!«

      »Und dabei habt ihr an die Christobal gedacht?«

      »Richtig! Köpfchen, Meindorff, der Junge hat wirklich Köpfchen, er begreift alles im Nu! Wo er das nur her hat!«

      »Ja, Babendererde, die Christobal ist die einzige Frau in Deutschland, von der die Rolle wirklich ganz groß gespielt werden kann! Mit der Christobal in der Hauptrolle wird ›Mutterglück‹ der Schlager der Spielzeit!«

      »Aber ich denke, sie spielt nicht mehr! Und sie hat doch noch nie gefilmt!«

      »Doch hat sie gefilmt, zwei-, dreimal; im Stummfilm natürlich! Und sie war hinreißend, sage ich dir! Sogar dem Kameramann sind die Tränen bei der Aufnahme runtergelaufen, die Linse an seinem Apparat war ganz beschlagen!«

      »So ’ne Tränentute zieht doch heute nicht mehr!« sagte Babendererde, gar nicht überzeugt.

      »Tränentute! Haben Sie das gehört, Hensel? Der hat ’ne Ahnung, was? Die Christobal, mein Lieber, ist eine ganz große Dame, une vraie grande dame alter, bester Schule! So was kennt ihr Jungens gar nicht mehr! Das ist ja ihr Unglück, für sie gibt’s heute kaum noch Partner! Du könntest gerade noch gehen, wenn du dich sehr anstrengtest, Babendererde!«

      »Wenn Sie die rumkriegten«, sagte nun auch Hensel, »das wäre großartig! Ich lasse Ihnen Zeit dafür, ich werde es hier schon so einrichten. Auf ein paar Tage, die wir später fertig werden, kommt’s schließlich nicht an.«

      »Ach nee …«

      »Du mußt natürlich schlau sein«, fing Meindorff wieder an. »Sie soll nie Besuch empfangen, sie wohnt ganz abgeschlossen, auf irgendeiner Klitsche oder in einer Villa, draußen oder auch in Lübeck – das wirst du schon rauskriegen …«

      »Und ihr wißt nicht mal den Namen?«

      »Keine Ahnung! Der verehrte ausländische Gatte soll übrigens verstorben sein, das erleichtert dir deine Aufgabe! Mensch, wenn du die kriegtest! Eine Stimme hat die Frau – ganz dunkel! Wenn die in der ›Gioconda‹ sagte: ›Ich habe keine Hände mehr …‹, es war als striche dir einer mit ’nem Stück Samt den nackten Buckel lang!«

      »Du wirst ja wirklich lyrisch, Meindorff! Und bis wann soll ich das schaffen! In vier Wochen wollt ihr schon ins Atelier …«

      »Von vier Wochen kann keine Rede sein! Es ist natürlich ein bißchen eilig, wie immer beim Film. Eigentlich brandeilig. In zwei Wochen spätestens muß der Vertrag gemacht sein …«

      »In zwei Wochen – ihr seid ja verdreht! Ich hab’ auch noch andere Sachen in Lübeck!«

      »Was hast du denn für andere Sachen in Lübeck, Kindchen? Was kann man in Lübeck schon für andere Sachen haben?! Nein, Babendererde, entweder bringst du uns den Kram in vierzehn Tagen in Ordnung, oder du kommst morgen zum Filmen!«

      »Ich könnte ja ruppig sein«, sagte Babendererde, »euern Auftrag ablehnen und doch nicht filmen. Zugestanden habt ihr mir, daß es sich gut einrichten läßt!«

      »Ohne Zeugen, Liebling! Wird von uns bestritten.«

      »Aber ich will nicht so sein. Ich nehme den Auftrag an, schon um die Christobal kennenzulernen. Ich hab’ schon viel von ihr gehört! – Und wie ist das mit den Spesen, Hensel?«

      »Vertrauensspesen, mein Lieber, sparen Sie an nichts! Sie dürfen sich jeden Tag gerne einmal sattessen. Gehen Sie ins Schabbelhaus oder in die Schiffergesellschaft. Im Schabbelhaus ist die Seezunge gut und der Rotspon noch besser. Und der Christobal sagen Sie, sie kann verdienen, was sie will – in gewissen Grenzen natürlich! Schließlich ist es ein Risiko mit ihr. Zwanzig Jahre


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