Kolosseum des Lebens. C. L. Larue

Kolosseum des Lebens - C. L. Larue


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er eine Krankenschwester, mehr jedoch eine Nonne sah. Nonnen waren schließlich eine feste Institution in Krankenhäusern, besonders in katholischen.

      Als hätte er bereits eine Vorahnung auf zukünftige Zeiten, deren Tragweite er jedoch zu diesem Zeitpunkt nun wirklich nicht absehen konnte, intensivierte er diese Eigenschaft der kompromisslosen Abneigung in der Weise, dass er gegenüber schwarz-weiß gekleideten Frauen, die einem watschelnden Pinguin ähnelten und auf ihn zuliefen, als festen Bestand seines Wesens.

      Wie auch immer, diese Tatsache verschaffte ihm letztlich ein Stück Freiheit. Denn das Thema Kindergarten stand irgendwann im Raum und musste angegangen werden. Natürlich hatte man versucht ihn zwangszurekrutieren, doch auf Grund seiner unzähligen „Begegnungen der dritten Art“ und hieraus resultierenden sehr ausgeprägten Stimme, waren seine Schreie für den halben Ort unüberhörbar, so dass ihm dieses Elend „Kindergarten“, letztlich erspart blieb. So also verbrachte er die Jahre bis zur Einschulung zu Hause bei Mutter. Die Tatsache, dass er nur sehr wenig Spielkameraden hatte, stellte für ihn kein wesentliches Problem dar. Er liebte es in sich gekehrt still zu spielen oder auch nur aus dem Küchenfenster zu schauen, um dem täglichen Treiben auf der Straße zuzusehen. Er malte sehr gerne und besonders lange konnte er sich mit dem Hauskätzchen oder auch mit seinen Bausteinen beschäftigen. Die Zeiten zwischen den Blasenlähmungen, in dieser zurückgezogenen Atmosphäre, waren für ihn schöne Momente und so gab es kaum Augenblicke, die für seine Mutter anstrengend gewesen wären. Kurzum, Klein Klaus Rudolf Johann war relativ problemlos. Sich seinen Gedanken hingebend, kam ihm plötzlich die Frage in den Sinn, weshalb er sich nicht ebenso gut an seinen Vater erinnerte und selbst wenn die ein oder andere Erinnerung zum Vorschein kam, warum nur schemenhafte Bilder? So versuchte er seine Erinnerungen noch ein wenig mehr zu intensivieren. Doch auch wenn er sich noch so bemühte, es gelang einfach nicht die Ereignisse mit Gedanken an seinen Vater zu verknüpfen.

       

      Geschenke & andere Querelen

      Die Erinnerungen an seinen Vater zu jener Zeit, sind eher die Erinnerungen seiner Geschwister und hier insbesondere die der Schwester Ursula sowie seinem zweitältesten Bruders Friedrich. Eigene Erinnerungen aus den ersten sieben Lebensjahren sind kaum vorhanden, wenn man von den pipelineziehenden Aktionen mal absah. Daher musste er sich eingestehen, dass all diese Beschreibungen auch subjektiver Natur seien, denn das Verhältnis seiner Schwester Ursula zum Vater beispielsweise, waren eher ein gespaltenes und geprägt von Bitterkeit, wie sich schnell herausstellen sollte. Aus heutiger Sicht war Ursula ein Mensch, der die Fähigkeit aus Erfahrungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln nur zögerlich ausgebildet hatte. Demnach gab es also nicht viel verwertbares, das für sein eigenes Leben relevant sein konnte. So mansche Aussage von Ursula hatte jedoch trotz allem sein Gutes. Die eigenen Erinnerungen wurden durch diese Beschreibungen der Schwester klarer und der ein oder andere aha Effekt stellte sich schließlich doch auf wundersame Weise ein. Das Dilemma seiner Schwester hatte ihren Ursprung in der Tatsache, dass sie als erstgeborene nun mal kein Junge war und dies ließ sie der frisch gebackene Vater wohl sehr deutlich spüren. So berichtete Ursula, dass Vater seiner Enttäuschung freien Lauf ließ, als er sie das erste Mal sah und sozusagen mit sanfter Gewalt erst einmal dazu genötigt werden musste, klein Ursula auf den Arm zu nehmen. Die Quelle ihrer „Erinnerungen“ war Mutter, die ihr, scheinbar des Öfteren, diese Erlebnisse sehr anschaulich berichtet hatte.

      Ich wage die Behauptung, dass diese Darstellungen wohl den damaligen Gegebenheiten entsprachen und somit der Wahrheitsgehalt recht groß sein dürfte. Erst nach einiger Zeit so hieß es, wurde er schließlich doch der stolze Vater einer Tochter und zeigte dies auch voller Enthusiasmus seinem Umfeld. Der zärtliche Umgang änderte sich jedoch mit zunehmenden Alter der heranwachsenden Tochter, so dass Ursula Vater als zunehmend strenger werdenden Despoten empfand. Ursula verglich ihre Stellung in der Familie mit der Märchenfigur „Aschenputtel“. Und so stellte sie die Vermählung mit ihrem Ehemann in all den Gesprächen als „Flucht“ vor dem Elternhaus dar. Besonders was diesen Punkt betraf erinnerte er sich plötzlich, dass er dies von seinen Geschwistern öfter als Grund zu hören bekam, was ihn immer wieder wunderte, denn bisher war er noch immer der Meinung, dass sein Elternhaus eher als „gut“ zu bezeichnen war.

      Auch was die Kindheit des ältesten Bruders Peter betraf, stand auch hier die Härte und Strenge des Vaters oft im Vordergrund und blieb Peter als ausgeprägte Erinnerung haften. Peter war das „schwarze Schaf“ der Familie und selbst beiden Elternteilen kamen diese Formulierungen hin und wieder über die Lippen. Er selbst hatte nicht viele Berührungspunkte mit Peter, denn er war immerhin 13Jahre älter als er. An eine Episode konnte er sich jedoch ganz deutlich erinnern. Sie geschah während der Zeit des Hausumbaus, im Jahre 1966. Peter verrichtete seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr und kam nur an den Wochenenden nach Hause. Meist pflegte Peter dann mit Freunden auf eine nächtliche alkoholgetränkte Vergnügungstour zu gehen. Als Peter in gewohnter Weise wieder einmal früh morgens gut gefüllt zurückkam, versäumte er am darauf folgenden Tag zurück zur Kaserne zu fahren. Dies war der Anlass, dass Vater ihn verprügelte. Er und sein Bruder Friedrich mussten mit ansehen, wie dieses Szenario ablief und es blieb zumindest bei ihm, als furchtbare Erinnerung haften. Peter hielt im Laufe des Gefechts Vaters Arme fest, während Vater ständig versuchte ihn weiter zu züchtigen. Vater regte sich derart darüber auf nicht seine Absicht umsetzen zu können, dass er unmittelbar einen Kreislaufzusammenbruch oder so etwas Ähnliches erlitt. Peter flüchtete aus dem Haus und Mutter musste den Krankenwagen rufen. Es war wirklich eine schlimme Situation, geprägt von unsäglichen Angstgefühlen. Sowohl um den Bruder als auch dem Vater gegenüber.

      Aus heutiger Sicht betrachtet, dürften die Diskrepanzen zwischen Vater und Sohn eher ihren Ursprung darin haben, dass beide annähernd gleiche Charaktere aufwiesen und dies somit zu immer wiederkehrenden Reibungspunkten führte, die scheinbar nach Vaters Überzeugung, nur mit Härte zu regeln waren. Und wieder gab es Erinnerungen an Aussagen seiner Eltern über den Umgang seines Großvaters mit dem Vater.

      Oft wurde erzählt, dass sein Vater, er war der Älteste von drei Kindern, den Kopf für die Verfehlungen seiner Geschwister hinhalten musste und somit vom Großvater verprügelt wurde. Es ließe zwar ein gewisses Verständnis für die Art wie Vater mit Problemen umzugehen pflegte zu, doch wenn er tief in sich hinein hörte, weigerte er sich vehement, dies seinem Vater zuzugestehen. Schließlich galt es aus Fehlern zu lernen oder zumindest diese nicht in der nächsten Generation ebenso fortzuführen.

      Die eigene Erinnerung an seinen Vater, die durch diese Erzählungen plötzlich deutlicher wurden, waren ihn selbst betreffend ähnlicher Natur und wenn er Mutters Aussage zu diesem Thema mit einbezog, so dürften die Empfindungen seiner Geschwister eher den Gegebenheiten entsprochen haben. Oft sagte Mutter, Vater sei streng aber gerecht. Letzteres jedoch, zog er in Zweifel. Zu jenem Zeitpunkt mehr denn je, denn er erinnerte sich an eine Episode, ein Erlebnis, das er bis zum heutigen Tag nicht wirklich vergessen konnte. Es ist eine Geschichte von einem für ein Kleinkind sehr wichtiges und womöglich für Erwachsene eher unscheinbares Erlebnis, das vielleicht sogar mehr zum Schmunzeln anregt, als es für bedeutend zu halten.

      Es ereignete sich im Frühjahr 1964. Es musste wohl um Ostern herum gewesen sein, denn sonst hätte es keinen Anlass für den Großvater aus Saarbrücken gegeben, ihm ein Geschenk zu schicken. Ein Paket aus Saarbrücken war schon etwas Besonderes, denn man konnte mit ruhigem Gewissen sagen, dass dieser Umstand mehr als ein seltenes Ereignis darstellte.

      Und so packte er das Paket voller Vorfreude aus. Hervor kam ein großes Rennauto das man mit einem Schlüssel aufziehen konnte. Es war rot, aus Blech, mit einem Rennfahrer auf dem Sitz und sogar mit einem Knopf ausgerüstet, der als Schaltung diente. Legte man diesen um, nachdem man die Feder aufgezogen hatte, schoss es wie ein Pfeil davon. Ein wunderschönes Geschenk, und er machte sich sogleich euphorisch daran, es vor dem Haus auf dem Gehweg auszuprobieren.

      Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete der kleine Heinz Brauer sein treiben. Der Nachbarsjunge, der etwa im gleichen Alter war. Und er ließ es sich nicht nehmen, seiner Neugier freien Lauf zu lassen. Also kam er über die Straße und fragte, ob er


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