Second Chances. Melody Adams

Second Chances - Melody Adams


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besonders nachdem sie das Kleine verlor.“

      Hellhörig geworden starrte ich Misses Baker an.

      „Was? Wovon reden Sie. Welches – Kleine?“

      „Jess war schwanger als du sie sitzen ließt. – Wusstest du das denn nicht?“

      Entsetzt schüttelte ich den Kopf. Scham und Schuld stiegen in mir auf. Bisher hatte ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, wie es für Jess gewesen sein musste. Ich hatte gedacht, sie würde mich einfach vergessen und mit ihrem Leben fortfahren. Wir waren beide so jung gewesen und die Hochzeit in Vegas war einfach nur eine verrückte, kindische Sache gewesen. Ich hatte nie geglaubt, dass sie das Ganze so ernst genommen hatte. Und ich hatte absolut keine Idee, dass sie schwanger gewesen war.

      „Also du hattest keine Ahnung, hm?“

      „Nein“, erwiderte ich leise. „Ich wusste nicht ...“

      „Wir machen alle Fehler mein Junge, doch ich denke, dass du Jess eine Erklärung schuldest. – Und eine Entschuldigung.“

      Ich nickte betreten. Hier stand ich. Dallas Winter, erfolgreicher Schauspieler, ein Weltmann, der es ganz nach oben geschafft hatte, und ich fühlte mich plötzlich wieder wie ein kleiner Junge, der von Miss Gordon beim Kirschen stehlen erwischt wurde.

      „Lebt sie noch hier – in Small Woods?“

      Misses Baker nickte.

      „Ja, sie lebt seit vier Jahren in der alten Kabine am Fluss. Ganz allein da draußen. Doch sie will es nicht anders. Züchtet und trainiert Pferde, das Mädel. Und sie ist gut. Ist ne Starke, die Jess, nur nicht wenn es ums Herz geht.“

      „Ich werde mit ihr reinen Tisch machen, das versprech ich Ihnen“, sagte ich bestimmt.

      Misses Baker nickte.

      „Ja, mach das, mein Junge. Das Mädel verdient eine Erklärung.“

      Misses Baker wandte sich zu dem Bord mit Zimmerschlüsseln um und griff nach einen Bund. Das war typisch Small Woods, altmodische Zimmerschlüssel anstelle von Karten. Die Zeit hier schien wirklich stehengeblieben zu sein.

      „Hier! Zimmer 214 für dich, mein Junge. Unser Bestes. Wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“

      Ich ergriff die Schlüssel und lächelte dankbar.

      „Danke Misses Baker.“

      Ich schulterte meinen Rucksack und ging auf den Fahrstuhl zu. Ich spürte Misses Bakers Blick in meinem Nacken. Es sah ganz so aus als würde mein Aufenthalt hier doch nicht so einfach werden. Ich hatte eine Menge zu erklären, das wurde mir nun bewusst. Und nicht jeder hier in Small Woods würde sich mir gegenüber so verständnisvoll zeigen wie Misses Baker. Besonders nicht meine Eltern. Seufzend drückte ich auf den Knopf des Aufzuges und wartete, bis die Türen sich mit einem Pling öffneten und ich hastig in die Kabine stieg.

       Jess

      Die Nacht über hatte es heftig geregnet und der Boden war aufgeweicht und machte schmatzende Geräusche bei jedem Schritt. Doch die Luft war angenehm frisch und die erdrückend schwüle Hitze der letzten Tage war milden Temperaturen mit einem leichten Wind gewichen. Da nahm ich auch gern in Kauf, dass ich die Kabine ohne Gummistiefel nicht verlassen konnte. Die Pferde wieherten freudig, als ich in den Stall trat. Ich hatte vier Stuten und meinen Hengst Gringo. Dazu zwei wunderschöne Fohlen, während die Stute Velvet ihr erstes Fohlen erwartete. Es würde im Frühjahr geboren werden. Noch war ihr das Fohlen nicht anzusehen, doch mein Tierarzt hatte letzte Woche per Ultraschall bestätigt, dass sie tragend war.

      „Guten Morgen, ihr Hübschen. Wie habt ihr denn das Gewitter überstanden?“, begrüßte ich meine Pferde, was erneut von einem aufgeregten Wiehern beantwortet wurde. Gringo scharrte unruhig in seiner Box und begann, mit den Huf gegen die Gitter zu schlagen.

      „Sei doch nicht so ungeduldig“, ermahnte ich ihn. „Du bekommst dein Futter schon rechtzeitig.“

      Gut gelaunt begab ich mich in die Futterkammer und begann die Schüsseln mit Hafer und Pellets zu füllen. Ich konnte Gringos ungeduldiges Schnauben hören. Nachdem alle Schüsseln gefüllt waren, stapelte ich sie ineinander und trug sie hinaus auf den Gang, um ihren Inhalt in die Futtertröge zu verteilen. Gringo bekam stets als Erstes, sein Privileg als Macho der kleinen Herde. Meine Stuten waren etwas geduldiger als er und warteten artig, wenn auch deutlich aufgeregt, darauf, dass sie an der Reihe waren. Nachdem ich auch noch Heu in die Boxen verteilt hatte, war es Zeit für mein eigenes Frühstück.

      Ich konnte das Telefon hören, als ich schmatzenden Schrittes auf die Kabine zuging. Wer mochte das sein? Es war nicht einmal sieben Uhr morgens und Anrufe zu so früher Stunde konnten nur bedeuten, dass es wichtig sein musste, also lief ich die letzten Meter bis zur Veranda, eilte die Stufen hinauf, riss die Haustür auf und hetzte in den Flur ohne mir die Mühe zu machen, die schlammigen Gummistiefel auszuziehen.

      „Ja?“, rief ich atemlos, als ich das Gespräch angenommen hatte.

      „Jess, Darling, hab ich dich geweckt?“, fragte Gillian Baker, die Rezeptionsdame unseres einzigen Hotels, dem White Lion.

      „Nein, ich war gerade vom Stall auf dem Weg zum Haus, als ich das Telefon hörte. Ich dachte, es müsse wichtig sein, deswegen hab ich mich beeilt.“

      „Oh! – Tut mir leid, wenn ich dich so gehetzt hab, Darling, doch ich dachte mir, dass du diese Neuigkeiten unbedingt hören willst. Rate mal, wer gestern hier im Hotel abgestiegen ist.“

      „Ich weiß nicht. Der Präsident?“, scherzte ich.

      „Dallas ist zurück, Jess. Ich geh mal nicht davon aus, dass der Bengel sich schon bei dir gemeldet hat.“

      Mir wurde mit einem Mal ganz flau auf dem Magen und mein Herz begann, unruhig zu klopfen. Mit weichen Knien ließ ich mich auf den Stuhl nieder, der neben dem Telefontisch stand. Dallas! Er war zurück. Und das, seit gestern.

      „Bist du noch dran, Süße? Ist alles in Ordnung?“

      „Ja ... ja, ich bin noch dran“, erwiderte ich mit schwacher Stimme.

      „Ich weiß, dass es ein Schock für dich sein muss, doch ich wollte nicht, dass du es von einer der Klatschtanten erfährst. Du weißt, wie die sein können.“

      „Ja ... ja, danke, Misses Baker.“

      Als ich das Gespräch beendet hatte, saß ich für eine ganze Weile auf dem Stuhl und starrte vor mich hin. Ich war geschockt. So oft hatte ich mir ausgemalt, dass Dallas irgendwann genug von seinen Hollywoodsternchen hatte und nach Small Woods zurück kehren würde, reumütig für das was er getan hatte und mit der Erkenntnis, dass ich immer noch die Frau war, die er eigentlich wollte. Ja, ich weiß, naiver geht es nicht mehr, doch ich konnte nicht ändern, dass Dallas die Liebe meines Lebens war. Nun war er wirklich zurück, doch ich bezweifelte stark, dass es auch nur annähernd so werden würde, wie in meinen Tagträumen. Vielleicht besuchte er einfach nur seine Eltern. Er hatte sich bisher nicht hier blicken lassen, also war ich wohl kaum der Grund für seine Wiederkehr. Vielleicht würde ich ihn überhaupt gar nicht zu Gesicht bekommen, ehe er sich wieder verpisste. Unbewusst drehte ich unablässig den Ring an meinem Finger, während die Gedanken durch meinen Kopf gingen. Zwölf Jahre waren eine verdammt lange Zeit. Da ich Dallas’ Hollywoodleben all die Jahre verfolgt hatte, wusste ich nicht nur, wie die Zeit ihn optisch verändert hatten, ich wusste auch, dass er ein Partylöwe, Casanova und Rüpel war. Nicht, dass das irgendetwas an meinen Gefühlen geändert hätte. Ich war eben ein hoffnungslos naives Mädchen, trotz meiner dreißig Jahre. Vielleicht hatte Molly recht, und ich sollte mir meinen untreuen Mann aus dem Kopf schlagen und wieder ausgehen, doch ich konnte mich einfach nicht überwinden, mich mit Männern zu treffen, welche ich ohnehin nur mit Dallas vergleichen würde. Hier in unserer kleinen Stadt gab es keinen einzigen Mann, der es mit ihm aufnehmen könnte und mich woanders umzusehen kam für mich nicht infrage. Ich war hier geboren und aufgewachsen. Ich würde Small Woods niemals verlassen. Mich zog es nicht in die Ferne, in die großen Städte mit all ihrer Anonymität, Smog und Hektik. Ich liebte


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