Himmel, Arsch und Hölle!. Elke Bulenda
man ihm den Rücken zudrehte, zog er sich entweder den Sattel wieder vom Rücken, oder biss mir in den Hintern. Und bei meiner Antipathie gegen diesen struppigen Zossen, war das genau eine halbe Stunde zu viel in seiner Gegenwart. Und wir hassten uns voller Abscheu tief von ganzem Herzen. Eigentlich sollte aus Gunnar, den ich nur abwertend Plüschi nannte, eine ordentliche Portion Pferdewurst gemacht werden, doch mein Sohn Gungnir verguckte sich in dieses Rüpel-Pferd und überredete mich letztendlich, ihn seiner Obhut zu überlassen. Mit einem ordentlichen Schluck Hochprozentigem bekam er ihn sogar beim Satteln in den Griff. Dabei frage ich mich, wieso ich nicht auf diese glorreiche Idee gekommen war. Aber ich schweife schon wieder ab ...
Im Übrigen bräuchte ein Vampir rein theoretisch gar nicht zu reiten, denn er ist zu Fuß wesentlich schneller als dieses Huf-Getier. Doch da es die Reittherapie so verlangte, fläzte ich mich auf dem Rücken des Gaules, langweilte mich zu Tode, schlief ein und fiel wieder runter, um nach der Therapiestunde schrecklich nach Pferd zu riechen. Als der Abend anbrach, war ich ab und alle. Ich machte mir Gedanken, wie es mir gelänge, in kürzester Zeit am weitesten von dieser verfluchten Therapie weg zu kommen. Der einzige Lichtblick war, dass ich jetzt, dank GPS wusste, wo Amanda wohnte ...
Warum die Hölle im Jenseits suchen? Sie ist schon im Diesseits vorhanden, im Herzen der Bösen.
(Jean-Jacques Rousseau)
Nicht einmal die wunderschöne Aussicht auf den brodelnden Schwefelsee, der durch den Himmelssturz und Aufprall Satans entstanden war, konnte die Stimmung Zaphiels heben. Selbst das Jammern und Kreischen, der auf ewig verdammten und im Höllenfeuer brennenden Seelen, klang nicht mehr wie reine Musik in seinen Ohren. Es ging ihm regelrecht auf die Nerven. Die Tage und Wochen vergingen, doch Nelchael kam nicht mehr zurück. Selbst der Gedanke, er könnte es Barbiel gleich getan haben, erschien ihm lächerlich. Ihm war, im wahrsten Sinne des Wortes, die Verbindung zu ihm verlorengegangen. Wie konnte das geschehen? Rufen, drohen, ja, selbst flehen, - es brachte alles nichts. Der gefallene Engel blieb wie vom Erdboden verschluckt. Dabei hatte er ihn eindringlich gewarnt, keine vorschnellen Aktionen zu starten. Der rothaarige Vampir war kein zu unterschätzender Gegner. Zaphiel rückte sich das kleine Modell des Pariser Eiffelturms in seinem Gesicht zurecht. Ein Mitbringsel seines letzten Aufenthalts an der Oberfläche.
»Was für ein lachhafter Nasenersatz! Glotz´ nicht so doof!«, ranzte er sein hässliches Spiegelbild an. Aber es nützte nichts, schließlich konnte er nicht mit einem klaffenden Loch im Gesicht herumlaufen. Das alles war nur die Schuld von Barbiel. Wäre er nicht stiften gegangen und zu dieser Organisation Salomons Ring übergelaufen, dann befände sich noch alles in bester Ordnung. Und dann wurde dieser Feigling Barbiel auch noch von Jahwe rehabilitiert! Ja, seit wann gibt´s denn so was?
Der Nasenlose riss seine Bürotür auf und brüllte einen Befehl. »Holt mir Suriel! Aber dalli! Oder ich mache euch die Hölle heiß!«
Ein kleines rotes Teufelchen mit Affengesicht, zuckte zusammen und nahm die Hufe in die Hand und eilte überstürzt fort. Offensichtlich nicht nur von der schlechten Laune des Chefs befeuert, sondern auch deshalb, um nicht in heillos-gellendes Gelächter zu verfallen. Wenig später kam das rote Teufelchen zurück, verbeugte sich und kündigte Suriel an, oder eher dessen Verkünder. Ein zweiter kleiner Teufel betrat den Raum, fegte eine Schneise im Büro – den Weg, den sein Herr zu nehmen beabsichtigte - pflückte sich danach eine kleine Fanfare vom Gürtel und blies einen Tusch. Zaphiel hielt sich die Ohren solange zu, bis der Bläser seinen Vortrag beendet hatte. Der machte darauf eine Verbeugung und warf sich in die Brust.
»Der strahlende, einzigartige, von Satan über alles verehrte, großartige Suriel! Er kommt jetzt! Gleich ist er da! Ja, da ist er schon!«, quäkte der Diener. Zaphiel verdrehte die Augen und sagte: »Ja, ja! Ist ja gut, und jetzt verpiss dich, du Arsch!«
Und nun rauschte Suriel ins Büro. Verdammt aber auch, er sieht einfach fantastisch aus! Grandios gekleidet in Samt und Seide. Und er hat eine Nase!, musste sich Zaphiel eingestehen. Und Suriel war nicht nur bekannt für sein überaus einnehmendes Wesen, sondern auch für seinen ausgesprochen nervigen Hygiene-Fimmel. Damals war er der Hygienebeauftragte Jahwes. Ehe die Engel stürzten, versteht sich.
»Zaphiel, du ließest mich rufen?«, fragte der Gutaussehende mit wohlklingend sonorer Stimme und reichte Zaphiel eine behandschuhte Hand. Erst nachdem er Zaphiel die Hand geschüttelt hatte, zog er die feinen Menschenleder-Handschuhe aus und verbrannte sie auf dem steinernen Boden. Danach sah er das Aschehäufchen missmutig an, weil sein Diener aus dem Zimmer geschickt worden war und es damit nicht für ihn wegfegen konnte.
»Äh, ja! Natürlich ließ ich dich rufen, Suriel, sonst wärst du ja nicht hier!«, bemerkte Zaphiel schlechtgelaunt. »Hör zu, es geht um Folgendes: Ich sendete Nelchael aus, um dort oben die Lage zu peilen. Du weißt schon, es geht im Grunde um das Barbiel-Problem, aber dazu hat sich noch ein weiteres gesellt. Jetzt ist es ein Ragnor- und Barbiel-Problem«, knirschte er hervor. Suriel nickte und Zaphiel fuhr fort. »Ich denke Nelchael hat sich dabei zu weit aus dem Fenster gelehnt, hat es vermasselt und wurde meines Erachtens vom Vampir Ragnor vernichtet. Mit Ragnor ist nicht zu spaßen, ein wahrer Wüterich. Davon können sich unsere Jungs noch eine Scheibe abschneiden. Also sollte ein Profi sich jetzt der Sache annehmen. Aber nur auskundschaften, nicht eingreifen. Erst wenn Barbiel wieder auf der Bildfläche erscheint, schnappen wir sie uns beide - und das war´s dann.«
»Gut, gut, dann werde ich ihn observieren, das dürfte ein Leichtes für mich sein, es heißt nicht umsonst, ich sei Satans bester Mann«, antwortete der Lobhudler. »Und wenn ich wiederkomme, um Bericht zu erstatten, habe ich sicherlich einen schönen Tannenzapfen für dich in der Tasche. Ich weiß, es heißt ja immer ›Pariser Chic‹, aber das Ding in deinem Gesicht – es ist alles andere als en vogue - und steht dir nicht zu Gesicht.«
Obwohl Zaphiel diesem eitlen Fatzke am liebsten einen Tritt ins Gemächt zu verpassen beabsichtigte, machte er gute Miene zum bösen Spiel. Um ihm seinerseits zu demütigen, reichte er ihm gönnerhaft die Hand.
»Sehr schön, dann erwarte ich umgehend deinen Lagebericht. Ach ja, noch etwas. Wenn du scheitern solltest, weißt du was dich erwartet. Klangfolter mit dem Gesang eines Knabenchors, der die Matthäus-Passion deklamiert, und Sissi-Filme in einer Endlosschleife. Das war es von mir, adieu, mein Freund!«
Es wurden noch weitere, scheinheilige und nicht wirklich ernstgemeinte Komplimente ausgetauscht, während Suriel mit angewiderter Miene ein Hygiene-Tuch aus der Brokat-Weste nestelte und sich die Hand sorgfältig säuberte. Dann rauschte er wieder hinaus. Entnervt verdrehte Zaphiel die Augen. »Wo sind wir hier eigentlich? Langsam habe ich echt die Schnauze voll! Bin ich denn nur von Deppen und Gecken umgeben?«
Als Antwort erklang nur das Wimmern und Klagen verlorener Seelen aus dem Fegefeuer.
»Ach, verdammt! Wer hat euch denn gefragt? Haltet gefälligst euer blödes Maul!«
***
Die Tage und Wochen vergingen wie im Fluge. Aus einem warmen Spätsommer wurde ein heiterer, goldener Oktober, und die Tage merklich kürzer. Weder erreichte mich eine Nachricht von meinen Teamkollegen, noch erfuhr ich vom Verbleib meines Blutsbruders. Und des bescheuerten Katers konnte ich auch nicht habhaft werden. Nur seine kleinen Präsente hinterließ mir dieses Vieh, worüber er sich bestimmt königlich amüsierte. So blieb mir nichts anderes übrig, als mit stoischer Geduld meine mir auferlegten Therapiestunden zu ertragen. Die kleine Spionin Diemal, klebte mir dabei an der Hacke wie Hundescheiße. Wirklich besser fühlte ich mich durch diese Meditations-Zeug nicht, doch gab es meinem Dasein zumindest den Anstrich eines geregelten Ablaufs. Zum Andenken an meine erste Frau Edda, meinem ersten Sohn Gungnir und das ungeborene Kind, dessen Namen und Geschlecht ich niemals erfahren sollte, pflanzte ich ein paar rote Rosensträucher in meinen Garten. Für meine Tochter Jule pflanzte ich gelbe Rosen, für meine Tochter Mara ein paar orangefarbige. Für meine Ex-Frau wollte ich erst einen Apfelbaum einsetzen, doch nach reiflicher Überlegung, benannte ich nach ihr lediglich meine Mülltonne. In der kostbaren Freizeit, die mir nach dem Unterricht noch übrig blieb, sicherte ich das Terrain um meinen Wohnsitz herum. Bestückt mit Infrarot-Bewegungsmeldern, Flutlicht und gut verborgenen Kameras, fühlte ich mich ausreichend gut gewappnet. Auch hatte ich