Killt Spanien den Euro?. Horst Buchwald

Killt Spanien den Euro? - Horst Buchwald


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von der Costa de la Luz bis nach Barcelona mit Hotels, Villen und Autobahnen. Bauboom nannte sich das. Es boomte auf Pump – bis die Immobilienblase platzte und bei den Banken ein riesiges Schuldenloch hinterließ. Seitdem steht dem Land das Wasser bis zum Hals. Die EU-Kommission glaubt, mit 100 Milliarden Euro die Banken retten zu können. Doch das wird nicht reichen. Mehr dazu steht in Teil 4.

      Positiv gestimmte Ökonomen sehen dennoch einen Lichtblick: Spaniens Export legt leicht zu. Doch das ist kein Programm, um das Wachstum auf drei Prozent zu hebeln. Die Wahrscheinlichkeit, daß es auch in den nächsten 30 Jahren nicht gelingt, ist sehr hoch. Warum? Fragen wir einmal: Welches sind die künftigen Wachstumstreiber? (S. Anhang Nr. 1) Ergebnis: Spanische Unternehmen spielen in den Zukunftsindustrien kaum eine Rolle. Was da ist: Tourismus, Textil und ein wenig neue Energien reicht nicht bzw. stößt schon jetzt – wie der Tourismus – an Wachstumsgrenzen.

      Killt Spanien den Euro?

      Der Auftakt: 100 Milliarden für Banken und Sparkassen

      Spanien geriet in einem einmalig rasanten Tempo in den engeren Problemkreis. Und das ging so:

      14. Juni 2012: Die Ratingagenturen machen unmissverständlich klar, daß sie den Fall Spanien ziemlich kritisch beurteilen. Den Anlaß dafür lieferte die EU-Kommission. Sie hatte nur wenige Tage zuvor den spanischen Banken 100 Milliarden Euro für die Sanierung in Aussicht gestellt. Daraufhin stufte die Ratingagentur Moody’s Spanien von der Note A3 auf Baa3 herunter. Eine ziemlich unangenehme Positionierung, weil die Iberer damit nicht mehr weit entfernt von der Position der Griechen waren. Das traf die stolzen Spanier ins Mark. Kann es sein, daß die Moody-Analysten übertreiben? Keineswegs, mit der Begründung, die Sanierungssumme werde Spaniens Schuldenlast weiter erhöhen, liegt die Agentur keineswegs falsch.

      21. Juni 2012: Wenige Tage später schon hat das Folgen. An diesem Tag bot die spanische Regierung Staatsanleihen zum Kauf an, um sich refinanzieren zu können. Ergebnis: Für zweijährige Anleihen stieg die Rendite von rund 2 auf gut 4,7 Prozent, bei den dreijährigen von rund 4,9 auf fast 5,5 Prozent. Und bei den fünfjährigen Anleihen waren Risikoaufschläge über 6 Prozent notwendig. Das war der höchste Stand seit 15 Jahren.

      Was bedeuten diese außergewöhnlichen Renditen? Angenommen, sie würden über viele Monate derart hoch bleiben, dann würden die Märkte prüfen, ob Madrid das noch bezahlen kann. Kämen sie zu einem negativen Ergebnis, würden die Investoren kaum noch Anleihen kaufen und die erworbenen verkaufen. Sie wären alle Risiken los, aber die spanische Regierung hätte massive Probleme. Welche? Ohne Refinanzierungsquelle kann ein hoch verschuldeter Staat seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Konkret: Er könnte seine Angestellten nicht entlohnen und müßte seine Gläubiger um Zahlungsaufschub bitten – oder die Pleite beichten. Für solche Fälle hat die EU den Rettungsschirm erfunden. Doch die stolzen Spanier wollen die damit verbundenen harten Sparauflagen und Dauerkontrollen durch die Troika unbedingt vermeiden. Haben sie noch eine Chance?

      Jene 100 Milliarden Euro sind für die Banken vorgesehen. Die Spanier haben also ein Bankenproblem. Doch kann, indem die Banken gerettet werden, ein Staatsverschuldungsproblem verhindert werden? Die Realität ist wieder mal vertrackter.

      Einigen Banken – genauer: einigen Sparkassen – droht die Pleite, weil sie als Folge der Immobilienblase, die 2007 explodierte, faule Kredite in ihren Büchern haben. Wie hoch diese Summe ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Klar ist, der spanische Staat kann diese Summe nicht aufbringen. Warum nicht? Weil die Schuldenlast des Staates, der Privathaushalte sowie der Banken und Unternehmen schon jetzt bedrohlich ist. Dies deswegen, weil die Wirtschaft des Landes von Fachleuten als nicht wettbewerbsfähig eingeschätzt wird. Wie wird das begründet? Die bisherigen Wachstumsträger waren vor allem die Bauindustrie sowie der private Konsum. Hinzu kam noch der Tourismus. Weil die Bauunternehmen entweder pleite sind oder kaum noch Bauaufträge haben und der Konsum wegen der hohen Arbeitslosigkeit von etwa 25 Prozent eingebrochen ist, sind die Aussichten, daß Spanien sich mit eigenen Mitteln aus der Schuldenkrise herauswirtschaften kann, ziemlich düster. Anders formuliert: Das Land steckt in einer tiefen Strukturkrise. Es sind umfassende Reformen notwendig – doch bis die umgesetzt werden und wirken, vergehen viele Jahre.

      Die Meßlatte für Wettbewerbsfähigkeit wird ja nicht mehr in Europa gesetzt, sondern in den dynamischen asiatischen Ländern wie zum Beispiel China, Südkorea und Indien. Sie dominieren in den Sektoren Textil, Maschinenbau, Sonnen- und Windenergie, Software – und zwar darum, weil sie enorm produktiv sind und zu Billiglöhnen herstellen. Spanien spielt auf diesen Gebieten kaum noch eine Rolle. Und wenn es um das digitale Zeitalter geht, beherrschen die Amerikaner so gut wie allein das Feld – sie heißen Google, Apple, Amazon und Facebook. Außerdem sind die USA führend in Biotechnologie, Nanotech und Raumfahrt.

      Was muß passieren, damit ein Land wie Spanien hier mitreden kann – in Form von Produkten und Humankapital? Ohne ins Detail zu gehen, kann man mit einer Gegenfrage antworten: Wie lange haben die oben genannten asiatischen Länder gebraucht, um den gegenwärtigen Status zu erreichen? Mindestens 20 Jahre. Und sie sind immer noch erheblich von jenem Status entfernt, den die USA und auch Deutschland derzeit erreicht haben.

      An diesem Punkt stellt sich eine weitere Frage: Wie ist es möglich, daß dieses Land, das jahrelang als Musterknabe der EG gelobt wurde, derart abstürzen konnte? Spanien war über viele Jahre hinweg der größte Nutznießer der EU-Strukturfonds. Viele Milliarden flossen ins Land. Wo sind sie geblieben? Sind die Spanier allein schuld am Desaster? Welchen Anteil hat die EU? Starten wir einen Rückblick.

      Der Fall Griechenland zeigt, daß die Hellenen gemogelt und getäuscht haben und die EU-Politiker über viele Jahre hinweg beide Augen zudrückten. Doch schon 1986, als die Hellenen der EG beitraten, gab es keine Zweifel: Das Land war noch nicht reif für den Beitritt. Wie war das mit Spanien? Auch die Iberer wurden 1986 EG-Mitglied. Erfüllten sie die Beitrittsbedingungen?

      Dieses Buch hat vier Teile. Der erste Teil enthält die Vorgeschichte zur Krise in Spanien. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Wie hat sich das Land nach dem Tod des Diktators Franco entwickelt? Welche Folgen hatte der EG-Beitritt? Wie nutzte Spanien die Kohäsions- und Strukturmittel? Bilanz der Regierungschefs Gonzalez und Aznar. Bedeutung der Korruption. Teil 2 beschreibt, wie die Regierung Zapatero das Land in die Krise steuerte. Weitere Stichworte: der Backstein-Boom, knallharte Verhandlungen um Strukturfondsmittel, grobe Versäumnisse beim Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Beginn der Austeritätspolitik. Teil 3 zeigt, in welch atemberaubendem Tempo die Austeritätspolitik das Land noch tiefer in die Rezession treibt. In Teil 4 dreht sich alles um die Frage, ob Spanien zum Euro-Austritt gezwungen ist. Dazu werden die außerordentlich gefährliche Verschuldungslawine analysiert sowie die Chancen auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich gibt es noch sieben Hintergrundtexte. Diese Anhänge sollen Ihnen einen tieferen Einblick in das komplizierte und keineswegs transparente Konstrukt Europäische Kommission ermöglichen. Die Themen: Bedeutung der Innovation für die Wettbewerbsfähigkeit; wie funktionieren die Struktur- und der Kohäsionsfonds; was versteht man unter den Maastricht-Kriterien? Hier finden Sie auch eine Antwort auf die Frage, wie der Immobilienboom entstand und wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Farce wurde. Aufschlußreich ist auch eine Analyse der Deutschen Bank. Die Autoren schätzen die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens falsch ein und übersehen auch die klaren Signale, daß die Immobilienblase platzen wird. Zu den aufsehenerregendsten Statements aus deutscher Feder zum Thema Europa der zwei Geschwindigkeiten zählt sicher das Schäuble/Lamers-Papier. Es ist wegen der Entwicklung der EU aktueller denn je.

      „Killt Spanien den Euro?“ ist – das wird aus den Beiträgen im Anhang deutlich – auch eine Geschichte der EU – mit folgendem Ergebnis: Neben den wenigen unbestreitbar positiven Seiten (Frieden, stabile Preise) überwiegen klar die negativen Punkte. Dazu gehört die gewaltige Verschuldungslawine der Staaten, die Nichteinhaltung der Maastricht-Kriterien, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der meisten EU-Mitgliedsländer, die grandiose Verschwendung von Steuergeldern im Agrarbereich sowie den Struktur- und Kohäsionsfonds, die ungleichen Entwicklungen von Nord- und Südeuropa. Daß die Spanier in eine äußerst mißliche Lage geraten sind, kann man nicht allein ihnen in die Schuhe schieben. Das völlig überforderte und ineffiziente EU-Management


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