Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl

Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl


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sind natürlich schon da, besonders Julie kann sehr wütend werden, aber sie drücken sich noch nicht richtig in Worte aus, sondern mehr durch Taten.

      Papeete, 4. Juni 1898

      Schwester Jolanta hat geschrieben. Sie ist erst seit ein paar Wochen wieder in Frankreich. Sie hält sich in Paris auf, noch immer in ihrem Kloster. Es ist nicht so einfach, aus dem Orden auszutreten. Sie ist aber von jeglichen ihrer Pflichten befreit und kann sich schon auf ihr weltliches Leben vorbereiten. Was die Kirche betrifft, ist Frankreich derzeit ohnehin gespalten. Überall spricht man von Säkularisation und so hat die Kirche nicht nur mit abtrünnigen Novizinnen zu kämpfen. Schwester Jolantas Worte klingen recht fröhlich und zuversichtlich, wie jemand, der sich auf einen neuen Lebensabschnitt freut.

      Papeete, 13. Juni 1898

      Ich habe Antwort auf meinen Brief, Aliette hat geschrieben. Sie würde mich gerne wiedersehen, aber ich muss nicht nach Tutuila reisen. Aliette verlässt Ozeanien. Sie fährt über Tahiti nach San Francisco und von dort nach Pittsburgh. Ihr Mann kommt aus Pittsburgh, hat dort noch Familie. Ich kann Aliette im September erwarten, denn dann startet von Tutuila aus ein amerikanisches Handelsschiff nach San Francisco. Aliette schreibt nichts über ihre Beweggründe, aber ich denke es hat etwas mit dem Tod ihres Kindes zu tun. Was würde ich machen, ich will gar nicht daran denken und es schon gar nicht aussprechen.

      Papeete, 19. Juni 1898

      Ich habe heute einen sehr interessanten Bericht gelesen. Es geht um Goldfunde in Kanada, am Aufeinandertreffen zweier Flüsse, dem kleinen Klondike-Fluß und dem gewaltigen Yukon-River. Der erste Goldfund wurde schon vor zwei Jahren gemacht, aber erst jetzt strömen Massen von Menschen dorthin. In meinem Atlas ist der vermeintliche Ort des Goldfundes nur eine große weiße Fläche, allein der Yukon-River, der hoch oben im Norden unseren Pazifik erreicht, ist in den Karten eingetragen. Zu meiner Zeit bei Monsieur Rolland bin ich viel mit Gold umgegangen, ohne mir Gedanken zu machen, wo dieses Metall seinen Ursprung hat. Monsieur Rolland hat oft Gold aus alten Schmuckstücken eingeschmolzen. Einen Nugget, wie ihn das Magazin beschreibt, habe ich allerdings noch nie gesehen. Solche Nuggets finden die Goldsucher in den eiskalten Flüssen im Norden Kanadas. Daraus werden dann irgendwann Ringe oder Broschen gefertigt, aber erst dann, wenn dieses Gold seinen Weg in die Zivilisation gefunden hat. Wer Gold findet, verdient eine Menge Geld, wer daraus Schmuck herstellt und ihn verkauft, verdient noch weitaus mehr. Das habe ich bei Monsieur Rolland gelernt.

      Papeete, 28. Juni 1898

      Ich habe mich heute sehr über die Mädchen geärgert. Ich weiß, dass ich ungerecht bin, sie haben es ja nicht böse gemeint und eigentlich hat ja auch Fanaa Schuld, aber ich bin schon wieder ungerecht. Thérèse und Julie haben heute die Holzkiste entdeckt, in der ich meine Journale und Bücher aufbewahre. Zunächst einmal haben sie die Reissäckchen herausgeholt und sich damit beworfen. Es ist sogar eines aufgerissen und sie haben den Reis gegessen. Ich hoffe es schadet ihnen nicht. Schaden genommen haben dann aber einige meiner Hefte. Die Kinder haben sie alle vollständig aus der Kiste genommen und über den Fußboden verteilt. Dabei sind einige zerrissen. Ich bin dazugekommen, als sie sich gerade an einem der schweren Bücher zu schaffen machten. Ich habe sofort nach Fanaa gerufen. Sie sollte die Kinder hinausschaffen und ich habe natürlich auch mit ihnen geschimpft. Dann habe ich den Schaden begutachtet und alles wieder eingeräumt. Es hat mich wirklich geärgert. Victor soll sich jetzt um ein Schloss für meine Kisten kümmern.

      Papeete, 12. Juli 1898

      Ich halte die Februarausgabe des Strand Magazines in Händen. Die Post kam vor wenigen Stunden. Ich habe die Ausgabe wie immer erst einmal durchgeblättert. Eine Geschichte hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Es geht um neuartige Rollschuhe. Ich bin selbst früher viel auf Rollschuhen gelaufen. Ich mochte es noch viel lieber als das Schlittschuhlaufen. Bislang kannte ich allerdings nur Rollschuhe, deren vier Räder paarweise angeordnet sind. Das Strand Magazine stellt ein ganz neues Modell vor, das an jedem Schuh nur zwei Räder hat, die auch noch hintereinanderliegen. Ich kann mir nicht vorstellen, damit das Gleichgewicht zu halten, aber es scheint zu gehen. Ich würde schon gerne einmal wieder Rollschuhlaufen und auch gerne diese Neuheit ausprobieren. Hier auf Tahiti gäbe es allerdings wenige Möglichkeiten, weil die Straßen in der Stadt zu belebt und die meisten der Straßen außerhalb nicht befestigt sind.

      Papeete, 20. Juli 1898

      Es gibt doch diese Wachszylinder, auf denen Stimmen und Gesang festgehalten werden können. Ich habe davon gelesen, aber die Apparatur bisher nur auf Bildern gesehen. Es wird in den Trichter hineingesprochen, während der Wachszylinder sich dreht und mit einer Nadel eingeritzt wird. Wie es genau funktioniert, weiß ich nicht. Ich denke aber gerade, dass es sehr schön wäre, einen solchen Apparat zu besitzen. Wir könnten von Zeit zu Zeit die Stimmen der Kinder aufnehmen und uns später anhören, wie sie sich verändern. Wir könnten auch die Geräusche hier auf Tahiti in die Wachswalze ritzen, das Rauschen des Meeres, die Geräusche des Dschungels und sogar die Gesänge der Kokospflanzer.

      Papeete, 28. Juli 1898

      Ich habe über die neusten Entwicklungen in Dschibuti gelesen, das seit kaum zwei Jahren zum französischen Kolonialgebiet in Afrika gehört. Ich war sogar schon einmal dort, nicht an Land, aber in den Gewässern davor. Mein Blick in den Atlas bestätigt es. Die Stadt Dschibuti, die der Kolonie ihren Namen gab, liegt im Golf von Aden. Ich habe in meinem Tagebuch nachgeschlagen. Wir haben damals mit dem Schiff von Marseille aus bis in den Golf von Aden etwa neun Tage gebraucht. Ich erinnere mich auch, dass es in dieser Gegend recht heiß war.

      Papeete, 7. August 1898

      Heute haben wir einen Sonntagsausflug mit Pferd und Wagen unternommen. Victor ist schon früh aufgestanden, um das Gespann von einem Nachbarn zu holen. Wir haben noch schnell gefrühstückt, den Picknickkorb, Decken und Handtücher zusammengepackt und sind Richtung Mahina aufgebrochen. Wir haben es nicht bis ganz nach dorthin geschafft, auch weil wir eine nette, kleine Bucht entdeckt haben. Auf Moorea haben die Kinder das erste Mal im Meer gebadet und fanden das warme Wasser herrlich, sodass wir auch heute wieder baden gehen wollten. Victor hat das Pferd abgespannt und auf der Wiese mit einem langen Strick angebunden, sodass es ausgiebig weiden konnte. Wir haben es uns dann am Strand gemütlich gemacht. Ich konnte die Kinder kaum halten, so schnell wollten sie ins Wasser. Victor ist mit ihnen gegangen. Es wurde erst ein übermütiger Vormittag und dann ein träger Nachmittag. Gegen vier haben wir uns dann wieder auf den Rückweg gemacht. Kurz hinter Arue ist Victor eingefallen, dass er mir etwas zeigen wollte. Wir sind mit dem Wagen in einen Weg eingebogen und ein ganzes Stück gefahren. Dann mussten wir den Rest zu Fuß laufen. Wir haben die Kinder getragen, die uns schon fast eingeschlafen waren. Es war dann aber nicht weit. Das Gestrüpp wurde immer dichter. Ich wollte schon protestieren, aber dann standen wir plötzlich auf einer kleinen Lichtung. Das Gras war hochgewachsen und darum habe ich es erst gar nicht gesehen. In der Mitte der Lichtung lag eine Steinplatte, kreisrund und bestimmt zwei oder sogar drei Meter im Durchmesser. Am Rande der Lichtung, schon von den Bäumen verdeckt, standen auch noch zwei Steinfiguren, zwei große Tikis. In die Steinplatte waren Linien gemeißelt, Symbole einer fremden Kultur, ein Altar, wie Victor sagte. Seine Leute haben die Steinplatte und die Tikis entdeckt. Selbst die Eingeborenen wissen nicht, wo sich diese Altäre aus vergangenen Zeiten überall auf der Insel befinden. Ich soll aber nicht zu viel darüber reden, denn es gibt auf Tahiti übereifrige Missionare, die solche heidnischen Stätten gerne sprengen lassen. Es soll schon vorgekommen sein, mit der Begründung, dass die Maori am Sonntagvormittag in die Kirche gehen, um am Nachmittag ihren alten Göttern zu huldigen. Dabei fällt mir ein, dass wir den Gottesdienst heute auch verpasst haben, aber dafür waren wir ja gestern in der Spätmesse.

      Papeete, 16. August 1898

      In einer amerikanischen Zeitung habe ich den Bericht über die Weltreise eines Kapitän Joshua Slocum gelesen. Ich musste sofort daran denken, dass mich Victor damals doch nicht angeflunkert


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