Die Hexe zum Abschied. Günter Billy Hollenbach

Die Hexe zum Abschied - Günter Billy Hollenbach


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den Umgang mit Mammi. Aber erst gehen wir essen, okay?“

      Kriminalhauptkommissarin und freies Wochenende vertragen sich wohl nur gelegentlich.

      „Hat sie den Grund genannt? Sie hat keine Bereitschaft heute, oder?“

      „Quatsch. Bei der spielt das eh keine Rolle.“

      Von Entführung war die Rede. Aber wer, wo, wie hat Mona nicht mitbekommen. Es wird nicht lange dauern, hat Corinna gemeint, höchstens zwei Stunden. Wer es glaubt, wird selig. Sie hat sich ein Taxi genommen und ist entfleucht.

      „Wirklich schade, Mona. Schwacher Trost, ich erlebe das auch nicht zu ersten Mal. Komm, lass uns Fische fangen. Anschließend verwöhnen wir uns mit Torte und Kaffee.“

      Das Fischmenü schmeckt bestimmt köstlich. An anderen Tagen.

      Mona kaut wortkarg, schaut missmutig vor sich hin.

      „Entführung,“ erklärt sie zwischendurch abfällig. „Damit müsstest Du dich doch auskennen? Von San Francisco mit der kleinen Janey? Hast Du danach die polizeilichen Maßnahmen mitbekommen?“

      „Ja, leider. Die haben nur halbherzig ermittelt. Dem Mädchen war ja nicht viel geschehen.“

      Mona kaut im Verzögerungsgang.

      „Schau mal in deinem FBI-Handbuch nach, was die zu Entführungen schreiben. Ich denke, entweder das Opfer ist bereits tot. Oder es läuft auf eine Lösegeldforderung hinaus. Jedenfalls bestimmen die Erpresser den Gang der Dinge.“

      „Soll uns das den Appetit am Essen endgültig verderben?“

      „Davon rede ich doch, Berkamp. Zappeln lassen gehört zur Vorgehensweise von Entführern. Kein Grund also, dass Mammi wie eine Verrückte losrennt. Sie hätte wenigstens mit uns essen können. Außerdem gibt es jede Menge Kollegen, die in solchen Fällen ...“

      „Sag mal, Mona, kennst Du Oberkommissarin Conrad.“

      Sie stutzt, eine Spur Misstrauen im Blick.

      „Oh, hallo, Berkamp! Du kennst die Conrad?! Näher? Dienstlich oder privat? Von ihrem Volkstheater? Hast Du mit der was vor?“

      Die Vorstellung hellt meine Stimmung ein wenig auf.

      „Vielleicht, wenn Corinna so weitermacht und sich ihr Drang zum diensthabenden Beziehungsflüchtling ...“

      „Ne, ne, ne, mein Lieber, ich bin auch noch da,“ unterbricht Mona entschieden. „Schön bei der Wahrheit bleiben! Oder war deine Liebeserklärung gestern nur leeres Gerede? Wenn Corinna verduftet, was wird dann aus mir?“

      Monas Sinn für das Praktische verblüfft mich immer wieder. In solchen Augenblicken fühle ich mich darin bestätigt. Ihr bedeutet unsere Wochenendfamilie sehr viel, möglicherweise mehr als Corinna.

      „Mona, meine Liebe liegt dir unverändert zu Füßen. Ich betrachte dich nicht als Corinnas Anhängsel. Um das klar zu sagen, ich mag unser Leben zu dritt und hoffe, dass es eine Weile erhalten bleibt. Aber sei ehrlich, irgendwann suchst Du dir selbst etwas anderes.“

      „Ja, schon. Trotzdem; Du weißt doch, ich will mir damit Zeit lassen. Ich finde, ich brauche das. Und Du warst damit einverstanden. Aber wenn Mammi so weitermacht ... soll ich darunter leiden?“

      „Vera Conrad ist mir in der Hautklinik in Königstein über den Weg gelaufen. Sie ist federführend im Fall Neskovaja. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt und Corinna und der Conrad am Mittwoch im Präsidium davon berichtet.“

      „Weißt Du noch, Berkamp, wie Du mich kennen gelernt hast? Nach der Schießerei mit Schuster? Bei unserem ersten Telefongespräch habe ich dich gefragt, wie lange Du es noch aushältst. Dass Mammi eigentlich immer abwesend ist. Selbst wenn sie neben dir sitzt, sogar an Wochenenden ... immer bei ihrer Polizeiarbeit. Freiwillig macht das keiner ewig mit. Damals hast Du mir nicht geglaubt. Obwohl ich weiß, wovon ich spreche.“

      „Stimmt, Du hast mich gewarnt.“

      In mancher Hinsicht ist Mona wie ein offenes Buch.

      „Vergiss die Conrad.“

      Du musst nur Geduld haben und zwischen den Zeilen lesen.

      „Sie ist nett, Berkamp, offener. Aber als Frau würde die keinen großen Unterschied machen. Die ist genauso mit Leib und Seele Polizistin wie Mammi. Also, was hättest Du davon?“

      „Mona, Du denkst sehr viel weiter als ich. Besten Dank für die Warnung. Komm, lass uns rübergehen ins Café.“

      *

      Die Wohlgerüche in Kaffeehäusern wie Starbucks stellen meine Teeleidenschaft immer auf eine harte Probe. Na schön, wenn ich schon nur mit meinem Schwarm Mona ausgehe.

      „Und, was machen wir jetzt mit Mammi? Wenn Coachen sinnlos ist, Tränen und Schimpfen nichts bewirken ...? Verstehst Du, wir können nicht dauernd blöd dasitzen und Schokolade fressen, oder?,“ grollt Mona vor sich hin.

      Ich versuche es mit aufmunternder Ablenkung.

      „Können schon; aber wollen wir? Zum Glück kommen die richtigen Antworten gelegentlich von selbst. Wie wenn Du zufällig ein Buch über Tao im Kampfsport findest.“

      „Was hat das mit uns Zurückgelassenen zu tun?“

      „Vielleicht steht darin etwas über „Ba-Gua“, eine sanfte, aber sehr wirkungsvolle Kampfform. Meine Trainerin in San Francisco ... die war unglaublich gut darin. Bloß mit einer schnellen Handbewegung hat die Frau mich auf die Matte geschmissen .... Ihre Grundregel: Nichts ist persönlich. Tao vom Feinsten.“

      „Nichts ist ... Wie meint sie das?“

      „Strikt zwischen deiner Person und deinen Erlebnissen trennen.“

      Du sollst lernen, innerlich alles auf Abstand zu halten, was andere dir antun. Das bildet die Grundlage jeder Selbstverteidigung.

      „Klingt gut; aber Mammi ist abgehauen, obwohl sie heute Morgen fest versprochen hat ... Das soll ich nicht persönlich nehmen?“

      „Überleg mal, Mona. Ihr Verhalten ist eine Sache, selbst wenn es uns berührt. Aber wie wir damit umgehen, entscheiden allein wir.“

      „Hört sich an wie eine deiner Regeln beim Coachen.“

      „Ist trotzdem hilfreich. Niemand kann dich beleidigen, außer Du gestattest es ihm in deinem Denken. Letzten Endes beleidigst Du dich selbst dabei. Wozu solltest Du dir das antun?!“

      „So gesehen – das gefällt mir, Berkamp. “

      „Ging mir genauso. Aber es richtig zu verstehen und zu beherzigen kostet Zeit und Mühe. Und Üben bei jeder Gelegenheit.“

      „Aha!“

      Monas Augen bekommen ein kleines Leuchten.

      „Also, wenn Mammi verduftet – das kann uns missfallen. Oder wir sagen: „Klasse!“ und freuen uns darüber?!“

      Erst sieht sie mich nur ruhig an. Länger. Dann werden die Augen größer, die Wangen straffen sich in kleinsten Bewegungen zur einem unverkennbaren Flirtblick.

      Mir läuft es heiß über den Rücken.

      „Hey, wie süß, Du wirst ja rot, Berkamp.“

      Ertappt.

      „Wenn Du mich so anschaust, Mona.“

      „Mann, wir üben nur. Nichts ist persönlich, nichts ist ...“

      Sie trinkt zügig ihre Tasse leer, klopft sich mit beiden Hände auf die Oberschenkel, verkündet im Aufstehen:

      „Kapiert! Das war das letzte Mal, dass Mammi mich damit angekratzt hat. Von mir aus kann sie bleiben, wo der Pfeffer wächst.“

      30

      Daheim


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