Der junge Fritz. Dennis Christoph Mardo
günstigen Konstellation wirst du dich jedoch nur behaupten können, wenn du den strikten und dilettantischen Lehrplan eines preußischen Thronfolgers mit eisernster Disziplin durchziehst und endlich deine erbärmlichen und weibshaften Neigungen hinten anstellst. (sinkt ermüdet in seinen Sessel)
Friedrich:
Was ihr da vorgetragen, erschüttert mich tief. Zählt denn ein Ehrenwort heut nichts mehr, in dieser Zeit des ehrlosen und egoistischen staatlichen Opportunismus? Nur die wahre Aufklärung und Mündigkeit eines jeden Untertanen, der Einzug der reinen Vernunft garantiert den Zusammenhalt des Staates und nicht die Aussicht auf einen Krieg zwischen Deutschen. Eure strikte Sparsamkeit und Vorliebe für Soldaten nützt dem Staate auch nicht viel. Die Akademie der Wissenschaften ist in einem denkbar schlechten Zustande, die Errungenschaften eures ehrenwerten Vaters, meines Großvaters, verlaufen wie Wasser im Sande. Literaten, Philosophen oder Komponisten, dergleichen findet man in Frankreich zuhauf, in Preußen jedoch kaum.
Friedrich Wilhelm:
Es scheint mir, Sohn, dir ermangelt es zu sehr eines Weibes an deiner Seite, so sehr, dass du selbst schon eines wurdest. Doch keine Sorge, für deine eheliche Zukunft trage ich bereits Sorge. Das Hause Braunschweig bietet hier eine schickliche Partie, die ehrenwerte Elisabeth Christine aus dem Zweige Braunschweig-Bevern.
Friedrich:
Oh Nein, auch der Frau Gesellschaft kann mein Inneres niemals zerstreuen. Der Mensch ist, was er geworden ist. Aus euch mag ein Soldat und König geworden sein, aus mir jedoch der Dichter und Künstler, der so leidenschaftlich und schmerzlichst versucht, seine Kronprinzenbürde zu erfüllen und dem Herrn Vater doch ein wenig Verständnis für dessen Zerstreuungen und Leidenschaften abzugewinnen. Doch tut, was ihr nicht lassen könnt. Aber wählt die Frau mit Bedacht, sie soll meiner gerecht werden und meine Neigungen mit mir teilen können.
Friedrich Wilhelm:
Wie sehr sie dir gerecht wird, tangiert mich wenig. So lange diese Ehe der Staatsräson dient, soll`s mir Recht sein. Und nun will ich nichts dergleichen mehr hören. Wenn du nicht gehorchst, so musst du mit Repressalien rechnen. Bereite alles vor, morgen brechen wir zu einer großen Treibjagd des Kurfürsten auf.
Dritter Auftritt
Bei den Ställen
Friedrich:
Angenehmer Abend, nicht wahr mein werter Katte?
Von Katte:
Wohl wahr, mein Prinz. Bringt ihr nun die Fluchtpläne, berichtet ihr, wann es losgehen soll?
Friedrich:
Am morgigen Tage, so instruierte mich mein Vater, brechen wir zu einer Jagd mit dem Kurfürsten auf. Sprecht in dieser Zeit mit dem Pagen Keith, welcher mir bei meiner Flucht zu helfen gewillt ist. Besprecht mit ihm unser weiteres Vorgehen.
Von Katte:
Und ihr seid sicher, dass ihr ihm vertrauen könnt? So manchen großen Plänen wurde schon abrupt ein Enden bereitet, weil sich ein Judas oder ein Brutus auf fatale Weise zu erkennen gab. Wir sollten auch hier äußerste Vorsicht bewahren, stellt euch vor, euer Vater erführe von diesem Vorhaben, wir würden noch heute dem Henker ausgeliefert.
Friedrich:
Seid beruhigt, lieber Katte. Ich bewundere eure Vorsicht und den guten Willen, meine Flucht bis ins Detail zur Perfektion vorzubereiten. Doch muss ich euch auch tadeln, denn Keith ist mir ein beinahe ebenso treuer und angenehmer Freund, wie ihr es seid. Er ist mein Leibpage und ich wüsste außer ihn niemanden, der uns bei dieser Sache noch beistünde.
Von Katte:
Vergebt mir meine Bedenken, mein lieber Freund. Ich bin nur so furchtbar nervös, zugleich voller Hoffnung, aber auch voll der Sorge, sollte unser Plan missglücken. Stellt euch vor, wie frei und unbefangen wir uns dem Flötenspiel und der Dichtkunst widmen können, sind wir erst einmal in Frankreich, dem fernen Paradiese jenseits des Rheines. Wir haben bei Gelingen alles zu gewinnen, aber bei Scheitern alles zu verlieren. Unser Schicksal steht auf des Messers Schneide.
Friedrich:
Macht euch nicht allzu sehr den Kopf verrückt. Ich bin überzeugt, das Glück ist uns hold, die Kraft der Aufklärung und des Geistes ist der der Tyrannei und Despotie überlegen, die Feder stärker als das Schwert . Wie bereits Spinoza feststellte, handeln nur jene sittlich, die der Vernunft, der besten Einsicht folgen. Ein Mangel an Moral geht immer einher mit einem Mangel an Wissen und Bildung. Nur der Aufgeklärte handelt richtig, handelt so, wie der Mensch durch seinen naturgegebenen Geist prädestiniert ist.
Von Katte:
Wahrlich, was ihr sagt, berührt mein Herz zutiefst. Ihr besitzt Weisheit und Bildung jedenfalls in ungeheurem Ausmaße. Und wenn ich mir vorstelle, wie vollkommen ihr dann in einem Jahrzehnte gereift seid, so wünschte ich nichts anderes als euch auf Preußens Thron zu sehen.
Friedrich:
Ihr schmeichelt meinem Herzen viel zu sehr, mein treuster und liebster Freund. Auch ihr seid nicht von geringer Bildung und Weisheit erfüllt und auch euch könnte ich mir als gerechten und aufgeklärten Monarchen vorstellen. Doch genug jetzt der Träumerei und Utopie. Ihr wisst nun Bescheid und seid auf alles vorbereitet. Trefft Keith morgen im Garten von Schloss Promnitz und bereitet alles vor. Viel Glück und Vorsicht.
Friedrich reitet hinfort
Vierter Auftritt
im Garten von Schloss Promnitz
Von Katte:
Ist dies nicht ein herrlicher Tag für einen kleinen Spaziergang durch den Garten des Schlosses, mein lieber Keith? Die Luft tut euch gut, nach der langen Arbeit.
Von Keith:
Ah, der Herr von Katte. Ich nehme an, ihr seid wegen der Belange des Kronprinzen hier. Wir haben in der Tat einen recht schönen und sommerlichen Tag. Lasset uns keine Zeit verlieren, ich hole nur schnell meinen Hut
sie betreten den Schlossgarten
Von Keith:
Es war klug von euch, mich nicht direkt auf Friedrich anzusprechen, wimmelt das Schloss doch von Wachen und Lakaien des Königs. In Rätseln zu sprechen, empfiehlt sich hierbei aufs Stärkste.
Von Katte:
Wohl wahr, verehrter Keith. Gegen den König zu konspirieren, kann uns das Leben kosten. Ich hoffe, jenes sei euch bewusst.
Von Keith:
Aber selbstverständlich oder glaubt ihr, ich wär ein Narr? Ich bin bereit, bis zum Äußersten zu gehen und mein Leben für meinen geliebten Prinzen, den großen Friedrich zu geben. Das alles ist es wert, findet seine Seele nur ein Fünkchen der Ruhe und Anerkennung, welche ihr zur Genüge reiche. Aber genug der Schwafelei, lasst uns über die Einzelheiten der Flucht sprechen.
Von Katte:
Nun gut, was haltet ihr davon, wenn wir uns mit Friedrich auf dem Rückweg vom Lustlager des Kurfürsten nach Potsdam absetzen und dies im Dunkel der Nacht? Wir könnten die dichten Wälder der Elbauen zu unserem Vorteil nutzen und schnell das Land verlassen.
Von Keith:
Ich halte dies für eine äußerst ungünstige Idee. Nach dem Lustlager wird es in der Umgebung nur so von Soldaten und Mächtigen wimmeln. Grade der Kronprinz steht ununterbrochen unter der Bewachung des Königs und seiner Soldaten. Er wird erkannt werden, spätestens bei einer Passkontrolle. Die Beamten des Kurfürsten sind zwar in ihrer Administration der preußischen lange nicht ebenbürtig, doch nicht zu inkompetent, den Kronprinzen von Preußen nicht zu erkennen.
Von Katte:
Nun gut, was schlagt ihr stattdessen als Vorgehensweise vor? An was habt ihr denn gedacht?
Von Keith:
Wir sollten noch ein wenig abwarten, bis sich uns eine günstige Gelegenheit eröffnet. Ihr solltet euch vorerst im Hintergrund halten und ja kein Wort über das