Tagungsband über das Historische Symposium. Sieghart Döhring

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private Person: als Hofmann, der er nach wie vor ist und der seine Nähe zum König gebührend herausstreicht, zugleich aber und vor allem als Meyerbeers lebenslanger treuer Freund.

       Wie erhöht man „Intelligenz“ und „Sittlichkeit“ der Berliner? Alexander von Humboldt im öffentlichen Leben der preußischen Hauptstadt.

      Dr. Ingo Schwarz (Leiter der Alexander von Humboldt-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg)

      1. Humboldt in der Oranienburger Straße Nr. 67

      Im letzten Drittel seines Lebens war Alexander von Humboldt weltberühmt. Nach seiner Russlandreise 1829 hielt er sich meist in Berlin und Potsdam auf. Von seinen längeren Parisreisen sehen wir hier einmal ab. Viele ausländische Besucher machten Humboldt ihre Aufwartung. Unter diesen Besuchern nahmen US-Amerikaner einen besonderen Platz ein. Für Besucher aus den Vereinigten Staaten hatte der Preuße fast immer Zeit. Einer von ihnen war der bekannte Naturforscher Benjamin Silliman[31], der Humboldt im Sommer 1851 mit seinem Sohn besuchte. Ich zitiere aus seinem Bericht:

       „Humboldts Haus ist ein einfaches Gebäude in einem etwas abgelegenen Theile der Stadt Berlin. [...] Wir wurden durch seine Bibliothek eingeführt, welche einen Saal von ansehnlicher Größe von allen Seiten ausfüllt. Er trat uns in dem Besuchzimmer aus einer Thür von der entgegengesetzten Seite, wahrscheinlich aus seinem Privatkabinet, entgegen. Er empfing uns mit großer Freundlichkeit und vieler Offenheit [...] Er erzählte uns, daß er genöthigt sei, den größeren Theil seiner literarischen Arbeiten zu einer Tageszeit auszuführen, wo Andere schlafen, da er die gewöhnlichen Arbeitsstunden meistens beim Könige verbringe. Er fügte hinzu, daß er frühzeitig die Entdeckung gemacht, er könne mit vier Stunden Schlafes sehr gut fertig werden und sich begnügen.“[32]

      Soweit einige Passagen aus dem Bericht Sillimans.

      Humboldt lebte seit 1842 in der 2. Etage des Hauses Oranienburger Str. 67; hier arbeitete er am „Kosmos“ und hier erledigte er seine riesige Korrespondenz, wenn er sich nicht in Potsdam aufhielt. Sein Freund, der Bankier Joseph Mendelssohn, kaufte das Haus im Frühjahr 1844 „mit verheimlichender Zartheit des Gefühls“, wie Humboldt schrieb, um ihm „Ruhe zur Arbeit und Sicherheit vor häufigem Wechsel der Wohnung zu gewähren,“ kurz gesagt, um ihn vor Mietsteigerungen zu schützen.

      2. War Humboldt ein echter Berliner?

      Geboren wurde Alexander von Humboldt – wahrscheinlich – in der Jägerstraße 22. Das Haus am Gendarmenmarkt diente der Familie damals als Winterquartier. Die Sommer verbrachte man auf Schloss Tegel. Das Dom-Taufbuch nennt keine Geburtsort, was als Indiz für Berlin gewertet werden kann. Humboldt selbst hat aber einmal in einem Brief an den Berliner Stadtarchivar aus dem Jahre 1843 ausdrücklich Schloss Tegel als seinen Geburtsort genannt. So können wir bis heute diese Frage nicht zweifelsfrei beantworten.[33]

      Was sonst machte Humboldt zu einem echten Berliner? Zunächst hat er trotz seiner Reisen und eines 20-jährigen Aufenthalts in Paris rund 47 Jahre, also mehr als die Hälfte seines langen Lebens in Berlin – Potsdam mit eingeschlossen – verbracht.

      3. Spott über Berlin und die Berliner

      Wie jeder echte Berliner, machte sich Humboldt gerne über Missstände in seiner Heimatstadt lustig. Er hatte einen ausgesprochenen Sinn für Witz und Ironie. Um nicht in den schon von Theodor Fontane an Humboldt-Biographen gerügten Fehler der ständigen Schönfärberei[34] zu verfallen, soll aber nicht verschwiegen werden, dass die kritischen Urteile nicht immer nur humorvoller Art waren. Er konnte auch recht bissig sein, etwa wenn er Berlin mit der Weltstadt Paris verglich. „Männer von Talent,“ schrieb er, „finden [in Paris] bald und dauernd Anerkennung; in Berlins nebuloser Atmosphäre, die den Gesichtskreis ringsum verschleiert und wo Alles und Jedes nach der Schreiber-Schablone gemessen wird, kann davon nicht die Rede sein.“[35]

      Vor Humboldts Moquerie war nichts und niemand sicher. Hatte er als junger Mann noch die „reizende anmutsvolle Natur“[36] gepriesen, die er auf dem elterlichen Schloss Tegel genoss, so klagte er am „Abend eines bewegten Lebens“ dem Fürsten Pückler gegenüber, dass er die „Unnatur“ der Berliner Umgebung verscheuchen müsse, indem er sich aus seiner Erinnerung Palmenwälder dahin „zaubere“, wo „verkümmerte Coniferen als Hasenheide sich bis an die chinesische Grenze in einförmigem Zuge dahinziehen.“[37] Positive Äußerungen über Berlin und seine Bewohner sind in Humboldts Briefen ausgesprochene Mangelware, dagegen ist die Zahl abwertender Urteile Legion.

      Da heißt es bei ihm etwa: Berlin sei „eine moralische Sandwüste, geziert durch Akaziensträucher und blühende Kartoffelfelder,“[38] in Berlin werde „alles und Jedes nach der Schreiberschablone gemessen.“[39] Er nannte Berlin eine intellektuell verödete, kleine, unliterarische und dazu überhämische Stadt,[40] „wo man monatelang gedankenleer an einem selbstgeschaffenen Zerrbild matter Einbildungskraft naget.“[41] Die Berliner, „die wenig zur Anerkennung fremden Verdienstes geneigt sind, immer besseres zu besitzen glauben, als man ihnen bringt,“[42] hörten nicht auf, ihm zu versichern, er werde hier „sehr, sehr glücklich“ sein – zuletzt werde er es noch „selbst glauben.“ Wie unzufrieden Humboldt in Berlin und mit den Berlinern allerdings sein konnte, zeigt die folgende Briefpassage:

       „[…] es ist die alte edle Sitte meiner Vaterstadt den Berliner in abstracto über alle andere Städtebewohner Europa’s zu erheben, aber mit Tigerkrallen und Berliner Gossenkoth auf jeden loszuziehen der sich erfrecht einen concreten Berliner ein Individium, besonders wenn er einen Semitischen Namen führte, öffentlich im Auslande zu rühmen.“[43]

      4. Wissenschaftliche Aktivitäten in Berlin

      Wenn wir Beispiele für die Neigung Humboldts zur Moquerie zitieren, müssen wir bedenken, dass dieser Spott stets auf eine Situation, ein aktuelles Erlebnis, bezogen war. Humboldt war mit Leib und Seele Berliner und er hat unendlich viel für die Stadt geleistet.

      Im November 1805 kehrte Humboldt nach neunjähriger Abwesenheit nach Berlin zurück. Die Akademie der Wissenschaften, deren ordentliches Mitglied er seit einigen Monaten war, erschien ihm damals als „ein Siechenhaus, ein Hospital, in dem die Kranken besser schlafen als die Gesunden.“ Er begnügte sich jedoch nicht mit Spott und Sarkasmus. Gerade seine Aktivitäten als Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, seine wissenschaftlichen Vorträge, seine Wahl- und Reformvorschläge, zeigen, wie sehr es ihm um die Hebung der geistigen Kultur der Stadt zu tun war. Seine wissenschaftlichen Projekte wurden bald zum Stadtgespräch. So begann Humboldt Anfang 1806 geomagnetische Messungen in einem eisenfreien Häuschen an der Friedrichstraße. Dazu bediente er sich eines kleinen Forscherteams, das Hunderte von Inklinations-, Deklinations- und Intensitätsmessungen durchführte.

      Ende 1807 musste sich Humboldt in diplomatischer Mission nach Paris begeben. Erst im Mai 1827 machte er die preußische Hauptstadt wieder zu seinem ständigen Wohnsitz.

      Die geomagnetischen Messungen nahm er auch nach 20 Jahren, allerdings an anderer Stelle, wieder auf. Dazu schrieb Humboldt in einer wissenschaftlichen Abhandlung:

       „Der Berliner Apparat, welcher nicht bloss zur Bestimmung der stündlichen Abweichung, sondern auch zur Bestimmung der Intensität der magnetischen Kraft zu verschiedenen Tagesstunden und Jahreszeiten dienen kann, ist gegenwärtig in dem grossen Garten des Stadtraths Mendelssohn-Bartholdy[44] fast 400 Schritt von dem Wohnhause aufgestellt, in einem von Bäumen umgebenen Häuschen, welches nach der freundschaftlichen Anordnung des Geheimen Ober-Baurath Schinkel eigends dazu aus Backsteinen erbaut ist, ohne alles Eisen, mit Nägeln, Hespen und Schloss aus rothem Kupfer. Der Besitzer des Gartens hat, mit dem seiner Familie gleichsam erblichen Interesse für Wissenschaften und geistige Bestrebungen, mit der grössten Bereitwilligkeit die kleine Anlage gestattet, und den Beobachtern jede erwünschte Bequemlichkeit verschafft.“[45]


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