Homo sapiens movere ~ geliebt. R. R. Alval
die Gargoyle? Was war mit denen? Mach dir nicht so viele Gedanken, Sam. Stépan hat sich um alles gekümmert. Gut. Roman lauschte also. Nur bedingt gut, aber nicht zu ändern. Freilich könnte ich versuchen eine dieser ominösen Mauern in meinem Kopf aufzubauen. Doch das hatte ich in letzter Zeit nicht trainiert. Außerdem bezweifelte ich, dass Roman sich davon aufhalten ließ.
Also auf zu neuen Taten.
Hm, Küche klang für den Moment ausreichend. Ich stellte mir vor, wie Roman am Herd stand und mir ein paar saftige Steaks briet. Daraufhin hörte ich ein Schnauben in meinem Kopf. Gefolgt von der Aussage, dass er mir einen Kaffee machte. War vertretbar. Gerade so. Denn Roman als Koch? Er mochte ein Meisterirgendwas sein; ein Meisterkoch jedoch gewiss nicht.
Typisch für jemanden, der allein lebte, hatte ich natürlich keine Klamotten mit ins Bad genommen. Solange Roman in der Küche stand, sollte ich unbemerkt vorbei sausen können. Und selbst wenn – er hatte mich erst vorhin nackt gesehen. Ich wickelte das Handtuch um mich und flitzte auf Fußspitzen in mein Schlafzimmer. Gleichzeitig verdrehte ich die Augen. Ob Fußspitzen oder nicht – Roman hörte mich trotzdem.
Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Schnell zog ich mich an. Oh ja, das fühlte sich gleich nochmal einen Tick besser an. Bevor ich zu Roman in die Küche ging, hing ich das Handtuch im Bad zum Trocknen auf.
Der Kaffeeduft lockte mich allerdings in die Wohnstube. Zwei dampfende Tassen standen auf dem Tisch.
Köstlich. Genau richtig nach einem anstrengenden Tag. Oder zweien.
Gut gelaunt eilte ich zu Roman, umarmte ihn, zog ihn ein Stück zu mir herunter und pflanzte einen Kuss auf seine Wange. „Danke, du bist der Beste.“, sagte ich im Loslassen und wand mich dem Kaffee zu. Hatte ich zumindest vor. Mir wurde schummrig.
Hatte ich mich zu schnell bewegt?
Eine Nachwirkung der Feen?
Oh man… Kopfkarussell…
Ich fühlte mich an den Abend erinnert, an dem ich den Unfall gehabt hatte. Nicht, dass ich mich tatsächlich erinnerte, aber genau so hatte es begonnen und war mir seitdem noch mehrmals passiert. Glücklicherweise kein wiederholtes Mal im Straßenverkehr. Mein Blickfeld trübte sich von der Seite her ein. Meine Beine begannen zu schwanken. „Ist es wirklich vorbei? Ich fühl mich so…“, keuchte ich kraftlos, bevor meine Beine vollends nachgaben und ich vor Roman auf die Knie sank. „Sam, was ist los?“ Das war eine gute Frage. Gab es dafür einen Telefonjoker? „Ganz… blöd…“
Ich konnte nichts mehr sehen, mein Körper war taub.
Nur Romans Reaktion hatte ich zu verdanken, dass ich nicht gänzlich auf den Boden krachte. Oh bitte, nicht schon wieder so ein dämlicher Ohnmachtsanfall! So musste man sich fühlen, wenn man einem sämtliche Muskeln abhandengekommen waren. „Sam? Sprich mit mir! Hörst du das? Die Stimmen?“
Stimmen?
Keine Ahnung.
Schon möglich.
Zumindest bevor meine Beine nachgegeben hatten. Jetzt hörte ich nur noch Roman und ein komisches Summen. Ich wollte schreien und um mich schlagen, doch mein Körper reagierte überhaupt nicht.
Vollkommene Stille, als wäre ich in einem fensterlosen Raum.
Schwerelos.
Völlig allein.
Ohne Licht, ohne Geräusche.
Und dann…
… gab es gar nichts mehr.
Rein gar nichts.
Ich blinzelte schwerfällig. Roman beugte sich über mich. Der Geruch, den ich einatmete, erinnerte mich an ein Krankenhauszimmer. „Du bist wach.“ Hm, war ich. Aber ich fühlte mich schwach. Schwächer als schwach. Ich befürchtete, dass ich nicht dazu in der Lage wäre zu laufen. Und…
Oh Scheiße, hatte ich einen Schlauch im Arm?
Erst jetzt dämmerte mir, dass ich tatsächlich im Krankenhaus lag. „Was ist passiert?“ Meine Stimme war ein dünnes Wispern, das in meiner Kehle kratzte. „Ich weiß es nicht, und das macht mir Sorgen. Du bist umgefallen, wieder einmal, und ich dachte, es wäre klug dich in ein Krankenhaus zu bringen, da ich keine Ahnung hatte, wie ich helfen sollte.“ Sehr schön. Jetzt fiel ich nach einer gewonnen Schlacht also um. Gott sei dank erst danach und nicht mittendrin. Aber warum?
Was brachte meinen Körper dazu, sich ab und an auszuschalten? Ein interner Schalter?
Dürfte ich denn überhaupt noch krank werden, nachdem ich nicht nur Stewards, sondern auch Romans Blut in mir hatte?
„Wie lange war ich weg?“ Roman schmunzelte nahezu menschlich. „Beinah 24 Stunden.“ Oha, einen ganzen Tag? „Die Ärzte haben schon einige Tests gemacht, aber sie finden nichts. Laut deren Aussage bist du kerngesund, was ich sogar glaube. Du hast mein Blut in dir, du dürftest gar nicht krank werden.“ Sag ich doch! „Die Ärzte meinen, es könnte am Stress liegen. Oder dass du momentan einiges durchzumachen hast, was dir an die Nieren geht. Ich gebe es dir exakt so weiter, wie die Ärzte es mir gesagt haben.“ Normalerweise dürften sie ihm gar keine Auskunft erteilen. Pfff... als ob Roman um Erlaubnis fragte!
Sein wissendes Grinsen bestätigte mir, dass ich sowohl richtig vermutete als auch, dass er meine Gedanken las. „Du wirst noch einen Tag hierbleiben. Nur zur Beobachtung.“
Ganz. Sicher. Nicht.
Ich war so lange in einem dieser Zimmer gewesen, dass ich es nicht länger als nötig aushielt. „Nein. Ich will nach Hause.“ Roman legte den Kopf schief. „Sie können dich nicht aufhalten. Aber sie werden jemanden bitten, sich um dich zu kümmern.“ Ich könnte zu meinen Eltern fahren. Doch ich wollte nicht, dass sie sich zu sehr um mich sorgten.
Seufzend schloss ich die Augen.
Meine Brüder vielleicht? Die hatten genug mit sich selbst zu tun.
Chris? Besser nicht.
Bei Claudia wollte ich nicht als Notfall ins idyllische Familienleben platzen. Trudi?
„Wenn du willst, kann ich für dich sorgen.“ Würde Roman nicht so ernst dreinblicken, würde ich es glattweg für einen Scherz halten. Er war viel zu beschäftigt. Und ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob es gut wäre, weiterhin in seiner Nähe zu sein. Ich kam auf die verruchtesten, glibberflutschigsten Gedanken, wenn wir uns zu nah waren. „Du?“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Ist der Gedanke derart abwegig für dich?“ Ähm, abwegig nicht, aber gefährlich. Obendrein saukomisch.
„Tja, du hast nur zwei Optionen. Die erste“, Roman hielt einen Finger in die Luft, „du bleibst hier. Und die zweite…“, er streckte einen zweiten in die Höhe und beugte sich zu meinem Ohr, wobei sein Atem mich kitzelte, „…du findest dich damit ab, dass ich auf dich aufpasse.“ Als ob ich einen Babysitter bräuchte! Doch hierbleiben wollte ich auch nicht. „Setzt du dir ein weißes Mützchen auf und trägst einen Schwesternkittel?“ Roman lächelte. „Willst du das denn?“
Jaha, das würde ich zu gern sehen wollen.
„Keine Chance.“ Dachte ich mir schon. „Ich werde Bescheid geben, dass sie deine Entlassungspapiere fertig machen. Denkst du, du kannst dich allein anziehen?“ Glaubte ich nicht. Ich wusste nicht mal, wo meine Sachen waren. „Macht nichts. Ich regle das gleich, du wartest hier.“ Lustig. Als ob ich wegrennen könnte. Aber was meinte er mit regeln? Wollte er mich anziehen?
Du meine Güte!
Ich trug einen dieser blöden Kittel, die hinten offen standen. Langsam tastete ich mich unter der Bettdecke vorwärts. Ha! Noch schlimmer. Ich trug nur diesen hässlichen, weiß-blauen Umhang. Ok, Sam. Bewege deinen Arsch aus dem Bett und versuche wenigstens, in dein Höschen zu steigen. Bevor Roman wieder da ist. Ja, genau. Besagtes Höschen musste ich erst noch finden.
So,