Eine übereilte Heirat. Historischer Roman. Catherine St.John

Eine übereilte Heirat. Historischer Roman - Catherine St.John


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dachte, wenn ich alleine nach Aachen fahre -“

      „Unsinn!“, unterbrach ihn seine Gattin entschieden. „Natürlich werde ich dich wie gewöhnlich begleiten. Für Victorias Hochzeit muss eine andere Lösung gefunden werden.“

      Lord Weyhill, der in der Tat nicht gerne ohne seine resolute Gattin verreiste, die ihm stets alle Alltagssorgen fernhielt und für sein Wohlbefinden sorgte, so dass er sich ganz seinen Aufgaben widmen konnte, war insgeheim erleichtert, doch er schämte sich dessen ein wenig, als er das ratlose Gesicht seiner Tochter sah.

      Bevor ihnen aber eine geeignete Lösung einfallen konnte, trat wie ein deus ex machina die vierte Hauptperson auf: Lord Simon wurde gemeldet und wahrscheinlich mit größerer Freude denn je empfangen: Ihm würde gewiss etwas einfallen.

      Er lauschte mit leicht verwirrtem Ausdruck der dreifach vorgetragenen Hiobsbotschaft, doch schließlich hatte er verstanden, worum es ging, und hatte auch tatsächlich sofort einen Vorschlag zu bieten: „Und wenn wir die Hochzeit noch weiter vorverlegen?“

      „Wie meinen Sie das?“, erkundigte sich Lady Weyhill.

      „Nun, wir könnten doch schon vor Lord Weyhills Abreise nach Aachen heiraten – mit einer Sondergenehmigung. Dann könnten Sie sich beruhigt Ihren Aufgaben widmen, Sir, und Sie, Mylady, in aller Ruhe Ihre Übersiedelung vorbereiten.“

      Victorias Eltern waren von dieser Idee begeistert, doch Victoria selbst warf ihrem Zukünftigen einen bestürzten Blick zu, den dieser mit ausdrucksloser Miene quittierte.

      Himmel, das war ja praktisch schon in den nächsten Tagen – wie sollte sie in dieser kurzen Zeit Klarheit über Simons Gefühle erlangen?

      Ihren Eltern allerdings erschien dieser Vorschlag, nachdem einige Einwände, das Unschickliche einer so überstürzten Heirat betreffend, leicht entkräftet worden waren, im Lichte einer äußerst befriedigenden Lösung, doch selbst sie erschraken ein wenig, als Simon in aller Seelenruhe den einunddreißigsten Oktober vorschlug.

      „Schon so bald?“, entsetzte sich Mylady. „Wie sollen wir in dieser Zeit denn ein Brautkleid machen lassen, und die Gäste! Werden sie eine so kurzfristige Einladung nicht arg seltsam finden?“

      Lord Simon erinnerte seine Schwiegermutter höflich daran, dass seine Familie sich noch in Trauer befinde und daher eine stille Hochzeit mit möglichst wenigen Gästen angezeigt erscheine.

      „Ach ja, richtig, verzeihen Sie. Aber Ihre Familie! Kann sie denn in so kurzer Zeit nach London kommen? Sie werden doch nicht ohne Ihre Familie heiraten wollen?“

      Er lächelte so strahlend, wie Victoria es noch nie an ihm gesehen hatte. Verblüfft und fasziniert registrierte sie den jungenhaften Charme, den seine gut geschnittenen und sonst so kühlen Züge plötzlich ausstrahlten, und vergaß einen Moment lang ihre Besorgnis.

      „Nein, Mylady, das wird wohl nicht gehen, aber wir werden sofort nach der Hochzeit nach Lynham fahren, so dass sie alle Victoria gleich kennen lernen können. Victoria, sind Sie mit diesem Termin einverstanden?“

      „Der Tag der Reformation - oder Hallowe´en“, murmelte die so Angesprochene, geistesabwesend lächelnd. „Ein schönes Datum. Ja, ich bin einverstanden. Ob in unserer Hochzeitsnacht Hexen durch die Luft fliegen werden – was glauben Sie?“

      „Victoria, bitte lass diese unangebrachten Scherze!“, rügte Lady Weyhill, während der Earl schallend lachte.

      „Hexen in der Hochzeitsnacht! Das ist gut – sogar sehr gut!“ Er verstummte, als er bemerkte, dass niemand seine Heiterkeit teilte; seine Frau wirkte ein wenig verstimmt, Victoria sah abwesend drein, und Lord Simon betrachtete seine Verlobte nachdenklich, als vermute er einen tieferen Sinn hinter ihren Worten. Er wollte gerade bemerken, dass man von einer Hochzeitsgesellschaft doch wohl etwas fröhlichere Gesichter erwarten dürfe, doch etwas in den Gesichtern seiner Tochter und seines Schwiegersohnes in spe hielt ihn davon ab.

      *

      Die wenigen Tage bis zur Trauung vergingen mit hektischen Vorbereitungen und der Klärung letzter Fragen (auch finanzieller Natur) in Windeseile, und ehe Victoria es sich recht gewahr wurde, stand sie neben Simon vor dem Altar von St. George am Hanover Square und versprach, ihn in guten und schlechten Tagen, in Reichtum und Armut zu lieben, zu ehren, ihm zu gehorchen und ihm die Treue zu halten – bis dass der Tod sie schied.

      Als sie an seinem Arm die Kirche verließ und die Kutsche bestieg, die sie zur Brook Street zurückbringen sollte, fragte sie sich im Stillen unablässig, ob sie nicht eine entsetzliche Torheit begangen habe. Sie hatte Simon geheiratet, weil sie ihn liebte, gut – aber liebte er sie auch? Warum hatte er um sie angehalten? Sie hoffte immer noch, auch er hege zärtliche Gefühle für sie, aber nun, da sie nicht mehr zurückkonnte, gestand sie sich ein, das für diese Hoffnung eigentlich wenig Anlass bestand; er war ihr in den letzten Tagen kein bisschen vertrauter geworden, hatte nie versucht, zärtlich zu werden oder auch nur, sie ein wenig besser kennenzulernen – konnte man da noch glauben, er sei nur schüchtern?

      Sie versuchte, ihre düsteren Gedanken, die sich so gar nicht für eine Braut an ihrem Hochzeitstag ziemten, damit zu verdrängen, dass sie sich sagte, genauso gut hätte sie eine Vernunftehe schließen können: Simon war höflich und freundlich zu ihr und sie war ihm darüber hinaus auch noch zugetan – waren das nicht eigentlich recht günstige Voraussetzungen für eine glückliche Ehe? Obendrein war er auch noch eine angemessene Partie, so dass man bestimmt wegen finanzieller oder gesellschaftlicher Fragen nie Probleme haben würde.

      Victoria kannte ein junges Mädchen aus recht guter und auch nicht gerade armer Familie, das darauf bestanden hatte, einen Marineleutnant in ungünstigen Verhältnissen zu heiraten, und schließlich mit ihm durchgebrannt war; einmal hatte sie sie nach der Heirat besucht und festgestellt, dass die beengten Umstände ihrer Freundin doch arg aufs Gemüt schlugen und sie sich mit ihrem Mann über lauter Kleinigkeiten zankte, weil sie ihm nicht offen ihre wahren Vorwürfe machen konnte – dass sie nämlich seinetwegen in so unangenehmen Verhältnissen leben müsse und außerdem noch den Kontakt zu ihren angeseheneren Bekannten gänzlich verloren habe. Victoria hatte sich zwar ein wenig über die junge Frau gewundert, die doch schließlich schon vor der Hochzeit gewusst hatte, dass ihr Mann weder von Stand noch von Vermögen war; aber dass es den Beginn einer Ehe durchaus erschwerte, wenn man mit solchen Problemen zu kämpfen hatte, konnte sie durchaus verstehen.

      Nun, bei ihr war das gewiss nicht der Fall – wenigstens ein Trost. Außerdem hatte Simon ja auf Lynham seine Familie, und Victoria, die bisher eigentlich mit allen Menschen glänzend zurechtgekommen war, konnte sich nichts anderes vorstellen, als dass Simons Mutter und seine Brüder ganz entzückend zu ihr sein würden. Ja, wenn man es recht betrachtete, sprach tatsächlich eine ganze Menge für diese Ehe! Sie begann, etwas optimistischer in die Zukunft zu sehen, und brachte es auch fertig, die Hochzeitsfeier im Hause ihrer Eltern zu genießen, obwohl Lady Weyhill, ein Opfer ihrer Rührung, heftig in ihr Taschentuch schluchzte und es wortreich bedauerte, dass die Hochzeit ihrer einzigen Tochter so schmucklos und schlicht verlaufe.

      Schon am Nachmittag jedoch drängte Simon zum Aufbruch. Dieses Zeichen ehelicher Ungeduld schmeichelte ihr, und sie fragte lächelnd zurück: „Warum hast du es denn so eilig?“

      Er wandte sich ab und richtete vor einem Spiegel seine Krawatte. „Nun, ich möchte gerne vor Anbruch der Dunkelheit zu Hause sein – du nicht?“

      „Vor Anbruch der Dunkelheit? Das schaffen wir nie und nimmer! Sieh mal, in zwei oder drei Stunden wird es schon dunkel, und in dieser Zeit werden wir höchstens den halben Weg zurückgelegt haben. Außerdem müssen wir uns noch umziehen. Warum willst du nicht im Dunklen reisen? Hast du Angst vor heidnischen Bräuchen?“

      Er warf ihr einen seiner unergründlichen Blicke zu. „Vielleicht.“

      Sie zuckte mit den Schultern. „Gut, ich gehe mich umkleiden. Wenn du in der Zwischenzeit das Gepäck verstauen lässt, können wir bald fahren. Einverstanden?“

      Ein flüchtiges Lächeln belohnte ihre Fügsamkeit. „Einverstanden. Beeil dich, bitte!“

      Sie eilte


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