Fear Me. Melody Adams
zu schützen. Ich hatte kein Interesse, diese Folter zu weit zu treiben. Immerhin musste er noch in der Lage sein, mein Geld aufzutreiben, denn ich war nicht gewillt, es jetzt schon abzuschreiben. Nein, ich musste anders vorgehen. Ich erhob mich vom Stuhl und schlenderte in die Küche. Dort tränkte ich ein Küchenhandtuch mit lauwarmem Wasser und kehrte zurück ins Wohnzimmer. Mich erneut rittlings auf den Stuhl setzend, drückte ich das nasse Tuch gegen die blutende Wunde.
„Binde ihn los!“
Tony sah mich fragend an. Offensichtlich hatte er erwartet, dass wir das Spiel noch ein wenig weiter trieben. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, und er beeilte sich, die Kabelbinder, mit denen er Ferrettis Hände gefesselt hatte, zu durchtrennen.
„Hier, drücke das auf die Wunde“, sagte ich, Ferrettis klamme Hand zu dem Tuch führend.
Während er das Tuch an seinen Kopf presste, schaute er mich misstrauisch an. Mein humanitärer Akt war nicht, was er von Il Diabolo erwartet hatte. Ich lächelte nachsichtig.
„Sieh“, begann ich ruhig, als spräche ich mit einem Kind. „Ich will dir nicht wehtun. Ich will auch Bianca nicht wehtun. Solange wie du dich an die Abmachung hältst, wird ihr nichts passieren. Also verrate mir, wann sie nach Hause kommt.“
„Bitte tu meinem Baby nicht weh.“
„Du hast mein Wort darauf, Andrea. Solange du deine monatlichen Raten pünktlich zahlst, wird ihr nichts passieren.“
Ferretti nickte und atmete tief durch.
„Sie kommt gegen sechs.“
Ich warf einen Blick auf die Uhr über dem Kamin. Es war kurz nach halb sechs. Gut. Wir würden nicht allzu lange warten müssen. Ich holte eine Schachtel Camel Ohne aus meiner Jacke und nahm eine Zigarette heraus. Tony zückte sein Sturmfeuerzeug und gab mir Feuer. Ich nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch in Ferrettis Gesicht.
„Wir warten hier auf deine Tochter. Und du wirst keine Dummheiten machen, wenn du willst, dass ihr nichts passiert. Tony hier würde ihr nur allzu gern wehtun. Er ist ein wenig abartig veranlagt, wenn man so sagen will. Ein Wort von mir, und er wird Bianca wünschen lassen, sie wäre nie geboren worden. Hast du das verstanden?“
„Jaaaa“, schniefte Ferretti. „Ich ... ich tu was ... was du willst.“
„Guut. Dann verstehen wir uns. Kein Grund zu unnötiger Gewalt, nicht wahr? Ich muss zugeben, ich empfinde kein Vergnügen daran zu sehen, wie eine Frau gefoltert wird, doch das bedeutet nicht, dass ich Skrupel habe, meine Drohung wahr zu machen.“
Pünktlich um sechs Uhr fuhr ein Auto in die Einfahrt. Wenig später ging die Haustür.
„Ich bin zuhause, Daddy! Bist du im Wohnzimmer?“, war eine weibliche Stimme zu hören.
Ferretti sah mich hilflos an. Ich nickte ihm zu.
„Ja, ich bin hier“, rief er, mir einen flehentlichen Blick zuwerfend.
Schritte näherten sich, dann betrat eine junge Frau das Wohnzimmer. Als ihr Blick auf ihren Vater fiel, der sich noch immer das blutgetränkte Tuch an den Kopf presste, schrie sie erschrocken auf.
„Daddy!? Was ... was ist hier los?“
Ihr Blick ging zu mir, dann Tony und zurück zu mir. Sie war nicht, was ich erwartet hatte. Andrea Ferretti war fett und blass. Hässlich wie die Nacht. Doch seine Tochter ... Bianca war schön wie die Sünde. Ihre schwarzen, schweren Locken fielen ihr bis zur Mitte ihres Rückens. Sie war vielleicht einen Meter siebzig, wenn sie die High Heels ausziehen würde. Sie besaß diese perfekte Sanduhr-Figur. Ausladend gerundet an all den richtigen Stellen, doch mit einer schmalen Taille. Es juckte mich in den Fingern, meine Hände über diese Kurven gleiten zu lassen. Augenblicklich füllte sich mein Schwanz mit Blut.
„Komm her und setz dich!“, sagte ich mit harter Stimme, die nicht erkennen ließ, wie sehr sie mich mit ihrer Erscheinung aus der Fassung gebracht hatte. Zumindest hoffte ich das.
Bianca
Der Tag im Casino heute war furchtbar gewesen. Die Lieferung vom Getränkegroßhandel war nicht gekommen und als ich dort angerufen hatte, um nachzufragen, was zum Teufel los war, musste ich erfahren, dass die letzten beiden Rechnungen nicht bezahlt worden waren. Wenn wir die Sache nicht schnellstens regelten und die Getränke geliefert bekamen, dann würden wir in zwei oder drei Tagen nicht mehr in der Lage sein, den Laden zu öffnen. Schon jetzt hatten wir keinen Red Label und keinen Smirnoff mehr. Wenn ich zumindest eher gewusst hätte, dass wir unbezahlte Rechnungen mit dem Lieferanten hatten, dann hätte ich vielleicht noch etwas tun können, doch Daddy hatte mir natürlich nichts gesagt. Das war, wie er unangenehme Dinge handhabte. Einfach so tun, als wäre nichts. Als wenn das Problem davon verschwinden würde. Ich würde heute ein ernstes Wort mit meinem Dad haben. So konnte es nicht weitergehen. Wer wusste, was er mir sonst noch verschwiegen hatte?
Als ich die Auffahrt zum Haus hinauffuhr war ich noch immer wütend, auch wenn die lange Fahrt vom Casino nach Hause mir etwas Zeit gegeben hatte, mich ein wenig zu beruhigen. Ich stellte den Motor ab, stieg aus und betätigte den Knopf der Zentralverriegelung. Mit jedem Schritt, den ich auf die Eingangstür zumachte, steigerte sich meine Wut wieder. Ich zählte im Kopf bis zehn. Wenn doch bloß Daddy nicht so verantwortungslos wäre. Er war wie ein kleines Kind. Seit Mums Tod war ich diejenige gewesen, die auf ihn aufgepasst hatte, anstatt anders herum, wie es sich gehört hätte.
Ich betrat das Haus und schloss die Tür.
„Ich bin zuhause, Daddy! Bist du im Wohnzimmer?“
„Ja, ich bin hier“, antwortete Daddy aus dem Wohnzimmer.
Seine Stimme klang ein wenig panisch. Sicher wusste er, dass ich von den unbezahlten Rechnungen erfahren hatte. Nun, ich würde ihm gehörig meine Meinung sagen. Ich betrat das Wohnzimmer voller Elan, nur um wie erstarrt stehen zu bleiben. Was ich im Wohnzimmer sah ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Dad war nicht allein. Zwei Männer waren bei ihm. Ich wusste, wer der dunkle Kerl war, der vor meinem Vater rittlings auf einem Stuhl saß. Ich hatte sein Gesicht oft in der Zeitung gesehen. Nicolo Mancini, der Pate. Beim Anblick des blutdurchtränkten Tuches, welches Daddy sich an den Kopf presste, schrie ich entsetzt auf.
„Daddy!? Was ... was ist hier los?“
Mein Blick ging zu Mancini, dann dem Mann hinter Dad und zurück zu Mancini. Was wollten die Kerle von Daddy? Und warum hatten sie ihn gefoltert? Schuldete Dad ihnen etwa Geld? Das wäre eine Katastrophe. Die Mafia war der letzte Ort wo man sich Geld lieh, wenn einem das eigene Leben und das der Familie etwas wert war. Und Mancini war einer der Schlimmsten. Sie nannten ihn Il Diabolo – Der Teufel! Mir gefiel der hungrige Blick nicht, mit dem er mich musterte. Ich fühlte mich plötzlich wie das Lamm vor dem Wolf.
„Komm her und setz dich!“, sagte er mit harter Stimme.
Furcht breitete sich schwer in meinem Magen aus, und mein Herz begann zu rasen.
Oh Daddy! Was hast du nur angerichtet?
„Muss ich dir Beine machen?“, riss mich Mancinis Gebrüll aus meinen Gedanken.
Ich zuckte zusammen. Mit zittrigen Knien ging ich zu der Couch und setzte mich. Mein Blick glitt zu Daddy. Angst und Scham stand in seinen Augen geschrieben. Angst vor Mancini und Scham, weil er uns endgültig richtig in die Scheiße geritten hatte. Ich wandte den Blick ab und sah stattdessen zu Mancini.
„Was ist los?“, fragte ich, allen Mut zusammen nehmend. „Warum seid ihr hier. Was wollt ihr?“
„Dein Vater schuldet mir Geld. Er hat seine Rate diesen Monat nicht bezahlt“, erklärte Mancini hart. Dann glitt ein teuflisches Lächeln über seine Züge, welches mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Du bist meine Versicherung, Bi-an-ca, dass dein Daddy seine Schulden begleicht.“
Die Art, wie er meinen Namen aussprach, jede Silbe betonend, sandte mir einen Schauer über den Leib. Ich schluckte schwer, als seine Worte in meinem Kopf ankamen. Geschockt sah ich ihn