Private Security. Thomas GAST

Private Security - Thomas GAST


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verstehen oder wahrhaben wollte. Sicherlich spielten Existenzängste eine Rolle. Fragen drängten sich mir auf. Wie sieht mein zukünftiges Leben von nun an aus, wie kann ich in einer Gesellschaft, mit der ich mich nicht unbedingt identifizieren konnte, meinen Platz finden? Einer Gesellschaft, der ich damals als junger Mann entflohen bin? Unterschwellig nagte in mir wohl die Angst, ein allzu ´normales` Leben führen zu müssen. Diese Angst wurde von Monotonie begleitet. Langeweile und Unterforderung machten mich krank. Kurz nach meinem Abschied vom Theater nahm ich einige leichte Security Jobs an, doch ich wusste sofort, dass die Dinge nie wieder so sein würden, wie sie vorher mal waren. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die alten Teufel mich wieder riefen. Als es soweit war, warf ich meine Bedenken kaltschnäuzig über Bord und knüpfte mit alten Gepflogenheiten an, die waren: Koffer packen und ab zum bewaffneten Dienst! In den Jahren zwischen 2002 und 2016 war ich in Sachen Security an vielen Punkten dieser Erde tätig. Die Arbeit machte es mir nicht immer möglich, hinter mich zu sehen. Meine Frau war während dieser ganzen Zeit das so wichtige Zwischenstück, die Brücke zu meinen Kindern. Sie besänftigte sie, stand ihnen an meiner Stelle Rede und Antwort und sie begründete meine Abwesenheit mit Worten, die die damals jungen Sprösslinge eben verstanden. Mit anderen Worten, sie hielt mir den Rücken frei, indem sie die Menge der anfallenden Alltagsprobleme von mir fernhielt, sodass ich mich ganz auf meinen Beruf konzentrieren konnte. Dass sie dabei ihre eigene Person stets hintanstellte, war mir, zumindest in den Anfängen, nicht immer bewusst.

      Erfahrung, Instinkt und Mut

      Dante und Vergil in der Hölle. Wie auf dem Gemälde von Eugène Delacroix hingen dunkle Gewitterwolken über alle friedliebenden Menschen in unserer freien Welt. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stand die alte Weltordnung, wie wir sie kannten, Kopf. An jeder Straßenecke sprach man von irgendwelchen Verschwörungstheorien, klebte per se allen ´Bärtigen` im Mittleren Osten das Terroristenetikett auf die Brust. Wörter wie Private Security waren plötzlich in aller Munde. Was sich daraus entwickelte, war erstaunlich. Die in der Sicherheitsbranche zu vergebenden Jobs, eben noch eine Sache von rüstigen Rentnern und verzweifelten Arbeitslosen, waren mit einem Schlag angesehen, begehrt und gut bezahlt. Die Gesellschaft schrie nach der ´absoluten Sicherheit`. Auch wenn es eine solche nicht geben konnte, wollte man das Terrain SECURITY denen überlassen, die sich darin am besten auskannten. Denen, die damit umgehen konnten und die Risiken nicht scheuten - und die bereit waren, für ´die Sache` sogar ihr Leben zu lassen. Und siehe da, der Arbeitsmarkt florierte. Für Ex-Soldaten in erster Linie. Private Sicherheitsfirmen und Private Militär Sicherheitsfirmen schossen wie Pilze nach einem lauen Regen aus der warmen Muttererde. Die Möglichkeit, die sich mir als Ex-Elitesoldat in diesem Sektor bot, erkannte ich sofort. Es war Wahnsinn. Meine Chance zunächst recht moderat am Zopfe packend, bewarb ich mich bei der Firma Securitas zum bewaffneten Dienst. Es handelte sich dabei um eine Tochterfirma des schwedischen Sicherheitskonzerns Securitas AB. Mich irgendwie zu engagieren, war wie ein Zwang. Mich nützlich machen. Helfen. Den Bösen nicht das Feld überlassen. Und ich wollte den Markt etwas sondieren, wollte sehen, wie zivile Firmen mit dem Unding PRIVATE SECURITY umgingen. Securitas bewachte damals mehrere Kasernen der US-Streitkräfte der Garnison Würzburg (98. ASG.). In Würzburg, der Stadt in der ich lebte, war die 1. US-Infanteriedivision the Big Red One stationiert. Als ich das Securitas Hauptquartier in der Faulenberg-Kaserne betrat, wurde ich bereits erwartet. Stefan (Name geändert), der damalige Area Manager der Firma, erhob sich und kam mir lächelnd entgegen.

      „Thomas Gast?“

      Ich nickte. Drückte herzlich die mir entgegengestreckte Hand.

      „Ich habe bereits von dir gehört. Ehrlich gesagt, dass gerade du dich bei uns bewirbst, damit hätte ich nicht gerechnet“. Er wies auf einen Ledersessel. „Setz dich bitte. Kaffee?“

      „Gerne. Woher kennen wir uns?“

      „Die Sendung“, sagte er und strahlte mich an. „In der ARD.“

      Ich wusste Bescheid. Erst vor ein paar Tagen lief in einigen TV Sendungen die WDR Reportage Leben für die Front. Der Dokumentarfilm wurde mehrmals und bundesweit ausgestrahlt. Er zeigte mich mit einigen anderen deutschen Legionären bei der Ausbildung in Dschibuti. Vorausgegangen war meine Begegnung mit Frau Sonia Seymour Mikich - bekannt u.a. durch das ARD-Politmagazin Monitor, in Calvi / Korsika. Frau Mikich, damals ARD-Studioleiterin in Paris, drehte eine Reportage über Russen in der Legion und ich hatte das Vergnügen, sie und ihr Team während ihres Aufenthaltes in Korsika betreuen zu dürfen. Nach einem guten Gespräch und zwei Tassen Kaffee gab Stefan mir ohne das übliche Tamtam einen Vertrag. Voraussetzung, bei Securitas angestellt zu werden, war eine reine Weste, nachzuweisen durch ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis. Weiterhin bedurfte es einer bestandenen Waffensachkundeprüfung; den Nachweis 34 A IHK; dem Führerschein der Klasse B und einer Kurzausbildung mit dem Tonfa. Auch waren solide Englischkenntnisse gefragt. Was mir ins Auge stach? Dass sich damals schon einige der Mitarbeiter bereits bei der deutschen Sprache sehr schwer taten! Das ist kein Werturteil, sondern eine sachliche Feststellung. Im Ernstfall- und das wusste ich aus Erfahrung, kam es auf das Beherrschen einer Sprache, welcher auch immer, nicht an. Im Ernstfall waren praktische Erfahrung, Scharfsinn, eine gehörige Portion Instinkt und großer Mut gefragt.

Bild 4

       Wie ein Mahnmal ragt der Torbogen, der einstige Haupteingang des Hauptquartiers der 1. US-Infanteriedivision gen Himmel.

      Nun, wir Angestellten traten uns in bitterkalten Nächten in der Lincoln Housing Area, der Faulenberg-Kaserne oder am Gerbrunn Tor der Leighton Barracks die Füße platt, ohne dass jemals etwas Aufregendes geschah. Die einzigen Feinde, die wir tatsächlich hatten, waren good cop, bad cop (guter Bulle, böser Bulle) Shaw und Davey. Die beiden US-Amerikaner der Zelle Plans and Operations Section waren damit beauftragt, Sorge zu tragen, dass Securitas den Dienst ablieferte, der vertraglich abgemacht war. Besonders Davey, der ´Contractor Coordinator` machte uns völlig sinnlos das Leben zur Hölle. Anstatt uns auf die Finger zu schauen, hätte er wohl besser die Führungsriege des Unternehmens durchleuchten sollen. Da waren einige schräge Vögel darunter. Aber auch so waren die Bedenken vonseiten der Amerikaner teilweise gerechtfertigt. Diese Bedenken waren auch dem Umstand geschuldet, dass Securitas hauptsächlich Quereinsteiger einstellte. Nicht zuletzt auch in der Führungsebene. Zur Bewachung von höchst sensiblen Anlagen und Einrichtungen fand ich mich plötzlich neben ehemaligen Kindergärtnerinnen, Altenpflegern, Hundesalon-Besitzern, Kriegsdienstverweigerern und Langzeit-Arbeitslosen ohne einschlägige Vorkenntnisse wieder. Nur der Hälfte davon traute ich es zu, ´einsatzreif` mit dem ihnen anvertrauten Equipment umzugehen. Ich spreche von den Waffen, vornehmlich Smith & Wesson - teils Taurus 357 Magnum, von Munition, vom Schlagstock, von den Funkgeräten, etc. Meine anfängliche Analyse war, dass die meisten dieser Männer und Frauen den ´ersten Schock` eines terroristisch motivierten, gut geplanten Anschlags nicht standhalten würden. Für die Firma, sowie auch für den Klienten, war das natürlich nicht der Idealfall. Innerhalb von sechs Monaten avancierte ich zum permanent Supervisor, wurde aber in dieser Rolle nicht so recht glücklich. Für mich alten Soldaten waren die Arbeitsbedingungen und vor allem auch die ´Arbeitsmoral` einiger Mitarbeiter wie ein Schlag ins Gesicht. Die ganzen Werte, die ich gelernt und hochgehalten hatte – Korpsgeist, Disziplin, Respekt, Pünktlichkeit und Loyalität, um nur einige zu nennen - sie wurden hier von nicht wenigen zivilen Angestellten mit Füßen getreten. Was ich jedoch fand war Lustlosigkeit, endlose Geplänkel, nette Kaffeepäuschen sowie Drohungen von irgendwelchen Angestellten, die mit den oben gelisteten Werten nichts anfangen konnten. Natürlich gab es bei Securitas auch eine Handvoll exzellenter Mitarbeiter. Diese jedoch hatten einen differenzierten Background vorzuweisen. Es waren Ex-Bundeswehrsoldaten, Ex- Polizisten, Leute vom Grenzschutz, vom Zoll oder vom THW. Bei Pflichtverletzungen gab es für einen Vorgesetzten bei Securitas- und das war ich als Supervisor, kaum Möglichkeiten, Anweisungen nachhaltig durchzusetzen. Knüppel aus dem Sack, wie es in der Legion manchmal notwendig war, ging gar nicht. Solche Methoden, und daran musste ich mich schneller gewöhnen als mir lieb war, konnten mich nur in Teufels Küche bringen. Mein Kopf war noch zu sehr ´Legion` und mir war damals nicht bewusst, dass ich die Messlatte viel zu hoch ansetzte.


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