Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe. Maxi Hill

Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe - Maxi Hill


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köpfte sie wortlos und tat sehr kollegial. Auch wenn seine Blicke weder mir noch der gelungenen Arbeit galten, schenkte er eigenhändig die Gläser voll.

      »Es wird Zeit, etwas nachzuholen. «

      Diese Worte hätten für mich schon als Sieg des Tages gelten können. Doch Tarrach ließ sich noch weiter herab. Zuerst reichte er Conny und dann sogar mir mit seiner eigenen, verschwitzten Pranke eines der Gläser.

      »Ich heiße Bodo«, griente er und ehe ich mich versah, küsste er Conny und ich befürchtete schon, auch seine schwammig feuchten Lippen ertragen zu müssen, weil seine Gebaren keinen dienstlichen Siegestrunk sondern eine sehr persönliche Orgie erwarten ließen. Schließlich prostete er auch mir zu. Trotzdem begriff ich, dass mein Erfolg nicht der Auslöser freundlicher Chef-Gemüter war. Meinem Ego sollte die feuchte Anerkennung fürs Erste genügen. Ich hatte die richtige Muse geküsst, wie Tarrach es nannte.

      Die richtige Muse geküsst … Laila. Der Gedanke an sie versetzte mir einen Hieb in die Magengegend und ich ahnte, dass es nicht allein mein schlechtes Gewissen war. Tarrach hatte inzwischen Conny vor sich her aus der Tür geschoben und ich hörte, wie sie kichernd im Serverraum verschwanden. Mir wurde schlecht. Ich muss einmal zum Arzt gehen, dachte ich, und setzte mich vor meinen Monitor, arbeitete aber nicht. Der Druck in meiner Brust wurde immer stärker. Es war, als wollte etwas aus mir heraus und klammerte sich doch fest wie eine Klette. Manchmal war mir das Gefühl auch angenehm und ich befürchtete schon, es könnte so etwas Sentimentales wie Liebe sein. Wenn es ein Reglement gäbe, das die Männer danach beurteilt, wie sie in der Lagen sind, Liebe zeigen zu können, wäre ich in der Kategorie total unterentwickelt eingestuft worden. Damals.

      Und woran lag das? An der Interpretation meiner Umwelt. Für meinen Vater schien die Liebe das perfekte Imperfekt zu sein. So wie Mutter redete, konnte ich daraus schließen, dass ihre Liebe im Plusquamperfekt existierte. Meine Kumpels redeten, wenn überhaupt, über Liebe immer im Futur 2. Warum also sollte meine Liebe im Präsens vorkommen? Und bitte, wen oder was sollte ich lieben?

      Laila. Warum fiel mir immer wieder Laila ein? Die unvollständige Sinfonie meiner Gefühle hatte Untertöne bekommen. Laila war ein Halbton, der sich in meinem Gehör eingenistet hatte. Physikalisch betrachtet war sie eher ein Magnet. Sie zog mich an, doch näherte ich mich von der falschen Seite - stieß sie mich ab.

      Ich nahm mir vor, ihr wenigstens das Resultat unserer gemeinsamen Idee zukommen zu lassen. Zu dieser Fassung jedenfalls hatte ich mich immerhin vor mir selbst – und nur für mich selbst - herabgelassen. Wen würde es auch interessieren, welche Muse mich geküsst hat. Sie hat, und basta. Nein, verdammt, sie hat nicht. Ich hatte versucht sie zu küssen … und alles versaut. Mehr noch, ich habe die Muse geküsst und bin von selbiger verstoßen worden. Verstoßen!

      Matti Braun ist verstoßen worden! Von einer Frau! Von einer unscheinbaren, kleinen Frau ist Matti ins Schlittern gebracht worden. Aquaplaning?

      Wenn zwischen mir und jedem beliebigen Mädchen einmal die Bodenhaftung verloren ging, schlitterte ich zur nächsten.

      Nicht bei einem Mädchen wie Laila, das wurde mir klar, als Conny und Tarrach mit hochroten Köpfen wieder zu ihren Arbeitsplätzen schlichen. Ich verstand Conny nicht, aber musste man alles verstehen? Inzwischen beherrschte mich selbst der absurde Gedanke, einmal im Leben mit einem unschuldigen, reinen Wesen schlafen zu wollen - Liebe zu machen. Selbst wenn dabei ein Salto vorwärts vom Präsens zum Plusquamperfekt heraus käme. Ein Mann muss alles einmal erlebt haben.

      Laila. Ich werde sie herumkriegen, wie ich noch jede herumgekriegt habe. Sie wird glauben, sich frei entschieden zu haben. Aber sie wird dem Zwang der Neugier nicht widerstehen können. Auch sie wird ausprobieren wollen, was andere vor ihr so verzückte. So, wie ich Laila erlebt hatte, war nicht anzunehmen, Lizzy habe ihr von meinen Qualitäten erzählt.

      Ich musste dieses unberührte Stück Natur erobern, meine Augen darauf spazieren lassen, erforschend in sie dringen. Ich würde … nein, ich würde vorerst nur mit ihr reden, nur reden, ich schwor es beim Dornröschenschlaf meiner Libido.

      Die Clique traf sich diesmal in der «Eule». Das Kino-Café lag zentral, für alle in Kürze erreichbar. Die rustikale Atmosphäre entsprach haargenau unseren Temperamenten. Auf den dicken Holztischen lagen ebensolche bunt karierten Tischläufer, wie die Kissen auf den Bänken aussahen. Auf dem blank polierten Holz durfte ruhig einmal etwas danebengehen, was bei unseren Feten zur Tagesordnung gehörte. Heute war es anders als sonst. Heute war es ein von Tarrach inszenierter Umtrunk, mit dem er sich in unsere Clique einkaufen wollte. Conny hatte die Idee und wie sie sagte, sollte besonders ich Tarrach dankbar sein. Mein Erfolg wäre ohne ihn nicht denkbar gewesen, schließlich habe Tarrach die Bank als Großkunden an Land gezogen. Nur mir raunte sie zu, wie spendabel unser Vize-Chef sei, was unserem Ansehen in der Clique schließlich nicht schaden könne.

      Ottmar, Sigmund und sogar Jupp, der unauffälligste von uns, konnten sich für diesen Spätnachmittag frei machen und von den Mädchen kam außer Conny und Cora auch Stella, die sich sonst eher mit Ausreden fernhielt. Lizzy kam nicht. Ich fluchte vor mich hin. Nur um mit Lizzy zu reden, hatte ich gute Miene zum Spiel des Kollegen Tarrach gemacht. Ich wollte Lizzy ein wenig ausfragen, über Laila natürlich. Vielleicht käme die auch wieder, um Lizzy abzuholen. Nun aber war Lizzy nicht hier und ich stellte mich mental darauf ein, Laila nicht so schnell wiederzusehen. Widerwillig widmete ich meine Aufmerksamkeit dem schmierigen Getue von Tarrach.

      Der war genau genommen durch und durch scheußlich. Daran hätte auch eine schöne Hülle nichts geändert. Verdeckte Vorzüge, wie Galle sie hatte, gab es bei Tarrach nicht. Dennoch sollte Conny Recht behalten. Tarrach zeigte sich außerordentlich spendabel und alle waren zufrieden.

      Zu fortgeschrittener Stunde wurde es immer lauter in der «Eule». Die Kneipenzeit hatte noch nicht wirklich begonnen, aber wir füllten den schwach besuchten Raum abwechselnd mit donnerndem Gelächter und kreischendem Gezeter, je nachdem, von welchem Geschlecht.

      Der Barkeeper, ein behäbiger Mann Anfang fünfzig, meinte es gut mit uns, nur die Serviererin in ihrer neckischen Kaffeehaus-Montur meckerte über die zu vollen Biergläser und wir meckerten, weil sie meckerte. Ansonsten war es ein lustiger Abend.

      Einmal, ich hatte mir gerade die ungefähr zwanzigste Zigarette angezündet, schaute ich zum Tresen. Eine zierliche Frau stand da, den Rücken zum Gastraum gewandt. Sie besprach etwas mit dem Barkeeper. Weniger ihr dunkelblauer, sehr eleganter Anzug, mehr ihr dunkles Haar, das von einem ebenso dunklen Einsteckkamm seitlich zusammengehalten wurde, kam mir sehr vertraut vor. Mein Atem stockte. Ich erinnerte mich genau an diese Frisur, nur ragten diesmal nicht die Haarspitzen über den wohlgeformten Kopf hinaus. Doch es war Laila.

      Ich schob mich so gut ich konnte in die Nische und versteckte mich hinter dem breiten Rücken von Tarrach. Jetzt sollte sie mich nicht sehen. Nicht jetzt.

      Niemals zuvor war mir meine Situation zwischen grölenden Trinkern so peinlich. Dazu schweinigelte Ottmar gerade ziemlich laut:

      »Manchmal wünschte ich mir, ein Ohrenkneifer zu sein.« Er lachte dreckig und kniff Stella in die drallste Stelle ihres Körpers, während seine unergründlichen Blicke an Conny hafteten.

      »Ohrenkneifer kriechen aber niemanden in den Arsch«, wehrte Stella Ottmars Angriff handgreiflich ab.

      »Nein aber es hat zwei …«

      »Zwei Arschbacken? Die hab ich auch.«

      Alles grölte und ich sah, wie Laila sich kurz zu uns umdrehte, dann aber dem Barkeeper etwas übergab. Mir fiel auf, dass sie ein Namensschild an ihrem Revers trug.

      »Zwei Penisse, Blödmann!«, jaulte Otti und feixte dabei.

      »Wozu brauchst du denn zwei Penisse.«

      »Ist der eine schlapp, kann der andere weiter machen«, kicherte Conny und das war zumindest für Conny sehr beachtlich.

      »Oder man könnte es mit Siamesischen Zwillingen treiben!« Tarrachs polterndes Lachen übertönte uns alle und ich befürchtete schon, das wippende Auf und Ab und das schaukelnde Hin und Her seines massigen Körpers würde den Blick in die Nische freigeben.


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