Berlin Zyankali. Toge Schenck

Berlin Zyankali - Toge Schenck


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blieb bis gegen finf.“

      „Und dann?“

      „No, dann bestellte Doktor Kigelchen. Jeden Tag Kigelchen. Hat der Benny immer gebracht. Nur gestern nicht, da ist ja der Benny schon weg.“ „Hat der Herr Mandelstein sie bei Ihnen bestellt?“

      „Jo, musste gehen einkaufen.“

      „Wo?“

      „Gibt nicht überall, nur in Cafe wie heißt – Lebensart, in Yorckstrasse für kaufen.“

      „Und die haben Sie ihm gebracht?“

      „Nein! Legte dort auf Tresen. War Klingeln, Gast von unten. Ich denke, Chefin hat Mozartkigelchen zu Doktor gebracht, später.“

      „Ich glaube ich darf Ihnen sagen, dass der Doktor, wie Sie ihn nennen, an vergifteten Mozartkugeln gestorben ist.“

      Olga schaute mit großen Augen auf die Glasschale mit den Kugeln.

      „Nicht meeglich! Was Sie sagen!“ Sie griff die Schale und stellte sie schnell auf einen anderen Tisch.

      „Und während Sie einkaufen waren, war da jemand hier an der Rezeption?“

      „Ja, Ursula. Sie haben gesehen mit Wäsche.“ Und immer wieder der Blick zur Schale.

      „Arbeitet diese Ursula täglich hier?“

      „Ja, jeden Morgen Fristick vorbereiten und dann Zimmer reinigen. Fristick bedienen Chefin und ich im Abwechsel.“

      „Wie kamen Sie denn mit dem ‚Doktor’ aus?“

      „Gast wie anderer, bisschen hohe Nase oder wie sagt man. Aber schon freundlich.“

      „Sagen Sie, diese Mozartkugeln, wer hatte denn auf die noch Zugriff?“

      Zunehmend nervös antwortete Olga: „Bitte scheen, nein, ich habe nur gekauft die verflixten Kugeln und Schachtel auf Tresen gelegt, andere in Kühlschrank und nicht angefasst, bin dann gegangen in Feierabend, ja, bitte scheen. Fragen Sie Chefin!“

      „Nun regen Sie sich nicht, auf, keiner wird ausgerechnet Sie verdächtigen, wenn Sie nichts mit der Tat zu tun hatten. Hatte der Herr Mandelstein sonst irgendeinen Streit mit jemandem?“

      Olga dachte nach: „ Ich weiß nicht. Einmal dagewesen ein Russe, hat laut nach Doktor gefragt. Aber sonst nur Krach mit Benny.“

      Katharina überlegte, ob sie Olga fragen sollte, ob diese dem Benny einen Mord zutrauen würde, ließ es aber. Sie blickte auf die Uhr, es war kurz vor zehn. In fünfundvierzig Minuten hatte sie einen Fall bei Gericht, über den sie schreiben wollte. Darüber hinaus würde bald Zoller erscheinen und die Befragungen von gestern fortsetzen wollen. Sie legte es nicht darauf an, ihm hier zu begegnen.

      „Vielen Dank für Ihre Auskunft, Sie waren sehr freundlich.“

      „Und Sie werden nicht schreiben, dass ich vergiftet habe den Doktor?“

      „Nein, gewiss nicht. Sie haben es ja auch nicht getan, oder?“ Sie lächelte Olga an.

      „Bitte scheen, keine Angst machen.“ Ein verstörtes Lächeln suchte sich den Weg zu Katharina, die nicht genau wusste, wie viel Schauspielkunst in dem lag, was von Olga kam. Olga brachte sie zur Tür.

      4 - Pension zum Zweiten

      Die Dienstbesprechung war zuende. Zoller schaute auf die Uhr: Kurz vor zehn. Alle anliegenden Fälle waren erörtert worden, besonders die akuten. Das Landeskriminalamt beschäftigte sich mit „Delikten am Menschen“, also mit Gewaltakten gegen Leib und Leben, bis diese aufgeklärt und der Staatsanwaltschaft, bzw. der Gerichtsbarkeit überwiesen werden konnten. Zollers Arbeitszimmer lag im ersten Stock mit den Fenstern zum Hof, auf dem die zivilen Einsatzwagen geparkt waren. Drei Kastanien gaben den Fahrzeugen Schatten. Sie waren vor Jahren, als dies noch ohne Einspruch der Ämter geschehen konnte, gegen die alten Linden ausgetauscht worden, welche viele Straßen Berlins dicht bestanden und von allen Fahrzeughaltern auf den Tod gehasst waren, weil Abertausende von Blattläusen auf ihnen wohnten, die zu nichts anderem gut waren, als ihre Ausscheidungen besonders auf die Frontscheiben zu verteilen und den Fahrer nach wenigen Stunden mit einem undurchsichtig-klebrigen Film zu erfreuen. Mit den Kastanien erfreute man sich höchstens im Herbstwind eines kleinen Paukenkonzerts, wenn die Früchte sich von den Ästen lösten.

      Zoller hatte die Nachricht aus München gelesen, das Vernehmungsprotokoll von Benny, den man direkt am Bahnhof abgefangen hatte und die Akten über seine Person, die in München vorlagen. Er war türkischer Abstammung, in München aufgewachsen und war als Jugendlicher aufgefallen durch kleinere Rauschgiftdelikte mit Hasch (aber wer hat das noch nicht probiert?), allerdings auch mit härteren Drogen, die man ihm zugesteckt haben sollte, genau wurde der Fall nie aufgeklärt. Benny hatte sich sexuell früh auf die maskuline Seite geschlagen und war durch Eifersuchts-Streitigkeiten und kleinere Schlägereien in die Akten geraten, weshalb er noch als Jugendlicher eine Bewährungsstrafe erhalten hatte. Es lag auch ein Bericht des ehemaligen Bewährungshelfers bei, aus dem hervorging, Benny sei ein umgänglicher, ja lustiger Geselle, allseits beliebt, neige allerdings zum Jähzorn und werde schnell rabiat. Man hatte ihn über längere Zeit betreut und habe einen positiven Einfluss seines um einige Jahre älteren Freundes, der wie er als Altenpfleger tätig war, festgestellt. Mit diesem älteren Freund war eindeutig der Tote in der Pension gemeint.

      Zoller setzte sich noch einmal hin und schaute den Polizeibericht genauer durch. Da war es. Beide hatten in Pflegediensten und Kliniken festangestellt und teilweise zur Aushilfe gearbeitet und konnten theoretisch und praktisch an Digitoxin herankommen. Zoller rollte mit seinem Schreibtischstuhl einen Meter nach hinten, so dass er Blickkontakt mit dem Nebenzimmer hatte.

      „Schneider, versuchen Sie, möglichst viel über den Notar herauszufinden, er war schließlich der Letzte, der ihn lebend gesehen hat.“

      Schneider grunzte zustimmend.

      „Wenn Wanzke kommt, kann er Ihnen ja helfen. Ich bin in der Pension, dann beim Notar.“ Zoller griff sein Jackett vom Stuhl und prüfte, ob er sein Handy einstecken hatte, blickte zum Fenster in den Hof und freute sich auf das herrliche Wetter, in das er bald treten würde und auf die Dame in der Pension, die ihn so an Eva erinnerte.

      Hätte er ausschließlich die Pension zum Ziele gehabt, wäre seine Wahl auf den Bus gefallen, doch von Kreuzberg in die Bismarckstrasse am Kleinen Wannsee wäre mit den Öffentlichen sehr zeitaufwändig und so nahm er lieber in Kauf, im Auto zu schwitzen und an den tausend Ampeln auf dem Weg zu kuppeln und schalten, denn die leeren Kassen Berlins erlaubten keine Automatikgetriebe und dass sein Wagen als einziger ein Schiebedach besaß, hatte man einem außergewöhnlichen, unerforschlichen Zufall zu verdanken.

      Als er die Rezeption erreichte, war sie verlassen. Er schlug spielerisch mit der flachen Hand auf die Tischklingel, wie er es oft in Filmen, besonders in Western gesehen hatte. Das ‚Bimm’ verhallte ungehört. Er schaute in das jetzt taghelle Frühstückszimmer und sein Blick blieb sekundenlang auf der roten Sitzgarnitur haften. Woher kamen nur die Herzklopfen, die er plötzlich verspürte? Die Türe hinter der Rezeption war geschlossen. Er ging darauf zu und klopfte an. Nichts.

      Dann vernahm er ein Schnaufen. Es kam vom Gang, der hinter der Rezeption zu den Zimmern führte, deren eines versiegelt war. Das Schnaufen kam näher und er erblickte eine dickliche, blonde Frau mit wirren Haaren und in weißem Kittel. „Ach Jottchen, keener da? Warten se, die Olga muss gleich kommen. Wenn se sich een Augenblick jedulden würden, ick schau mal nach, wo se steckt, se kann nur drüben im Trakt sein.“ Sie rauschte an ihm vorbei. „Moment bitte, gnädige Frau!“, stoppte Zoller sie. Sie blieb stehen und lächelte ihn an: „Det hat aber lange keiner nich mehr zu mir gesagt, ick wusste doch gleich, se sind ein Mann von Welt!“ Ursula wand sich förmlich vor Freude über die Anrede.

      „Jedenfalls bin ich ein Mann der Polizei“ sagte Zoller und zeigte seinen Ausweis. „Sie müssen Ursula sein.“ Er entnahm das nicht nur den Daten von Wanzke, sondern auch diesem urtümlichen


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