Empty Souls. Lena Clostermann
werde euch beiden hier raushelfen, denn auf eigene Faust würdet ihr nicht weit kommen ...«
»Stopp!«
Mich erschreckt Avas plötzlicher Ausruf. Ich schaue sie an, und ihr Gesichtsausdruck ist von Wut verzerrt. Sie sieht aus, als wollte sie G40 am liebsten eine reinhauen.
»Moment mal. Ich bin seit einer verfluchten Ewigkeit hier drin, und Sie kommen nicht früher auf die Idee, mir irgendetwas zu erzählen?«
Ich schätze, so hat sie noch nie mit einem ihrer Ausbilder gesprochen, aber ich kann ihre Wut sehr gut nachempfinden.
Sie will eben noch einmal ansetzen, aber G40 kommt ihr zuvor. »Jetzt beruhig dich mal ganz schnell wieder. Nur meinetwegen lebst du überhaupt noch. Also, fahr – einen – Gang – runter«, sagt er beschwichtigend. Er betont jede Silbe einzeln, um klarzumachen, wer hier immer noch das Sagen hat.
»Ich meine ja nur – dieser tägliche Drill, und ...« Es klingt nun ruhiger, fast kläglich.
»Alles nur zu deinem Besten, glaub mir«, erwidert G40 besonnen.
Es scheint, als hätte Ava sich gezwungenermaßen wieder im Griff.
»Es gibt nur einen Weg für euch, um hier rauszukommen, nämlich den durch die unterirdischen Gänge. Von denen weiß so gut wie niemand was, nicht mal der höchste Oberste.«
»Und wohin genau führen die?«, frage ich.
»An die Waldgrenze.«
»Wieso hilfst du uns?« Ava spricht leise und doch mit so viel Energie in ihrer Stimme.
G40 dreht sich zu ihr. »Ich habe meine persönlichen Gründe, doch du musst eines wissen. Dort draußen kennt man dich. Der Oberste hat dich mit deinen Leistungen und deinem Ruf dafür missbraucht, die Rebellen zu bedrohen. Du musst aufpassen, denn viele da draußen wollen dich tot sehen.«
Ich weiß genau, wovon er spricht. Wir wollten sie auch tot sehen, weil sie die Einheit symbolisiert und als sehr gefährlich dargestellt wird. Tatsächlich aber war das eine einzige gigantische Lüge, mit der der Oberste lediglich die Rebellen aufhetzen wollte. Ein Schauder fährt mir über den Rücken und ich frage mich unweigerlich, wem man in dieser Welt noch vertrauen oder wem man glauben kann. Ich schiele kurz hinüber zu Ava und sehe, wie angespannt sie ist.
»Uns läuft die Zeit davon. Ihr werdet heute Nacht schon aufbrechen, weil ich nicht weiß, wie lange ich euch noch decken kann. Gerade wegen der Prüfungen wird es hier viel Wirbel geben. Wir treffen uns um Punkt zwei Uhr vor eurer Schlafhalle.«
»Du führst uns zu den unterirdischen Gängen?«, frage ich, nur um sicherzugehen.
»Ja. Seid pünktlich, sonst überleg ich es mir vielleicht noch anders.«
Nun sehe ich G40 zum ersten Mal lächeln.
»Kommst du mit uns?«, frage ich voller Hoffnung.
»Nein, ich bleibe. Vielleicht kann ich hier noch anderen helfen.«
Ich habe das Gefühl, seine ehrlichen Absichten aus seiner Stimme herauszuhören. Ich finde es bewundernswert.
»Aber wird man dir nicht die Schuld geben?« Ava klingt nervös.
»Macht euch um mich keine Sorgen.« G40 macht Anstalten aufzustehen.
»Wie heißt du?«, fragt Ava noch.
»Markes Taylor.« Damit geht G40 zur Tür und lässt uns allein.
Avas Hand liegt in meiner. Ich hatte es erst gar nicht bemerkt. »Heute Nacht werden wir diese verdammte Anstalt verlassen«, flüstere ich in die Stille hinein, und sie drückt meine Hand leicht. Ich sehe ihr an, dass sie das, was sie gerade alles über ihren Ausbilder erfahren hat, noch nicht ganz verdaut hat. Sie dreht ihr Gesicht zu mir und unsere Blicke verschmelzen miteinander.
»Lass uns endlich von hier verschwinden, mein befreiter Schützling.«
Sie zwinkert mir zu, und ich muss mein lautes Lachen dämpfen, damit es keiner hört.
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