Der Fehdebrief. Guido Schroeder
nur schleppend voran, und die Monate verstrichen, während Stephan keine andere Aufgabe mehr hatte, als den Tunnel mit den anderen fertig zu stellen.
Im Abstand von mehreren Wochen kam es dann immer wieder zu Tagen, an denen Lucas wie ein kleines Häufchen Elend in sich gekehrt, zwei bis drei Tage kaum arbeiten konnte und es dann langsam wieder aufwärts ging mit ihm.
Dass Stephan eines Tages Arnulf dabei beobachtete, wie er seinen Freund Lucas unter einem fadenscheinigen Befehl in seine Kemenate lockte und niemand davon Notiz nahm, ließ ihn vor Wut fast zerbersten. Anschließend hatte Lucas wieder zwei Tage lang diesen Gesichts-ausdruck, frische Verletzungen und sprach kein Wort mehr.
Es war bereits wieder Sommer, und der Bau des Tunnels war so gut wie abgeschlossen. Sein erster Ansprechpartner, Wulf, konnte Stephan in diesem Fall nicht helfen. Er schien zwar angewidert, wütend und versprach sich bei Zeiten der Sache anzunehmen, doch seien der Bau des Tunnels und die Beschaffung geeigneter Verteidigungs-gerätschaften derzeit wichtiger. Zwar sei Walram von Jülich beschwichtigt worden, doch sei dem Frieden nicht wirklich zu trauen. Arnulf sei ein wichtiges Rad im Getriebe, er sei der Einzige, der die Armbrüste beschaffen könne, und die Versorgung mit Nahrung obliege ebenfalls ihm. Er habe bereits damit begonnen, die Versorgung der Burg zu verbessern, auch schon im Hinblick auf den Fall einer Belagerung. Wulf könne leider nicht jeden vor Arnulf beschützen, er sei froh, dass er es bei Stephan geschafft habe. Das alles leuchtete Stephan ein, doch abfinden konnte er sich damit nicht. Er wartete ab, bis Lucas einen guten Tag hatte, passte eine Pause ab, in der sie ungestört ihr Essen zu sich nahmen und sagte dann: „Ich weiß, was Arnulf dir antut – ich habe es auch hinter mir.“ Lucas starrte ihn mit großen Augen an, wurde dann knallrot und wollte weglaufen. Doch damit hatte Stephan gerechnet, hielt in fest und zischte: „Lass uns den Mistkerl ein für alle Mal beseitigen!“ Lucas brach in Tränen aus und stammelte, was er bloß machen solle. Sein Vater dürfe das auf keinen Fall erfahren. Er würde Arnulf sofort erwürgen und dann dafür hängen.
„Nichts Überhastetes“, erklärte Stephan, „wir müssen mit Weitsicht an die Sache herangehen. Und wir brauchen Hilfe. Arnulfs Wissen um die Belange der Burg darf auf keinen Fall verloren gehen. Ich habe bereits einen Plan, wie wir Arnulf beim Burgherrn in Ungnade fallen lassen können. Allerdings muss ich dazu wieder meine gewohnten Arbeiten verrichten. Wenn der geheime Burgzugang in den nächsten Wochen fertig ist, können wir beginnen. Vielleicht kann ich Wulf dazu bewegen, dir zu helfen, so wie er es bei mir gemacht hat. Hältst Du solange durch?“ Lucas fiel Stephan weinend in die Arme, und Stephan tröstete seinen Leidensgenossen.
Die Fertigstellung des Tunnels dauerte dann doch noch bis Herbst. In der Zeit musste Lucas noch zweimal das Martyrium über sich ergehen lassen. Stephan weihte seine andere Vertrauensperson, Magdalena, in seinen Plan ein. Ihr vertraute er mittlerweile mehr als sonst jemandem in der Burg. Auch wenn die Gelegenheiten, die sie gemeinsam verbrachten, selten waren, so waren die Gespräche doch stets intensiv und auf eine ganz besondere Weise intim. Magdalena arbeitete bei Irmgard in der Küche und hatte allerlei über Wurzeln, Pflanzen, Kräuter und ihre Wirkung gelernt. Der Plan konnte also bald in die Tat umgesetzt werden.
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