Die Sozialdemokratie. Karl Glanz
vielfach diese Meinung besteht, so hängt das nur damit zusammen, dass es der Sozialdemokratie als der stärksten und historisch ältesten sozialistischen Partei vielfach gelungen ist, sich als die einzige sozialistische Partei darzustellen.
Man hört oft und oft Leute sich furchtbar dagegen ereifern, dass die Sozialisten alles Vermögen zu gleichen Teilen unter alle Menschen verteilen wollen, und dass sie überhaupt alle Menschen gegen jedes Naturgesetz ganz und völlig gleich zu machen beabsichtigen. Den Sozialisten liegt aber nichts ferner, als eine Aufteilung der vor vorhandenen Geldvermögen zu irgendwie gearteten Teilen auch nur entfernt in Aussicht zu nehmen. Dieser ebenso kindische wie lächerliche Gedanke würde gar nicht verdienen, erwähnt zu werden, wenn man ihm, wie gesagt, in antisozialistischen Kreisen nicht immer noch hin und wieder begegnete.
In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall, so zum Beispiel besteht ja bei uns in Österreich neben der internationalen Sozialdemokratie auch die auf nationaler Grundlage fußende Freiheitliche Partei (FPÖ). Damit haben wir bereits das Verhältnis zwischen Sozialismus und Sozialdemokratie im Wesen festgestellt. Die beiden Begriffe decken sich nicht: Jeder Sozialdemokrat ist wohl Sozialist, man kann aber Sozialist sein, ohne die Art und Weise der sozialdemokratischen Begründung des Sozialismus und ohne dem der marxistischen Theorie entspringenden Internationalismus für richtig zu halten. Wahrend früher alle Parteien, bürgerliche wie sozialistische, darin einig waren, dass die Sozialisierung höchstens einer ferneren Zukunft vorbehalten sei, ist die Frage heute akut geworden. Damit im Zusammenhang steht auch der heftige Kampf zwischen den verschiedenen Richtungen nicht nur im Sozialismus überhaupt, sondern auch in der Sozialdemokratie, der Kampf zwischen den Gemäßigten, welche die Verhältnisse als für die Einführung des Sozialismus noch nicht reif ansehen und den Radikalen, welche sofort an die "Expropriation der Expropriateure" schreiten möchten. Es ist bekannt, dass dieser Meinungsstreit geradezu zu einer Krise in der Sozialdemokratie geführt hat. Während sich die sozialdemokratische Linke und die wegen ihres Hyperradikalismus außerhalb der sozialdemkratischen Parteien Stehenden, mögen sie sich nun Spartakisten, wie im ehemaligen Deutschen Reich, oder Kommunisten wie bei uns nennen, von einer langsamen Entwicklung im Sinne des Sozialismus nichts wissen wollen, fassen die Gemäßigten die von Karl Marx und Friedrich Engels, den theoretischen Begründern der Sozialdemokratie, aufgestellten Lehren so auf, dass der Sozialismus nicht im Wege einer plötzlichen Revolution und auch nicht im Wege einfacher Dekrete, sondern nur in einer langsamen Entwicklung kommen kann und kommen wird. Es ist einzusehen, dass die Gemäßigten, oder wie sie sich im Deutschen Reiche nannten, Revisionisten, auch in nationaler Beziehung auf einem weniger intransigenten Standpunkt stehen als die Radikalen, die über alle historisch gewordenen und durch die nationalen Verschiedenheiten erklärlichen Unterschiede hinweg eine Schablonisierung der Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse anstreben. Im Deutschen Reich schien die Entwicklung dahin zu gehen, dass sich Gemäßigte und Radikale dauernd scheiden. In Österreich ist die Entwicklung heute allerdings noch nicht so weit, wird aber wohl auch dahin kommen müssen. Nicht zuletzt ist es der nationale Gedanke, der es auf die Dauer unmöglich machen wird, dass der Großteil der österreichischen Arbeiterschaft ihren Volksfremden Führern Folge leistet.
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Die SPÖ ist im Sturzflug. Bei der letzten Nationalratswahl fand am 15. Oktober 2017 statt. Stimmenstärkste Partei wurde die ÖVP unter Sebastian Kurz mit 31,5 Prozent (Zuwachs von 7,5 Prozentpunkten). Die SPÖ mit Bundeskanzler Christian Kern gewann einige Hundertstelprozentpunkte im Vergleich zu ihrem historisch schlechtesten Ergebnis bei der Wahl 2013, und lag mit 26,9 Prozent auf dem zweiten Platz. Mit 26,0 Prozent erreichte die FPÖ das zweitbeste Ergebnis der Parteigeschichte und den dritten Platz. Alle drei traditionellen Parlamentsparteien gewannen somit gleichzeitig Stimmanteile, ein Novum in der Geschichte der Zweiten Republik. Zum Debakel wurde die Wahl hingegen für die Grünen, die von ihrem historisch besten Ergebnis auf 3,8 Prozent abstürzten und aus dem Nationalrat, dem sie seit 1986 ohne Unterbrechung angehört hatten, ausschieden. NEOS verbesserte sich im Vergleich zu 2013 um einige Zehntelprozentpunkte, gewann ein Mandat hinzu und wurde viertstärkste Kraft. Die Liste Peter Pilz des ehemaligen Bundessprechers der Grünen schaffte mit 4,4 Prozent den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde. Das Team Stronach trat zur Wahl nicht mehr an. Von den übrigen Parteien erreichte keine ein Ergebnis über 1 . Prozent.
Bei der Nationalratswahl 2013 verloren die beiden Parteien der regierenden Großen Koalition, SPÖ und ÖVP, an Stimmen und erzielten ihr bislang jeweils schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Zweiten Republik. Sie blieben jedoch stärkste und zweitstärkste Kraft und konnten ihr Regierungsbündnis fortsetzen, zunächst mit Bundeskanzler Werner Faymann in der Bundesregierung Faymann II, nach dessen Rücktritt im Mai 2016 mit Christian Kern als dessen Nachfolger im Bundeskanzleramt und auch als SPÖ-Parteiobmann in der Bundesregierung Christian Kern. Die FPÖ und die Grünen gewannen Sitze hinzu; die NEOS und das Team Stronach konnten erstmals die Vierprozenthürde überwinden. Das BZÖ schied mit 3,5 Prozent der Stimmen aus dem Nationalrat aus.
Die Wahlbeteiligung steigerte sich im Jahr 2017 von 74,9 Prozent auf 80,0 Prozent, mit über 5 Millionen gültigen Stimmen stellte die Wahl einen neuen Rekord an absoluten Stimmen auf. Insgesamt wurden fünf Parteien in den Nationalrat gewählt.
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Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) ist eine der ältesten bestehenden Parteien Österreichs und eine der beiden traditionellen Großparteien des Landes. Gegründet 1889 in Hainfeld, Niederösterreich, am 30. Dezember 1888 – 1. Jänner 1889, als Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), hieß sie 1918 bis 1934 Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAPDÖ). Während des Austrofaschismus und der NS-Diktatur war sie verboten. Von 1945 bis 1991 lautete der Parteiname Sozialistische Partei Österreichs.
Die SPÖ stellte ab 1945 in 16 von 29 Bundesregierungen den Bundeskanzler und sechs von neun Bundespräsidenten der Zweiten Republik waren SPÖ-Mitglieder oder wurden beim Erstantritt von der Partei unterstützt (zuletzt Heinz Fischer 2004–2016). Weiters stellt sie drei der insgesamt neun Landeshauptleute (Wien, Burgenland und Kärnten).
"Die Arbeiter kommen nicht mehr zur SPÖ zurück." Das kann man jetzt immer wieder hören, meist von Soziologen und Politologen, aber auch von Ex-SPÖ-Vorsitzenden. Laut traut sich das fast niemand zu sagen, denn die SPÖ gilt immer noch als die Arbeiterpartei schlechthin. Was allerdings nicht mehr stimmt: Bei der letzten Wahl im Oktober 2017 wählten jene Arbeiter, die zur Wahl gingen, mit ganzen 19 Prozent die SPÖ. 2013 waren es noch 24 Prozent gewesen, auch nicht mehr viel. Die FPÖ jedoch kam 2017 auf einen Anteil von 58 (!) Prozent im Wählerreservoir "Arbeiter". Die Arbeiter sind der SPÖ abhanden gekommen. Der Rechtsruck der SPÖ ist nicht unbemerkt geblieben, auch die Koalition mit der FPÖ hat ihr nicht gut getan. Und dann noch die langen Jahre der Großen Koalition! Da werden sich einige Wähler gefragt haben, was hat eine Arbeiterpartei mit der Unternehmerpartei gemeinsam?
Dass die SPÖ im Herbst 2017 nicht mehr verloren hat und auf rund 27 Prozent kam, liegt an den Stimmen, die sie hauptsächlich von den Grünen "geerbt" hat, das sind gebildete, städtische Wähler. Im Oktober 2017 verlor die SPÖ zwar Platz eins an die ÖVP, konnte ihren Stimmenanteil jedoch halten; ja, mit 26,9 Prozent baute sie die 26,8 Prozent von der Nationalratswahl 2013 genau genommen sogar leicht aus.
Zugelegt hat die SPÖ von 2013 auf 2017 in Städten über 100.000 Einwohnern (2013 auf 2017: von 29,3 auf 32,9 Prozent); unter Selbstständigen (!) von rund fünf Prozent auf 14 Prozent und bei Akademikern von neun auf satte 31 Prozent. Mit einem Wort: Die SPÖ ist derzeit eine Partei von und für Pensionisten (die größte Wählergruppe) und urbane, liberale Gebildete. Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist geradezu die Verkörperung dieser letzten Gruppe: Akademikerin, Ärztin im öffentlichen Dienst, Erfahrung im Ausland. Die Arbeiter sind, wie gesagt, bei der FPÖ (oder als Nichtwähler) im Frustwinkel. Eine ganze Reihe jüngerer Arbeiter hat vermutlich noch nie SPÖ gewählt. Let's face it: Ein großer Teil der Arbeiter ist rechts. In der Arbeiterklasse sind autoritäre Typen, Fremdenfeinde und Skeptiker gegenüber emanzipierten Frauen stark vertreten. Und es gibt nicht mehr so viele Arbeiter: neun Prozent. Viele dürfen gar nicht wählen,