Sophie. Roos Ouwehand
wie es ist.
Elly lacht kurz.
ELLY Weil du ein richtig konservatives
Wesen bist. Wie alle Kinder.
SOPHIE Ich bin kein Kind.
ELLY Was bist du dann?
Sophie zuckt mit den Schultern.
SOPHIE Eine Zwischenstufe.
ELLY Aha.
Es ist einen Augenblick still.
SOPHIE Ich weiß gar nicht, was
„konservativ“ bedeutet.
ELLY Wenn man alles festhalten und
bewahren will, wie es ist. Denk
an konservieren. Oder an Konserve.
Das ist ein altes Wort für
Dose. Die kann man eine
Ewigkeit aufheben.
SOPHIE Sachen aus der Dose sind eklig.
ELLY Genau. Und auch nicht so gesund.
Man kauft besser frische Produkte.
Und wirft das alte Zeug weg.
In der Politik gibt es
progressive Parteien, die wollen,
dass sich Dinge ändern, und
konservative, die denken, es sei
besser, alles so zu lassen,
wie es ist. Aber das funktioniert nicht.
Veränderung gehört dazu. Gehört zum
Leben.
Es ist einen Augenblick still.
SOPHIE Okay. Dann will ich auch was
ändern.
ELLY Ach ja?
SOPHIE Ja. Meinen Namen.
ELLY Aha?
SOPHIE Ich finde „Sophie“ öde.
ELLY Warum um alles in der Welt ist
Sophie öde?
SOPHIE Klingt uncool. Altmodisch.
ELLY Wie willst du dann heißen?
SOPHIE Naja … Katy. Oder Pink.
ELLY Pink?!
SOPHIE Ja. Das ist doch viel besser.
ELLY Hm.
Kurze Stille
ELLY Habe ich dir eigentlich schon mal
erzählt, warum wir dich Sophie genannt
haben?
Sophie schüttelt den Kopf.
ELLY Dein Vater und ich waren in Paris. Wir
wussten gerade ein paar Wochen, dass ich
schwanger war und wir waren ... ach, wir
waren so froh. So unglaublich
glücklich. Wir saßen in einem verrauchten
Pariser Café, ein gut aussehender Mann
spielte Klavier und um uns herum viele
trinkende Leute.
SOPHIE Wenn man schwanger ist, soll man doch
nicht im Rauch sitzen?
ELLY Stimmt. Zum Glück bist du ja trotzdem
ziemlich gut geraten.
SOPHIE Und dann?
ELLY An einem großen runden Tisch
stand eine Gruppe von befreundeten Leuten. Sie
versuchten, eine von ihnen,
ein rundliches Mädchen mit wunderschönen
dunklen Locken zum Singen zu überreden.
Und dieses Mädchen
hieß Sophie. Ah, s’il te plaît
Sophie! Une chanson! Pour moi! Pour
nous! Aber Sophie war sehr
schüchtern. Schließlich ließ sie sich
überreden und ihre Freunde
hoben sie hoch ... Da stand sie
auf dem Tisch – sie war sehr
klein, das weiß ich noch, und sie schwitzte ein
bisschen und zupfte die ganze Zeit nervös
ihr Kleid nach unten.
Dann fing sie an zu singen ... Durch ihre Scham
und Angst hindurch. Eine
Arie. Das war so wunderbar. So
beindruckend. Sie erschien plötzlich
doppelt so groß. Dann war das Lied
zu Ende.
Und sie wollte so schnell wie möglich
zurück an ihren Tisch, zwischen ihre
Freunde, in Sicherheit. Dann fing der ganze
Zirkus wieder von vorne an, das Überreden,
ah, s’il te plait, encore une fois!
Sophie! Hochheben, rot werden, sich
überwinden und singen. Sie sang die Sterne vom Himmel.
Es ist einen Augenblick still.
ELLY Wir blieben die ganze Nacht
dort sitzen. Auf dem Heimweg
haben wir beschlossen, dich
„Sophie“ zu nennen.
SOPHIE Ich habe meinen Namen also von einer dicken,
schwitzenden Opernsängerin?
ELLY Ja. Von einer sehr tapferen, schwitzenden
Opernsängerin.
Es ist einen Augenblick still.
SOPHIE Wann kommt Papa zurück?
ELLY Übermorgen. Denke ich.
SOPHIE Was ist?
ELLY Nichts.
Kurze Stille
ELLY Kaum zu glauben, es ist
dreizehn Jahre her ist, dass wir
in dieser Bar in Paris saßen.
Manchmal macht es mich ganz verrückt, wie schnell
alles geht. Wie das Leben
vorbeirast. Ein langer,
vorbeirasender Güterzug.
SOPHIE