Lockenkopf 1. Ursula Essling

Lockenkopf 1 - Ursula Essling


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denn im Treppenhaus war es auch dunkel. Aber sie schlug sofort die Hände zusammen und rief: „Weißt Du, wie spät es ist? Was fällt Dir ein, einem solche Sorgen zu machen? Ich habe Dich im ganzen Ort gesucht, war sogar bei Frau Wolf. Kind! Na, Gott sei Dank bist Du jetzt da!“ Sie zog mich in die Küche. Und da sah sie mich in meiner abenteuerlichen Aufmachung. Daraufhin setzte Mama sich erst mal hin.

      Meinen Vater konnte ich nirgends entdecken. Er reparierte wohl irgendwo die Wasserleitung. Ich habe geschluchzt, mich auf Mamas Schoß geflüchtet und ihr alles gestanden. Ganz ohne zu schwindeln, habe ich ihr erzählt, wie alles passiert ist. Sie wurde ganz weich und hat kein bisschen mehr geschimpft. Dann hat sie mir Reisbrei aufgewärmt. Beim Essen wurde mir wieder besser zumute und ich habe Mama versprochen, dass ich so was nie wieder machen würde. Ich weiß ja, wir sind knapp mit Geld, weil wir doch ausgebombt sind. Ich nahm mir wirklich ganz fest vor, besser auf meine Sachen aufzupassen. Ganz bestimmt wollte ich Mama keinen Kummer mehr machen.

       Sprüche für den Nikolaus

      Bei uns wird Nikolaus bei manchen Leuten am fünften und bei anderen am sechsten Dezember gefeiert. Wir haben immer am Sechsten. Aber, da zu anderen Leuten der Mann mit der Rute schon am Fünften kommt, kann man ihm möglicherweise im Ort begegnen. Paul ist auch nicht immer so brav gewesen und der Nikolaus sieht alles. Also sind Paul und ich am fünften Dezember nachmittags ins Baumhaus geklettert. Paul hat Brot und Wurst aus der Küche mitgenommen und wir haben abgewartet. Obwohl wir uns in eine Decke wickelten, haben wir nach einer Weile ganz schön gefroren. Und dunkel war's. Wir haben uns umgesehen, ob der Nikolaus irgendwo zu sehen sei.

      Da kam jemand aus dem Wäldchen. Wir sahen einen Schatten, der gleich darauf bei Wolfs klopfte. Wir renkten uns die Hälse aus. Es konnte nicht der Nikolaus sein, der Schatten trug nämlich keinen Sack. Allerdings dauerte unsere Erleichterung nicht lange. Der Schatten kam nämlich mit einem zweiten Schatten zu unserem Baumhaus und wir hörten Frau Wolf und meine Mutter gleichzeitig nach uns rufen. Wir mussten runter.

      Paul ging mit seiner Mutter und ich mit meiner heim. Mama sagte überhaupt nichts. Ich fing an, irgendetwas zu erzählen, aber sie schwieg eisern. „Mit Dir spreche ich nicht, Du treibst Dich noch bei Dunkelheit herum!“ Auweia, hätte ich mich doch nur nicht vor dem Nikolaus versteckt. Das war schlimmer. Ich musste ohne Essen ins Bett. Ich konnte lange nicht einschlafen; denn am nächsten Tag war ja noch mal Nikolaus.

      Und er kam, fürchterlich polternd, mit Sack und Rute. Dass der weiße Bart aus Watte war, erkannte ich sofort. Auch sein Stimme kam mir merkwürdig bekannt vor. Aber Vorsicht, man kann ja nie wissen!

      Erst kam Inge dran. Ich drängte mich auch gar nicht vor. Sie sagte ihren Vers sehr schön auf und bekam eine Tüte mit Plätzchen, einem Apfel und einer Apfelsine.

      „Und nun zu Dir“, sagte der Nikolaus. „Bist Du auch immer brav gewesen?“ Er holte ein großes Buch heraus und kniff die Augen zusammen. Genauso wie es mein Vater immer macht, wenn er vergessen hat, dass er seine Brille auf die Stirn geschoben hat. Das Buch sah aus wie Grimms Märchen, aus dem Mama mir manchmal abends im Bett vorliest. „Wollen mal sehen, was hier steht.“ Der Nikolaus blätterte ein bisschen rum und räusperte sich: „Ulrike Scholl ist oft ungezogen und hört nicht. Eieiei, was soll ich denn mit Dir machen, kleines Fräulein? Für solche Kinder habe ich meine Rute bei mir.“

      „Ich will mich ja bessern, Nikolaus!“ Ich ging schnell hinter meiner Mutter in Deckung.

      „Na, wenn das so ist und Du mir versprichst, in Zukunft besser zu hören, ... hast Du auch Dein Gedicht gelernt?“ Nachdem ich mich ordentlich hingestellt hatte, holperte ich meinen Vers herunter. Ich konnte ihn gut, aber jetzt war ich so aufgeregt, dass ich mich dauernd verhaspelte.

      Schließlich erkundigte sich der Nikolaus nach der Schule. „Kannst Du lesen, Ulrike?“ Was jetzt? Den Nikolaus darf man nicht belügen, der merkt das nämlich sofort. Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und sagte: „Mein Vater lässt mich immer alles auswendig lernen!“ Ich hörte mein Herz im Halse klopfen und schielte ein bisschen von unten herauf zum Nikolaus. Der war gar nicht böse. Nein, er drückte mir hastig ein Säckchen in die Hand und murmelte etwas davon, dass noch viele Kinder auf ihn warten würden.

      Draußen war er. Meine Mutter saß auf einem Stuhl und lachte so, wie ich das schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte. Als mein Vater kurz darauf heimkam, lachte er auch. Sogar Inge grinste. Soviel Heiterkeit verstand ich nicht. Ich war noch mal glimpflich davongekommen und hatte keinen Grund zum Lachen. Ich langte in meine Tüte und nahm mir ein Plätzchen. Die Plätzchen vom Nikolaus sahen genauso aus wie die, die meine Mutter gebacken hatte.

       O Isis und Osiris

      Inge und Angelika Wolf sind Erzengel mit langen weißen Nachthemden und einem goldenen Band um den Kopf, auf dem vorne ein Stern drauf ist. Zwischen beiden steht der Haupterzengel. Er hat eine goldene Krone auf dem Kopf und das ist Marlene Simoneit, die älteste Schwester von Gisi.

      Ich bin auch ein Engel und stehe auf der Seite bei den Hirten. Wir halten Kerzen in den Händen und sind furchtbar aufgeregt.

      Die ganze Kirche ist voll, weil Weihnachten und geheizt ist. Alle Leute gucken und wir kleinen Engel und Hirten, die nichts zu reden brauchen, aber heilig aussehen müssen, gucken zurück, wer alles da ist.

      Wir haben mit Herrn Krohn lange für das Krippenspiel geübt. Ich bin ganz stolz auf Inge, weil sie meine Schwester und ein Erzengel ist. Sie betont alles so schön, dass man wirklich glaubt, dass sie heilig ist. Auch Angelika ist gut. Ihre struwweligen Haare passen gut zu ihrer Rolle. Sie wirkt wie ein Rauschgoldengel aus Goldpapier. Lustig ist nur, dass Inges Stern immer rutscht. Deshalb muss sie ihn dauernd wieder hochschieben.

      Zuhause machen Inge und Angelika ja auch immer Theater oder sie sind Filmstars. Ich bin das Publikum und muss auf der Fensterbank sitzen. Da sind sie aber keine Engel, sondern Liebespaare und knien voreinander abwechselnd nieder. Dabei legen sie die Hand aufs Herz und schwören ewige Liebe. Am liebsten schaue ich zu, wenn sie „alte Ägypter“ sind. Inge setzt dann meine Teufelsmütze auf, die ich hasse. Ich habe sie schon so oft verlieren wollen, aber immer, wenn sie mir vom Kopf fällt, hebt sie jemand auf. So eine gute Qualität, so warm und doch so hässlich! Nur wenn Inge sie mit hochgeklappten Spitzen auf dem Kopf hat, gefällt sie mir. Dann nimmt sie noch eine Gardinenstange als Zepter und ist ein Pharao. Sie breiten die Arme aus, weil sie glauben, das sei dramatisch und rufen laut: „O Isis und Osiris!“

      Dann klatscht das Publikum, also ich. Ich klatsche auch immer aus ehrlichem Herzen, weil ich's so furchtbar komisch finde. Aber lachen darf ich nicht, weil das die Künstler kränken würde.

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