Meconomy. Markus Albers
und welche Ziele sie noch haben.
Die Liste an Gesprächspartnern ist beeindruckend: Start-ups, Entrepreneure, spannende Persönlichkeiten. Von brand-eins-Chefredakteurin Gabriele Fischer bis zum Vapiano-Gründer Mark Korzillius. Von Thorsten Becker, dem Chef der „Management Angels“ bis zu Parship-CEO Arndt Roller. Auch potenzielle Geldgeber sind dabei, wie Jens Müffelmann, der die Investitionen des Axel-Springer-Verlages in Technologieunternehmen koordiniert, oder Christian Nagel, Gründer und Partner des Venturecapital-Gesellschaft Earlybird.
Ich war – als Teilnehmer und Referent – auch dabei und durchaus beeindruckt von der Liste an prominenten Gesprächspartnern, die die eigentlich ja namenlosen Teilnehmer aufgestellt hatten, mehr aber noch vom sympathischen Feuer, mit dem sie die erfahrenen Unternehmer aushorchten. Hier wollte eine Gruppe junger Manager wirklich wissen, wie man sich selbstständig macht, wie man Ideen präsentiert und die Finanzierung aufstellt, was alles schiefgehen kann. Ich habe kräftig mitgeschrieben und würde die wichtigsten Erkenntnisse so zusammenfassen:
1) Meistens geht viel mehr schief, als man von außen mitbekommt. Ohne zu viel zu verraten, denn ich habe – wie alle Teilnehmer – den Referenten Vertraulichkeit zugesagt: Man ahnt gar nicht, wie dramatisch die Fehler, die Pannen und die Irrwege sind, die viele Gründer gemacht und durchgestanden haben. Bloß, weil sie heute erfolgreich dastehen, heißt das nicht, dass sie immer alles gewusst und alles richtig gemacht haben. Manchmal hatten sie auch einfach nur Pech. Aber den Journalisten erzählen sie natürlich immer nur die Erfolgsstorys.
2) Manchmal muss man seine eigene Idee loslassen, damit sie funktioniert. Mark Korzillius gehört nur noch ein kleiner Anteil an Vapiano, obwohl er allein die Idee für diese weltweit erfolgreiche Restaurantkette hatte. Er ist zufrieden, sein Konzept wachsen zu sehen, sagt er.
3) Manchmal muss man gegen alle Widerstände an seiner Idee festhalten, damit sie funktioniert. Wer Gabriele Fischer einmal aus den schwierigen Anfangszeiten von brand eins erzählen hört, fragt sich: Warum in aller Welt hat sie sich und dem Team das angetan? Weil am Ende ein großer Triumph steht? Sagt sich in der Rückschau leichter.
4) Vielleicht muss man sein Geschäftsmodell infrage stellen, um es am Leben zu erhalten. Im Madsack Media Lab wurden kürzlich die ersten Zeitungen erfunden, die ausschließlich User-generated-Content drucken, also Artikel von Laien. Journalisten schreiben dort gar nicht mehr. Madsack verdient sein Geld aber eigentlich ganz klassisch mit Zeitungen. Wahnsinn? Oder Mut gegen den Branchentrend? Ein bisschen von beidem wohl …
5) Im Grunde weiß keiner vorher, was funktionieren wird. Earlybird weiß nicht, welches der von ihnen finanzierten Start-ups es schaffen wird. Madsack weiß nicht, ob sich die Investition in Internetradio unter www.radio.de refinanziert. Parship weiß nicht, ob Menschen in der Finanzkrise noch 30 Euro im Monat für Dating ausgeben werden. Die Planer der Hamburger Hafencity wissen nicht, ob sie einen lebendigen Stadtteil schaffen oder eine tote Betonwüste ohne Charme. Der Trick ist, irgendwann mit dem Rechnen, Abwägen und Prognostizieren aufzuhören und mit dem Machen anzufangen. In die Zukunft schauen kann keiner. Sich was trauen eigentlich jeder.
In der Krise mag das schwerer erscheinen. Aber für viele ist genau dann der richtige Zeitpunkt – denn geht es der Wirtschaft schlecht, sind Ressourcen und Mieten günstig, Personal verfügbar und man kann sich in Ruhe aufstellen, um dann – wenn die Krise vorbei ist – richtig durchzustarten.
Machen Sie jetzt, was Sie lieben
„Es gibt heute keinen Grund mehr, Dinge zu tun, die man hasst“, sagt der junge amerikanische Unternehmer Gary Vaynerchuk, der die Leitung eines Weingroßhandels mit Millionenumsätzen aufgab, um seinen Traum zu verwirklichen: Er ist seit Kurzem der erfolgreichste Videoblogger zum Thema Wein, verbreitet seine Sendung täglich übers Internet und lehnt Angebote von TV-Sendern ab. Vaynerchuk wurde damit zu einer der Galionsfiguren der Meconomy: „Sie sollten sich fragen: Was will ich jeden Tag tun, bis ans Ende meines Lebens? Und dann müssen Sie genau das tun. Ich schwöre, dass Sie es monetarisieren können.“
Eine Botschaft, die ankommt in der Zielgruppe junger, gut ausgebildeter Arbeitnehmer, die einmal zu oft enttäuscht worden sind. Von Chefs, von Anlageberatern, von Politikern. Der Bankencrash hat uns Geld gekostet, die Wirtschaftskrise manchmal gar den Job. Wir sind flexibel, leistungsbereit, gut ausgebildet – doch das hilft uns in der Baisse wenig. Viele, die noch einen Job haben, erledigen ihn abgeklärt und ohne übertriebene Loyalität. Sie wissen, dass sie vielleicht schon mit dem nächsten Strategiewechsel der Geschäftsführung abgewickelt werden. Weil sie ihren Bossen nicht trauen, werden sie immer öfter lieber gleich ihr eigener Chef – sie machen sich selbstständig.
Die Zahl der Selbstständigen in freien Berufen steigt in Deutschland im Schnitt um fünf Prozent pro Jahr. Im Jahr 1992 gab es 514000, 2007 waren es bereits 954000. Allein zwischen 2006 und 2007 arbeiteten 7,6 Prozent mehr Menschen als Ärzte oder Apotheker, gab es 5,3 Prozent mehr Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, legten die technischen und naturwissenschaftlichen Berufe (wie Architekten, Ingenieure, Biologen) um sieben Prozent zu und die Kulturberufe (wie Journalisten, Schauspieler, Regisseure, Schriftsteller) um über sechs Prozent.
Vor allem die Kreative Klasse gewinnt immer mehr an Bedeutung: Laut Bundeswirtschaftsministerium wuchs die Kultur- und Kreativwirtschaft im Jahr 2008 gegen den allgemeinen Trend. Hierfür seien vor allem die kleinen Unternehmen verantwortlich gewesen. Sie steuert mit 2,6 Prozent einen größeren Anteil zum Bruttoinlandsprodukt bei als beispielsweise die chemische Industrie mit 2,1 Prozent.
Für diesen in Deutschland eigentlich ganz unüblichen Trend hin zu mehr Unternehmergeist, Mut und Eigenverantwortung, zu Ideen, Experimentierfreude – letztlich: zur Meconomy – gibt es strukturelle, technologische, psychologische und historische Gründe. Die wichtigsten wollen wir uns nun anhand der Kernthesen zweier prominenter Beobachter dieser Entwicklung kurz anschauen. Zunächst kommt der Kommunikationsexperte und Journalistikprofessor Jeff Jarvis zu Wort, danach ist der Unternehmer, Buchautor und Marketing-Guru Seth Godin dran.
Von Google lernen
Es spricht viel dafür, dass die Welt, wie wir sie kennen, sich gerade grundlegend wandelt. Dass bislang bewährte Geschäftsmodelle bröckeln. Dass hierarchische Strukturen von kollaborativen, netzwerk-artigen ersetzt werden. Dass Kommunikation in Unternehmen und in der Gesellschaft nicht mehr nur von oben nach unten funktioniert, dass aber der eine oder andere kosmetische Rückkanal auch nicht mehr ausreicht, sondern dass ein unordentliches Gewirr aus Sendern und Empfängern die alten Medien ersetzt. Dass Menschen sich nicht mehr als dumpf konsumierende Endverbraucher und Marketingziele sehen mögen, sondern dass sie Einfluss nehmen wollen auf Produkte, Innovationen, Gestalt und Funktion der uns umgebenden Dinge und Werkzeuge.
Ein besonders gnadenloser und hellsichtiger Analyst dieses Umbruchs ist Jeff Jarvis. Der 55-Jährige hat früher als Medienmanager gearbeitet und die bekannte US-Zeitschrift Entertainment Weekly erfunden. Dann entwickelte er eine Wissenswebsite und wurde Professor an einer Uni. Jarvis hält Vorträge über den Medienwandel, auf denen er den baldigen Tod der Tageszeitung verkündet, bloggt sehr erfolgreich und schreibt Bücher wie den Bestseller „Was würde Google tun?“.
In diesem beschreibt er, was passieren würde, wenn andere Branchen nach den Regeln des Suchmaschinen-Riesen operieren würden. Für Jarvis sind die oben beschriebenen Umbrüche auf einen knackigen Nenner zu bringen, den er – wenig bescheiden – „Jarvis’ erstes Gesetz“ nennt: „Gib den Menschen Kontrolle, und wir werden sie nutzen. Tue es nicht, und du wirst uns verlieren.“ Was bedeutet dies im Kontext der Meconomy?
Zunächst brauchen wir, was Jarvis „Googlejuice“ nennt: Wir müssen per Google (oder anderen Suchmaschinen) auffindbar sein. Mindestens unser Lebenslauf muss online sein, das Portfolio unserer bisherigen Arbeiten sowie unser Netzwerk aus Freunden und Kollegen. Und wir sollten nicht der fünfte oder zehnte Treffer sein, wenn man unseren Namen sucht. Der erste „Markus Albers“, den Sie googeln, bin ich – dafür habe ich gekämpft. Wie wir das erreichen? Indem wir uns verlinken, online, aber auch in der realen Welt: Je mehr Dinge/Produkte/Inhalte wir selbst produzieren und auf je mehr andere Produzenten wir hinweisen, desto mehr Links zeigen auf