Herzen der Nacht 2. Jill Korbman

Herzen der Nacht 2 - Jill Korbman


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      Ihr Lächeln war unwiderstehlich. Schnell zog ich sie an mich und küsste sie innig. Als ich spürte, wie sie so sanft und anschmiegsam in meinen Armen lag, hätte ich sie am liebsten über die Schulter geworfen und wieder in mein Bett gebracht. Aber es gab einige Dinge, die ich dringend zu erledigen hatte.

      Bevor ich nach oben zu meiner Familie ging, machte ich eine kleine Runde durch die Räumlichkeiten, welche der Öffentlichkeit zugänglich waren.

      Es fand gerade eine Führung statt. Unauffällig schloss ich mich der Touristengruppe an und hörte kurz zu, ob der neue Museumsführer, welchen wir eingestellt hatten, seine Arbeit auch korrekt machte.

      Heimlich beobachtete ich die Menschen, welche aufmerksam seinen Ausführungen lauschten. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus älteren Leuten, aber auch ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern, die andauend quengelten, war dabei.

      Ich atmete auf. Keiner der Besucher verhielt sich in irgendeiner Form auffällig, was vermuten ließ, dass kein getarnter Werwolf anwesend war. Diese Menschen hier waren in jeglicher Hinsicht ahnungslos.

      Sie hatten keine Kenntnis von den Auseinandersetzungen zwischen den Vampiren und unseren uralten Widersachern, den Wölfen. Sie mussten sich nicht mit dem Dunkelrat herumschlagen und auch keine sinnlosen und altmodischen Vampirgesetze befolgen. Und sie waren nicht dazu verdammt, viele Jahrhunderte lang ihr Dasein als Blutsauger zu fristen.

      Natürlich hatte das Leben, wie wir Vampire es führten, auch Vorteile. Wir waren schnell und stark und hatten nur wenige natürliche Feinde. Dennoch zählte dies nichts, wenn man in seiner Existenz keinen Sinn mehr sah.

      Dieses Gefühl kannte ich leider sehr gut. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit waren die Tage und Nächte für mich einfach so dahingeplätschert, ohne Höhen und ohne Tiefen. Mehrmals hatte ich damals den Gedanken gehegt, mein Leben - sofern man es überhaupt so nennen konnte - zu beenden. Einem Vampir boten sich dafür mehrere Möglichkeiten.

      Die sicherste Art war es wohl, einen Werwolf um seine Hilfe zu bitten. Aber das kam für mich aus persönlichen Gründen nicht in Frage. Es gab auch unter unseren Leuten einige, die solche Aufträge annahmen und sich gut dafür bezahlen ließen. Ich wusste von einer Handvoll Vampiren, die sich so ihren dringlichsten Wunsch, endlich in die ewige Dunkelheit abtauchen zu können, erfüllt hatten.

      Auch ich hatte mit diesem Gedanken gespielt, doch nun war ich froh, es nicht getan zu haben. Seit Ellie hier im Schloss aufgetaucht war, hatte sie mein Leben kräftig durcheinandergewirbelt.

      In ihrer Nähe fühlte ich mich auf einmal so unglaublich lebendig, meine Existenz hatte schlagartig wieder einen Sinn bekommen. Wir liebten uns, ein Dasein ohne sie war für mich inzwischen einfach unvorstellbar. Sie war alles für mich, sie war mein Licht in dunkler Nacht.

      Wenn ich auch nur an sie dachte, durchströmte mich sofort ein brennendes Gefühl, wie ich es nie vorher wahrgenommen hatte. Als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich sofort ihre außergewöhnliche Ausstrahlung gespürt, die für einen Menschen eigentlich untypisch war. Sie hatte mich angelächelt und in diesem Augenblick war es um mich geschehen gewesen.

      Gab es sie tatsächlich, die Liebe auf den ersten Blick? Vor jenem für mich schicksalhaften Moment hätte ich dies sicherlich verneint, aber nun war ich mir absolut sicher: Sie existierte wirklich.

      Vor dem Vorfall mit den Werwölfen war Ellie immer mit ihrer Freundin Paula, der Museumsführerin, zum Essen gegangen, diese hatte sich aber bedauerlicherweise noch nicht von dem Angriff erholt. Sie befand sich nun in einem Sanatorium in der Nähe der Küste.

      Die junge Frau hatte zwar keine körperlichen Schäden davongetragen, und die Erinnerung an den Zusammenstoß mit dem Rudel hatte Mirja aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Dennoch hatte sie offenbar unter so großem Stress gestanden, dass sie darunter unterbewusst noch immer litt und psychische Probleme entwickelt hatte.

      Ellie war sehr traurig über den ganzen Vorfall, weshalb ich es mir zur Aufgabe gemacht hatte, sie aufzumuntern. Sie musste raus aus dem Schloss, mal wieder unter Leute, das würde sie ein wenig ablenken. Ich nickte dem neuen Museumführer zu und wandte mich von der Besuchergruppe ab.

      Die Stufen, die zu den Gemächern meiner Familie führten, schienen einfach nicht enden zu wollen, weshalb ich die beiden letzten Absätze mit einem gewaltigen Satz überwand. In der nächsten Sekunde öffnete ich die Tür zu der Wohnung im obersten Geschoss des Gebäudes, zu welcher ausnahmslos die Familienmitglieder Zutritt hatten. Der beißende Geruch von Zigarren, der mir augenblicklich in die Nase stieg, verriet mir, dass Drake anwesend sein musste.

      Ich schritt über den antiken Teppich aus dem 17. Jahrhundert und bog dann nach rechts in die Küche ab, die bei uns ähnlich aussah wie bei den Menschen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass wir nicht nur einen Kühlschrank hatten, sondern gleich mehrere. Die großen, silberglänzenden Geräte waren alle nebeneinander an einer Wand aufgestellt und verfügten über eine gut sichtbare Temperaturanzeige.

      Ich öffnete einen von ihnen und ließ den Blick über die Reihen mit sorgsam geordneten Beuteln voller Blut schweifen. Vielleicht bildete ich es mir ja auch nur ein, aber ich war der Meinung, dass die Blutgruppe A am schmackhaftesten war, weshalb ich diese bevorzugte.

      Drake und Marcus saßen im Wohnzimmer am großen Tisch. Sie hatten eine Landkarte vor sich ausgebreitet und diskutierten aufgeregt.

      „Wo ist Mirja?“, erkundigte ich mich, ließ mich in einen der bequemen Sessel fallen und legte die Füße hoch.

      „Sie hat sich ein wenig hingelegt. Die letzte Nacht steckt ihr noch in den Knochen.“ Drake zog herzhaft an seiner Zigarre und blies den dichten Rauch in die Luft. „Wie uns allen.“

      Ich hustete laut. „Musst du das unbedingt hier drin machen?“

      Doch anstatt sich über meine Bemerkung künstlich aufzuregen oder mich anzufauchen - wie er es üblicherweise immer tat - bedachte mich Drake nur mit einem genervten Blick und wandte sich sofort wieder der Karte zu.

      Ich legte die Stirn in Falten. Die Tatsache, dass mein Cousin sich so ruhig verhielt, war bedenklich. Irgendetwas stimmte hier nicht.

      „Habt ihr noch etwas herausbekommen?“, wollte ich wissen.

      Marcus schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Sie sind einfach weg, unauffindbar.“

      „Sollten wir jetzt nicht bald einen Fortschritt in dieser Sache erzielen, dann ist es erforderlich, das Schloss zu schließen“, ergänzte Drake. „Am Ende müssen wir alle noch in einem dieser schrecklichen Schnellrestaurants arbeiten und totes, gebratenes Rindfleisch verkaufen, um unser Geld zu verdienen.“

      Dieser Gedanke war in der Tat nicht sehr verlockend, obwohl ich zugeben musste, dass ich Drake gerne einmal mit Schürze und Haube hinter der Theke stehend gesehen hätte, wie er gerade geschnittene Kartoffeln frittierte. Das Bild, das sich augenblicklich in meinem Kopf formte, ließ mich grinsen.

      „Findest du das etwa lustig, Colin?“ Drakes Reaktion amüsierte mich nur noch mehr.

      „Nein, natürlich nicht“, log ich, „ich habe nur gerade an etwas gedacht.“

      Ich lächelte still in mich hinein, nahm die Blutkonserve und durchbohrte mit einem Strohhalm den weichen Kunststoff. Zum Glück war das Blut gut gekühlt, dies nahm ihm ein wenig den unangenehmen Geschmack. Ansonsten hätte ich es wahrscheinlich umgehend wieder herausgespuckt.

      „Igitt! Wie ich es hasse, dieses Zeug zu mir nehmen zu müssen! Es ist einfach widerlich“, stieß ich hervor und verzog das Gesicht. Wie hatten die Vampire in früheren Zeiten nur warmes Blut direkt vom Wirt trinken können?

      Marcus blickte mich entgeistert an. „Also langsam glaube ich, dass bei dir irgendetwas schiefgelaufen ist. Bist du etwa gar kein richtiger Vampir?“, meinte er scherzend.

      „Bestimmt wurde er bei der Geburt vertauscht“, murmelte Drake mit dem Strohhalm zwischen den Lippen. „Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er lieber Ellies Blut trinken würde.“ Drake grinste übers ganze Gesicht.

      „Lass


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