DIE EISERNE FERSE. Jack London

DIE EISERNE FERSE - Jack London


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dass es seinen Mitverschworenen möglich war, seine Pläne fast ohne Verwirrung oder Aufschub ins Werk zu setzen. Nach der Hinrichtung Everhards begab seine Frau sich nach Wake Robin Lodge, einem kleinen Landsitz in den Sonoma-Bergen in Kalifornien.

      (2) Zweifellos spielt sie hier auf die Chicagoer Kommune an.

      (3) Bei aller Hochachtung vor Avis Everhard, muss doch erwähnt werden, dass ihn Mann nur einer der vielen fähigen Männer war, die den Plan für die zweite Revolution ausarbeiteten. Und wenn wir heute durch die Jahrhunderte zurückblicken, so können wir kaum mit absoluter Gewissheit sagen, ob die zweite Revolution, wenn Everhard am Leben geblieben, weniger unglücklich ausgefallen wäre.

      (4) Die zweite Revolution war wirklich international. Der Plan war ungeheuer - zu ungeheuer, als dass er im Geist eines einzelnen Menschen hätte entstehen können. Die Arbeiterschaft in allen Oligarchien der Welt war bereit, sich auf das Signal hin zu erheben. Deutschland, Italien, Frankreich und Australien waren Arbeiterländer - sozialistische Staaten. Sie waren bereit, die Revolution zu unterstützen. Sie taten es tapfer, und das war der Grund, dass, als die zweite Revolution ausbrach, auch sie von den vereinigten Oligarchien der Welt unterdrückt wurden, die die sozialistischen Regierungen dieser Länder durch oligarchische ersetzten.

      (5) John Cunnigham, der Vater Avis Everhards, war Professor an der Staatsuniversität zu Berkeley in Kalifornien. Sein Fach war die Naturwissenschaft; als schöpferischer Forscher machte er sich einen Namen. Seine Hauptwerke waren seine Studien über die Elektronen und seine monumentale Arbeit über »Die Identität von Stoff und Kraft«, in der er, über alle Spitzfindigkeit erhaben, für alle Zeit festlegte, dass die letzten Einheiten von Materie und Energie eines sind. Diese Idee war zwar schon früher von Sir Oliver Lodge und ändern Forschern auf dem Gebiete der Radioaktivität ausgesprochen, aber nicht bewiesen worden.

      (6) In jenen Tagen pflegten manche Menschen um Geld zu kämpfen. Sie fochten mit den Fäusten. Sobald der eine besinnungslos oder totgeschlagen war, erhielt der andere das ausgesetzte Geld.

      (7) Diese dunkle Andeutung bezieht sich auf einen blinden Neger-Musiker, der in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung die Welt im Sturm eroberte.

      (8) Friedrich Nietzsche, der tolle Philosoph des neunzehnten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung, der Lichtblitze der Wahrheit erfasste, aber im menschlichen Denken immer im Kreise ging, bis er sich schließlich in den Irrsinn hineindachte.

      (9) Ein bekannter Pädagoge vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung. Er war Rektor der Universität von Stanford, ein Wohltäter der Menschheit seiner Zeit.

      (10) Idealistischer Monist, der lange die Philosophen seiner Zeit dadurch in Aufregung versetzte, dass er die Existenz der Materie leugnete, dessen einfache Argumente aber schließlich widerlegt wurden, als die neuen empirischen Tatsachen der Wissenschaft philosophisch verallgemeinert wurden.

      (11) Das Große Erdbeben von 1906, das San Francisco zerstörte.

      (12) Dieses Bild ist den Gewohnheiten jener Zeit entnommen. Wenn in den wilden tierischen Kämpfen auf Tod und Leben ein Getroffener die Waffe senkte, war es dem Sieger überlassen, ihn zu erschlagen oder zu schonen.

      (13) In jener Zeit wurden viele Geistliche aus der Kirche ausgeschlossen, weil sie unannehmbare Lehren predigten. Namentlich geschah das, wenn ihre Predigten einen sozialistischen Einschlag hatten.

      (14) Die aus fremden Söldnern bestehende Leibgarde Ludwigs XVI., eines Königs von Frankreich, der von seinem Volke enthauptet wurde.

      Als die Gäste gegangen waren, warf mein Vater sich auf einen Sessel und brach in ein schallendes Gelächter aus. Seit dem Tode meiner Mutter hatte ich ihn noch nie so lachen hören.

      »Ich wette, Doktor Hammerfield ist noch nie in seinem Leben so aufgebracht gewesen«, meinte er dann. »Die Höflichkeit geistlicher Unterhaltung! Hast du es bemerkt, wie er sanft wie ein Lamm anfing - Everhard, meine ich -, und wie schnell er zum brüllenden Löwen wurde? Er hat einen glänzend geschulten Geist. Er hätte einen vorzüglichen Wissenschaftler abgegeben, wenn seine Energie in die Richtung gelenkt worden wäre.«

      Ich brauche kaum zu sagen, dass Ernst Everhard mich ungeheuer interessierte. Es war nicht allein das, was er gesagt, und wie er es gesagt hatte, sondern der Mann an sich. Nie war ich einem solchen Manne begegnet. Ich glaube, es kam daher, dass ich trotz meiner vierundzwanzig Jahre noch nicht verheiratet war. Er gefiel mir, das gestand ich selbst.

      Und mein Gefallen an ihm beruhte auf Dingen, die jenseits von Intellekt und Argument lagen. Ungeachtet seiner schwellenden Muskeln und seines Preisboxer-Halses machte er auf mich den Eindruck eines geistreichen jungen Mannes. Ich hatte das Gefühl, dass unter der Maske eines intelligenten Eisenfressers ein zarter, empfindsamer Geist lebte. Woher dies Gefühl kam, weiß ich nicht, aber es muss wohl meine weibliche Intuition gewesen sein.

      In dieser tönenden Stimme lag etwas, das mir zu Herzen ging. Sie klang mir noch in den Ohren, und ich fühlte, dass ich sie gern wiederhören und ebenso gern das Lachen in seinen Augen wieder sehen würde - dieses Lachen, das den leidenschaftlichen Ernst seines Antlitzes Lügen strafte.

      Und eine ganze Reihe wirrer, unbestimmter Gefühle regten sich in mir. Schon damals liebte ich ihn, wenn ich auch überzeugt bin, dass, hätte ich ihn nie wieder gesehen, diese unklaren Gefühle vergangen wären und ich ihn mit Leichtigkeit vergessen hätte.

      Aber ich sollte ihn wieder sehen. Das neu erwachte Interesse meines Vaters für Soziologie, die Gesellschaften, die er gab, war die Ursache. Mein Vater war nicht Soziologe. Seine Ehe mit meiner Mutter war sehr glücklich gewesen, und in den Forschungen, die er in seiner eigentlichen Wissenschaft, der Physik, anstellte, hatte er ebenfalls Glück gehabt. Als aber meine Mutter starb, konnte seine Arbeit nicht die entstandene Leere ausfüllen. Zuerst befasste er sich ein wenig mit Philosophie, dann ließ er sich, als das Interesse wach wurde, in das Studium der Nationalökonomie und der Soziologie hineintreiben. Er hatte einen starken Gerechtigkeitssinn und fasste bald eine wahre Leidenschaft, geschehenes Unrecht wiedergutzumachen. Diese Zeichen neuerwachten Lebensmutes nahm ich dankbar wahr, wenn ich mir auch nicht träumen ließ, was dabei herauskommen sollte. Mit der Leidenschaft eines Jünglings stürzte er sich in diese neuen Studien, unbekümmert, wohin sie ihn führten.

      Er war stets gewohnt gewesen, im Laboratorium zu arbeiten, und so wurde unser Esszimmer bald zu einem soziologischen Laboratorium. Hierher kamen zum Essen Männer aller Art und Klassen - Gelehrte, Politiker, Bankleute, Kaufleute, Professoren, Arbeiterführer, Sozialisten und Anarchisten. Er reizte sie zur Diskussion und analysierte ihre Gedanken über Leben und Gesellschaft.

      Ernst hatte er kurz vor dem »Pastoren-Abend« kennen gelernt. Und als die Gäste gegangen waren, erfuhr ich, wie er seine Bekanntschaft gemacht hatte. Beim Passieren einer Straße war er eines Abends stehen geblieben, um einem Mann zuzuhören, der auf einer Seifenkiste stand und zu einer Schar von Arbeitern redete. Der Mann auf der Kiste war Ernst. Aber er war kein gewöhnlicher Seifenkistenredner. Er stand in hohem Ansehen bei der sozialistischen Parteileitung, war einer der Führer, und zwar der anerkannte Führer in der sozialistischen Philosophie. Aber er hatte eine klare bestimmte Art, Schwerverständliches in einfachen Worten auszudrücken, er war der geborene Erklärer und Lehrer und verschmähte die Seifenkiste nicht als ein Mittel, den Arbeitern seine Parteilehren darzulegen.

      Mein Vater war stehen geblieben, um zuzuhören, hatte Interesse gefasst, ihn angeredet und ihn, nachdem die Bekanntschaft gemacht war, zum »Pastoren-Abend« eingeladen. Nach der Gesellschaft erzählte mir mein Vater das wenige, was er von ihm wusste. Er stammte aus der Arbeiterklasse, wenn er auch zu den Everhards gehörte, die schon vor mehr als zweihundert Jahren in Amerika ansässig gewesen waren (1). Im Alter von zehn Jahren musste er schon in der Mühle arbeiten, und später kam er in die Lehre und wurde Hufschmied. Er war Autodidakt, hatte sich selbst Deutsch und Französisch beigebracht, und fristete nun sein Leben durch das Übersetzen wissenschaftlicher und philosophischer Werke für einen schwer kämpfenden sozialistischen Verlag in Chicago. Seine Einnahmen wurden vermehrt durch das geringe Honorar, das seine eigenen volkswirtschaftlichen


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