Ehre und Macht. Julia Fromme

Ehre und Macht - Julia Fromme


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ein dunkler Bart seine Züge.

      „Ich habe Els schon viel von dir erzählt, Falk. Die Geschichte, als du wie ein unwissender Tor in den Sumpf geraten bist, will sie immer wieder hören.“ Jorge lachte dröhnend. Els lief rot an und senkte verschämt den Kopf. „Nun, Weib, lasse unsre Gäste nicht länger warten. Sie sind fast erfroren und haben bestimmt Hunger.“ Er hob seine Augenbrauen und sah Falk vielsagend an.

      Falk und Krystina folgten dem Wolfsjäger in das Innere seines Hauses. Eigentlich war es nur eine große Halle, in deren Mitte ein riesiger Herd eine wohlige Wärme verströmte. Material zum Heizen hatten sie hier wahrlich genug. Direkt vor dem Herd war ein großer Tisch, an dessen Seiten zwei lange Bänke standen. Vier Männer saßen nebeneinander auf der einen Seite, geradeso, als würden sie ungeduldig auf Jorges Rückkehr warten.

      „Meine Brüder Jos und Mattis kennst du ja“, sagte er zu Falk und wies mit der Hand auf die zwei, welche dem Feuer am nächsten saßen. „Und das sind meine Knechte Willem und Ancel“, fuhr er fort. Falk nickte den Männern freundlich zu und sie brummten einen schüchternen Gruß. „Setzt euch“, forderte Jorge seine Gäste auf. Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen. Sie rutschten auf die freie Bank, Krystina ganz nah an das Feuer heran. Kaum hatten sie sich niedergelassen, stellte Els zwei hölzerne Schüsseln vor sie hin, in denen ein dicker Brei dampfte. Krystinas Magen begann zu knurren. Sie konnte sich kaum beherrschen, nicht den Löffel zu fassen und den Brei gierig in sich hineinzuschaufeln. Stattdessen bedankte sie sich artig und wartete, dass auch die anderen etwas bekamen. Zu guter Letzt stellte die Hausherrin noch eine große Platte mit deftigen Stücken Fleisches in die Mitte des Tisches. Etwas umständlich ließ sich Jorge Falk gegenüber nieder. „Greift zu. An Nahrung mangelt es uns hier nicht“, forderte er seine Gäste auf. „Das Wild ging mir letzte Woche in die Falle.“ Nach einem kurzen Dankgebet nahm er sich einen gewaltigen Schlegel und begann mit großem Appetit das Fleisch mit seinen Zähnen herunterzuziehen.

      Kristina fasste den Löffel und kostete den Brei. Er schmeckte überraschend gut und war mit viel Honig gesüßt. Nachdem sie ihren ersten Hunger gestillt hatte, wandte sie sich ihrer Gastgeberin zu. „Wie kommt es, dass Ihr hier mitten im Wald wohnt?“, fragte sie die ältere Frau.

      „Nun, es mag Euch hier sehr einsam erscheinen. Aber dem ist gar nicht so. Denn es gibt außer den Tieren etliche Bewohner des Waldes.“ Sie lächelte. „Ich bin die Tochter eines Köhlers. Mein Vater hat seinen Meiler nur einen viertel Tagesmarsch von hier. Mein erster Mann, Gott habe ihn selig, ist vor drei Wintern bei der Holzabfuhr zu Tode gekommen. Er war ein freier Waldbauer aus Bockau. Nach seinem Tod bin ich zu meinem Vater zurückgegangen. Wir hatten keine Kinder und der Bruder meines Gemahls hat den Hof übernommen“, setzte sie etwas wehmütig hinzu.

      „Und Ihr seid die einzige Frau hier auf dem Hof?“, fragte Krystina erstaunt und Mitleid schwang in ihrer Stimme mit.

      „Nein, wir haben eine Magd. Aber Susica ist bei ihrer Schwester. Doch verzeiht mir, wenn ich Euch danach frage“, fuhr sie fort. „Wie kommt es, dass Ihr so kurz vor dem Winter hier über den Pass kommt? Es ist doch schrecklich beschwerlich und auch nicht ganz ungefährlich.“

      „Das hat dich nicht zu interessieren, Weib!“, fuhr sie der Wolfsjäger an.

      Erschrocken senkte Els den Blick. „Verzeiht, ich wollte nicht ungebührlich sein“, murmelte sie.

      „Natürlich, für Eure Gastfreundschaft schulde ich Euch wahrlich eine Erklärung“, antwortete Krystina und ignorierte Jorge vollkommen. Was mischte der sich in ein Gespräch, das sie mit seiner Frau führte? Sie warf Falk einen kurzen Blick zu.

      „Ja, ich glaube auch, dass wir euch eine Antwort auf eure Fragen schuldig sind“, kam dieser ihr zu Hilfe. Mit wenigen Worten schilderte er, dass er sich auf der Flucht vor den Schergen des böhmischen Gaugrafen von Louny befand. Doch erwähnte er nicht, dass Krystina erst seit kurzem seine Frau war und welche Rolle sie bei der ganzen Sache spielte. Sie war ihm dankbar dafür. So musste sie keine unbequemen Fragen beantworten.

      „Wir sind auf dem Weg nach Schellenberg. In der Mark Meißen hat Miro keinen Einfluss. Er glaubt uns wahrscheinlich auf dem Rübenauer Pass über Blatno.“ Falk grinste. „Doch, wie du dir bereits denken kannst, sind wir über Greselin, am Kranichsee vorbei. Wir wollen weiter nach Zvonica. Es sollen sich dort ja etliche Franken angesiedelt haben in den letzten Jahren. Vielleicht gelingt es uns, unterwegs zu einem Tross zu stoßen, der uns auf einem Karren mitnimmt.“ Er schaute kurz zu Krystina. „Mein Weib und, ehrlich gesagt, auch ich, sind des ständigen Laufens müde. Außerdem wird es Zeit, dass ich nach Hause komme und mich wieder einmal um meine Ländereien kümmere.“ Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

      „Nun, einen Karren kann ich euch leider nicht geben. Wir haben nur ein Grautier im Stall und ein Pferd, das wir zur Holzabfuhr brauchen.“

      „Holzabfuhr?“, fragte Falk erstaunt. „Ist die Wolfsjägerei nicht einträglich genug?“

      „Nun, es gibt Zeiten, da ist es ratsam, die Jagd zu reduzieren. Was habe ich davon, den Wolf auszurotten? Ich will mit seinem Pelz Geld verdienen. Also heißt es, Isegrim sich vermehren lassen.“ Jorge hob die Hände, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Im Winter und im Frühjahr schlagen wir Holz“, setzte er hinzu.

      „Nicht alle denken so“, antwortete Falk. „In den kaiserlichen Forsten um die Reichsstadt Chemnitz schonen die Jäger keinen der Wölfe. Sie hocken auf ihren Freigütern und lassen sich von den höfischen Beamten eine Menge Silber dafür zahlen, dass sie Pelze liefern.“

      Die Männer schwiegen eine Weile und schauten nachdenklich ins Feuer. Falk warf Krystina einen Blick zu und sah, dass sie sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte. Sie war blass und ihre Augen glänzten wieder fiebrig.

      „Könnt ihr uns Herberge für ein, zwei Nächte gewähren“, fragte er Jorge. „Mein Weib ist unterwegs krank geworden und bedarf ein wenig der Ruhe. Sobald ich in Schellenberg bin, werde ich dir eine Wagenladung mit Vorräten bringen lassen. Der Winter steht vor der Tür und ich glaube, ein paar Sack Mehl und einige Fässer Freiberger Gerstensaftes könnt ihr gut gebrauchen.“

      „Ihr seid meine Gäste, Falk. Dein Weib soll sich ausruhen, auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an. Els wird sich um sie kümmern. Und was dein Angebot anbelangt, ein Fass des meißnischen Bieres ist hier immer willkommen. Stimmt`s Männer?“, wandte er sich an die vier anderen. Sie grinsten breit.

      Die Knechte erhoben sich bald darauf und zogen sich mit einem kurzen Gruß zurück in eine Ecke der Halle, wo sie sich auf ihre Strohsäcke legten. Jorge füllte die Humpen noch einmal nach und prostete seinen Brüdern und Falk zu. Die beiden jüngeren Männer waren unterdessen auch etwas gesprächiger geworden und bald diskutierten die vier eifrig die Lage im deutschen Reich.

      Krystina fielen vor Erschöpfung langsam die Augen zu. Auch sie hatte dem dunklen Bier zugesprochen und die Anstrengungen der letzten Tage forderten ihren Tribut.

      „Kommt, Herrin“, sagte Els leise. „Ich zeige Euch, wo ihr Euch niederlegen könnt.“ Dankbar erhob sich Krystina und folgte der Frau, ohne den Blick bemerkend, den Falk ihr hinterherschickte. Eigentlich würde er sich auch lieber zurückziehen, aber die Höflichkeit gebot es, den Hausherrn entscheiden zu lassen, wann die Nachtruhe begann.

      Els führte Krystina in einen Verschlag am Ende der Halle. Ein dichter Vorhang hing vor dem Durchgang und schützte die Frauen so vor den Blicken der Männer. Auf einer Bettstatt lagen zwei Strohsäcke, die mit dicken Wolfspelzen bedeckt waren.

      „Ihr könnt hier schlafen. Es ist die Kammer von Jorges Brüdern. Doch sie schlafen heute Nacht in der Halle vor dem Feuer.“

      „Ich danke Euch, Els“, sagte Krystina mit vor Müdigkeit belegter Stimme.

      „Ich bringe Euch noch einen kleinen Trog mit Wasser, dann könnt Ihr Euch ein wenig waschen. Und die Tür hinten am Ende der Kammer führt nach draußen. Ihr wisst schon...“, sagte sie mit einem etwas verlegenen Lächeln.

      „Ich danke Euch nochmals. Es wäre wirklich himmlisch, etwas Wasser zu haben, ohne dabei an einem eiskalten


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