Eine Idee macht noch keinen Roman - Wie entwickle ich eine Geschichte?. Dennis Blesinger
nicht wirklich Bücher und Filme (und: Ja. Vom Winde verweht war zuerst ein Buch), die unter die Kategorie 'gute Laune' fallen. Aus sehr unterschiedlichen Gründen sind alle dennoch sehr bekannt und allen diesen Werken ist etwas gemein: Es handelt sich bei der Schilderung der Ereignisse immer um die mit Abstand wichtigste Phase im Leben der jeweiligen Hauptperson.
Also: Wenn es für die Hauptperson nicht weltbewegend ist, warum dann aufschreiben?
Um die ganze Sache mal ein wenig aufzulockern, hier mal ein Beispiel aus der neueren Geschichte und eher aus Popkultur und unter der Kategorie 'Actionthriller' zu verorten: Die Bourne-Reihe.
Für die, die es nicht wissen: Die ersten beiden Filme 'Die Bourne Identität' und 'Die Bourne Verschwörung' sind entstanden nach Romanen von Robert Ludlum. Der dritte Teil ist so frei, dass man nicht mehr von einer Verfilmung sprechen kann, vom vierten Teil wollen wir gar nicht erst reden, auch wenn der Film gut ist.
Die Geschichte erzählt, wie ein Profikiller im Dienste eines hoch illegalen CIA-Programmes aufgrund von traumatischen Ereignissen einen kompletten Gedächtnisverlust erleidet und nach und nach realisiert, was er im Namen seines Landes für Verbrechen begangen hat. Als ihm klar wird, dass er nicht mehr zurück kann, beginnt ein Katz und Mausspiel, das Jason Bourne schließlich dazu zwingt, sich, obwohl er gerne ein ruhiges Leben in Indien führen würde, intensiv mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Sehr zum Leidwesen aller Beteiligten.
Warum wird dieser Teil des Lebens von Jason Bourne erzählt?
Ganz einfach: Vorher und nachher sind völlig uninteressant. Wichtig und interessant am Leben des Charakters Jason Bourne ist für den Leser genau die Zeitspanne, die dargestellt wird.
Vorher mag auch interessant sein, aber jemandem dabei zuzugucken, wie sein Charakter gebrochen wird – und das über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg –, um dann als perfekte Tötungsmaschine zu funktionieren, ist jetzt nicht wirklich leicht an den Mann zu bringen, weil es schnell langweilig wird.
Vom Anfang des ersten Buches bis zum Ende des dritten Filmes geht es darum, wie Jason Bourne langsam begreift, was mit ihm angestellt worden ist, was er selbst angestellt hat, zu dem Schluss kommt, dass er ein Monster ist und diesen Umstand nun zu berichtigen gedenkt, soweit das überhaupt noch möglich ist.
In diesem Zeitraum geht es zur Sache. Da finden Ereignisse statt, die sein Leben auf den Kopf stellen und da kriegt der Leser etwas geboten, das außergewöhnlich ist. Er wird gejagt, er muss sich seiner Haut wehren, er muss, um zu überleben, Gegner töten, auch wenn er das eigentlich nicht will, er hat Selbstzweifel, die ihn an Selbstmord denken lassen usw.
Dass er es nach der ganzen Geschichte vielleicht endlich schafft, ein ruhiges Leben in Timbuktu oder Bad Oldesloe zu führen, ist eher uninteressant. Das ist am Ende eine schöne Sache für den Leser, wird aber eher am Rande zur Kenntnis genommen.
James Bond ausgiebig dabei zu beobachten, wie er im Büro sitzt und seinen Papierkram erledigt (was er mit Sicherheit auch macht), würde auch niemandem einfallen. Mr. Flemming hat sowas entsprechend auch nie aufgeschrieben und auf der Leinwand sieht man sowas auch nicht.
Selbiges gilt für Harry Potter. Was der Kerl in seinen Sommerferien anstellt, interessiert keinen Menschen. Diese Alltagsgeschichten wurden von Ms Rowling bewusst nicht erzählt, weil sie nicht außergewöhnlich sind. Nur die Teile, in denen es ordentlich kracht, wurden prosaisch festgehalten.
Natürlich braucht man einen gewissen Vor- und Nachlauf, was dieses weltbewegende Ereignis angeht, damit es nicht aus dem Zusammenhang heraus gerissen wirkt und man die Geschichte nicht völlig überfrachtet. Das nennt man dann Einleitung und Ausklang bzw. Finale, wobei 'Einleitung' nicht mit den oben angesprochenen ersten drei Seiten zu verwechseln ist. Mehr dazu aber später.
So ein Stück aus dem Leben eines oder mehrerer Menschen zu konstruieren, dauert ein wenig. Das liegt in der Natur der Sache. Selbst Genies wie Terry Pratchett, der in seiner Hochzeit im Schnitt 3-4 Romane in 2 Jahren produziert hat, kommen da irgendwann an ihre Grenzen.
Einen Roman von vorne bis hinten zu schreiben, dauert – zumindest, wenn man nebenher noch einen Beruf hat – normalerweise ungefähr ein Jahr. Das ist eine Zeitspanne, die einen schon gerne mal schnell ein wenig mutlos werden lässt. Schließlich haben wir nur ca. 80 davon.
Jetzt ist aber lustigerweise das eigentliche Schreiben des Romans meistens das, was am wenigsten Aufwand und Zeit erfordert, sofern man das Ganze richtig vorbereitet hat. Zumindest relativ gesehen.
Und genau da liegt ganz häufig der Hund begraben.
Viele angehende Autoren sind der Meinung, eine Idee im Kopf zu haben, reiche völlig aus, um eine Geschichte daraus zu fabrizieren.
Das ist nur bedingt richtig.
Es hilft ungemein, eine Idee zu haben, keine Frage. Bevor man diese Idee jedoch zu einem Roman, einem Drehbuch oder auch nur einer Kurzgeschichte entwickelt, muss man sich wirklich Gedanken darüber machen, was man denn da eigentlich genau erzählen will. Sonst wird das Vorhaben sehr schnell an seine Grenzen stoßen.
Schneller als man gucken kann, sitzt man nach 15 oder 23 Seiten da und weiß nicht genau, wie es weiter gehen soll, weil die Feinheiten der Geschichte immer noch recht nebulös im Kopf herumspuken. Das ist meistens der Punkt der oben angesprochenen Einleitung oder des ersten Kapitels. Häufig brechen angehende Autoren das Ganze dann letztendlich etwas frustriert ab oder schreiben einfach weiter, was dann aber sehr häufig dazu führt, dass der rote Faden, der am Anfang klar ersichtlich war, am Ende nur noch ein blassrosa Fussel ist.
Es gibt zugegebener weise Menschen, die das unglaubliche Talent haben, aus einer sehr vagen Idee oder mehrerer unzusammenhängender Ideen einen Roman zu schreiben, der Hand und Fuß hat. Douglas Adams war zum Beispiel so ein Mensch. Der Mann war in der Lage, aus 17 völlig abstrusen Einzelsituationen einen kompletten Roman zu schreiben. Und das, während er die Sachen geschrieben hat. Wenn man sich dann aber mal Keine Panik und Lachs im Zweifel durchliest, wird man jedoch schnell zu der Erkenntnis kommen, dass Douglas Adams nicht das war, was unter 'normal' zu verstehen ist. Jedenfalls nicht, was die Schreiberei angeht.
Ein eher unschönes Beispiel für so eine Herangehensweise ist der Film Mission Impossible II. Der Film ist laut Aussage von Tom Cruise um 6 Actionszenen herum gestrickt worden. Das merkt man leider auch. Die eigentliche Handlung ist nämlich eher unter der Rubrik 'Füllmaterial' zu verorten, was den gesamten Film ungefähr so spannend macht wie das durchschnittliche Frühstücksfernsehen. Das wiederholt sich auch alle halbe Stunde.
Normalerweise braucht es mehrere Dinge, bevor man sich daran macht, auch nur mit der ersten Seite eines Romans oder eines Drehbuchs anzufangen.
Strukturierung der Geschichte: Idee, Synopsis, Essay, Exposé und dann erst Roman
Bevor man anfängt, die Idee in Form eines Romans, eines Drehbuches oder auch nur einer Kurzgeschichte festzuhalten, muss die Geschichte in allen Einzelheiten vorhanden sein. Und zwar von A bis Z. Je detaillierter und ausführlicher, desto besser.
Das kriegt man sehr gut hin, indem man sie schlicht und ergreifend aufschreibt. Und zwar mehrmals.
1) Als Allererstes kommt eine Synopsis.
Diese extreme Kurzzusammenfassung sollte ungefähr fünf Sätze lang sein, maximal eine halbe Seite.
Hierbei handelt es sich nicht um den Klappentext, sondern das ist eher dazu da, um sich selbst klarzumachen, was das hier überhaupt werden soll. Das ist auf der einen Seite nicht weiter schwer, schließlich ist dies die Idee, die hinter dem noch nicht existierenden Buch steckt, andererseits kann das ganz schön anstrengend werden. Versuchen Sie einfach mal aus Spaß, Momo und die grauen Männer von Michael Ende oder Astrid Lindgrens Die Gebrüder Löwenherz in fünf normal langen Sätzen zusammenzufassen.
Die Synopsis hat darüber hinaus aber auch den Vorteil, dass man im Zweifelsfall eine kurze und knackige Antwort geben kann, wenn man gefragt wird, worum es denn in der Geschichte geht. Bei Verlagen