Vor dem Imperium. Martin Cordemann
hat es so lange gedauert, das neue Schiff zu bauen?“
„Das kann ich vielleicht erklären“, meinte DuValle. „Die Station lag, als wir da waren, auf der der Sonne abgewandten Seite. Wenn sie der Sonne zugewandt ist, herrschen dort 430 Grad Celsius. Ich nehme an, die Station war nur besetzt, wenn sie sich in der Dunkelheit befand.“
„Außerdem gibt es keinen Beweis dafür, dass das Schiff erst vor kurzem fertig geworden ist. Soweit wir wissen, können die schon seit einiger Zeit unterwegs sein. Nur, dass wir sie eben erst vor kurzem bemerkt haben.“ MacAllister seufzte. „Und trotzdem, irgendwas stört mich an der Sache.“
„Und was ist das?“
„Ich habe keine Ahnung. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, etwas passt nicht.“ Er hob die Schultern. „Belassen wir es für den Moment dabei. Ich hab noch was zu erledigen, bevor wir die Sonne erreichen.“
Als sie sich der Sonne weit genug genähert hatten, gab der Captain den Befehl, die Position zu halten. Majestätisch lag er vor ihnen, majestätisch und gewaltig, der Stern ihres Sonnensystems, die Quelle von Licht und Wärme, die Grundlage für Leben.
„Nun, Dr. DuValle, Ihr Part“, sagte der Captain lächelnd.
„Bitte?“
„Die Sonne. Erzählen Sie uns was darüber.“
„Nun, sie ist ein ganz gewöhnlicher G2-Stern, einer von Milliarden in unserer Galaxie.“
„Nein, sie ist unser G2-Stern. War’s das schon?“
„Sie hat einen Durchmesser von 1.390.000 km und ist damit das größte Objekt in unserem Sonnensystem. Sie enthält mehr als 99.8% der gesamten Masse des Sonnensystems!“
„Temperatur?“
„5.800 Kelvin auf der Oberfläche und 15.600.000 im Kern.“
„Zusammensetzung?“
„70% Wasserstoff, 26% Helium und der Rest sind Metalle. Das ändert sich aber im Laufe der Zeit, da der Wasserstoff im Innern zu Helium fusioniert.“
„Und im Laufe der Zeit bedeutet…“
„Lange, sehr lange!“
„Dachte ich mir. Meine Herren“, der Captain erhob sich, „wir sind heute hier, um der Sonne ein Geschenk zu machen. Miss Clausen, schicken Sie die Sonde auf die Reise.“
„Sonde gestartet, Sir.“
„Dr. DuValle, zeichnen Sie alles auf, was die Sonde Ihnen sendet, denn sie befindet sich auf einem Weg direkt in die Sonne.“
DuValle blickte auf.
„Ist das nicht Verschwendung?“
„Nein, ist es nicht.“
Mit erregtem Blick saß DuValle an seinem Pult und betrachtete die Daten. Es war das, was sich jeder Wissenschaftler wünschte. Informationen aus erster Hand und von ganz nah, nicht erst nach Tagen oder Jahren der Reise.
„Das… das ist toll“, jauchzte er. „Es tut so gut, das zu sehen. Wir werden Jahre brauchen, um all das auszuwerten.“
„Da geh ich mal von aus.“
Irgendwann riss der Datenstrom plötzlich ab und DuValles Gesicht wurde traurig.
„Kontakt verloren, Captain.“
„Können Sie das bestätigen, Clausen?“
Die Navigatorin nickte.
„Ja, Sir, die Sonde wurde zerstört.“
„Das ist unser Geschenk an die Sonne.“
„Was?“ fragte DuValle, „die Sonde?“
„Nein, ihr Inhalt. Die Sonde hatte eine bestimmte Nutzlast. Alle Komponenten des Planetenzerstörers, die wir von der Station auf Dione mitgenommen haben.“
„Sie waren alle…“
„…in der Sonde.“
„Und sie sind alle…“
„…in der Sonne verglüht.“ MacAllister erhob sich. „Meine Herren, der Planetenzerstörer existiert nicht mehr. Wenn der Admiral keine Aufzeichnungen an jemanden verschickt hat, dann besteht eine gute Möglichkeit, dass hiermit alles über das Gerät vernichtet wurde. Und das halte ich für einen Schritt in die richtige Richtung.“
„Das Rätsel des Pluto gelöst, den Planetenkiller zerstört – kein schlechter Tag. Was machen wir als nächstes?“
„Wir sind im Kern unseres Sonnensystems. So dicht bei der Venus waren wir noch nie. Also warum schauen wir sie uns mal nicht an?!“
Die Göttin der Schönheit
„Sie ist… schön“, hauchte Clausen, als sie sich der Venus näherten. „Wirklich schön!“
„Der Schein trügt“, meinte DuValle.
„Mr. Harris, machen Sie mir bitte eine Verbindung mit Dr. Wilbeck“, wies der Captain seinen Funker an. „Der Schein trügt also, hm? Ist das schon alles, oder wollen Sie uns noch mehr über die Venus erzählen?“
„Sie ist der zweite Planet von der Sonne aus, der sechsgrößte unseres Sonnensystems und sie hat die kreisförmigste aller Umlaufbahnen. Und es verwundert mich nicht, dass Miss Clausen sie als schön bezeichnet, denn sie ist der Erde in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich.“
„Inwiefern?“
„Sie ist nur unwesentlich kleiner und hat nur wenige Krater auf der Oberfläche, scheint also relativ jung zu sein. Und da ist noch eine Besonderheit.“
„Ach ja?“
„Die Rotation der Venus ist sehr ungewöhnlich.“
„Und Sie werden uns sicher auch gleich sagen, warum.“
„Zum einen ist sie sehr langsam. Ein Venustag dauert 243 Erdentage… und ist damit kaum länger als ein Venusjahr. Außerdem rotiert sie gegenläufig. Interessant ist aber, dass Umlaufzeit und Rotationszeit der Venus derart übereinstimmen, dass der Erde immer dieselbe Seite zugewandt ist, wenn sich die beiden am nächsten sind.“
„Merkwürdig“, murmelte Harris.
„Warum?“
„Das wäre doch die ideale Basis gewesen. Ich meine, warum eine Station auf dem Merkur aufbauen, wenn man es hier viel näher und praktischer hätte haben können? Und genauso unbeobachtet.“
„Nun, es gibt eine Kleinigkeit, die dagegen spricht.“
„Und die wäre?“
„Die Oberfläche des Planeten. Die Venus ist vielleicht der lebensfeindlichste Ort im ganzen Sonnensystem. Der Druck der Atmosphäre liegt bei 90 Atmosphären, ist also so stark wie etwa einen Kilometer unter den Ozeanen der Erde. Die Atmosphäre setzt sich hauptsächlich aus Kohlendioxid zusammen und die Temperatur auf der Oberfläche heizt sich auf ca. 740 Kelvin auf – und das ist heiß genug, um Blei zu schmelzen. Also kein besonders guter Ort für eine Basis.“
„Dann genießen wir einfach den Anblick.“
„Ja.“
„Captain, ich habe Dr. Wilbeck in der Leitung.“
„Sehr gut, stellen Sie ihn durch.“
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht des Wissenschaftlers.
„Captain MacAllister, was kann ich für Sie tun?“
„Haben Sie die Informationen erhalten, die wir Ihnen über die Station auf dem Merkur zugeschickt haben?“
„Ja. Es war eine sehr umfangreiche Dokumentation. Die Corporation war sehr zufrieden mit Ihnen – auch wenn sie sehr