Vier Frauen allein in Istanbul. Kalika Häring

Vier Frauen allein in Istanbul - Kalika Häring


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      Vier Frauen allein in Istanbul

      Ein Bericht über

      zwei vergnügliche Frauenreisen nach Istanbul

      im Oktober 2009 und 2011

      aufgeschrieben von Kalika Häring

      Für meine Reisegruppe

      Wolfenbüttel, im Januar 2012

      Zweite Auflage April 2013

      © auf Text und Umschlagbild:

      Kalika Häring, 2013

      gedruckt bei: epubli.de

      ISBN: 978-3-8442-5575-1

      Vier Frauen allein in Istanbul

      Wer noch nie in der Türkei gewesen ist, der weiß in der Regel am allerbesten, wie es dort aussieht:

      Die Frauen gehen immer zehn Meter hinter den Männern und tragen die schweren Taschen. Alle Frauen haben Kopftücher um, nur die Touristinnen nicht und weil diese so freizügig herumlaufen, werden sie ständig von den Männern angequatscht und angefasst. Besonders blonde Frauen. Die können auf keinen Fall allein auf die Straße gehen, sondern nur in männlicher Begleitung.

      Am schlimmsten ist es natürlich in dem Moloch Istanbul, denn dort gibt es viele dunkle schmutzige Gässchen, in denen sich unrasierte Männer herumtreiben mit schwarzen Bärten und finsteren Blicken. Die warten auf Touristinnen, denen sie die Handtasche wegnehmen können und darum muss man als Frau in Istanbul die Handtasche immer ganz fest an sich pressen und darf niemals allein unterwegs sein. Am besten fährt man in einer organisierten Reisegruppe mit einem männlichen Reiseleiter, der darauf achtet, dass man sich nicht von der Gruppe entfernt und in eine dunkle Straße gezerrt wird.

      Er passt auch auf, dass man nicht durch den Kauf von unechtem Goldschmuck und nachgemachten Teppichen über den Tisch gezogen wird. Der Reiseleiter bringt die Touristengruppen in saubere, klimatisierte staatliche Einrichtungen, in denen ordentliche Ware zu einem reellen Preis verkauft wird. Und er bringt die Gruppen in ordentliche, staatliche Restaurants, in denen das Essen sauber und keimfrei ist und die Toiletten westlichen Standard haben.

      Er treibt die Reisenden auch zu allen Sehenswürdigkeiten und erklärt genau, was es damit auf sich hat. Und immer schön mit dem Bus und ja nicht weg von der Gruppe!!

      So ist es in der Türkei, so ist es in Istanbul!

      Ist das wirklich so??

      Erste Reise Oktober 2009

      Unsere kleine Reisegruppe, bestehend aus vier Frauen einer Malgruppe, hat sich Großes vorgenommen: Wir wollen Istanbul auf eigene Faust erkunden. Keine Pauschalreise, kein Reiseleiter, keine Teppiche und keine Lederjacken. Nur Stadt, Sonne, Licht, essen, trinken, kaufen und genießen. Im Reisebüro buchen wir den Flug von Hannover nach Istanbul und ein Hotel. Es ist nicht die billigste Reise, dafür individuell. In der Nacht zum 5.Oktober 2009 fliegen wir los. Es ist der erste Tag der Herbstferien. Daran hätten wir denken müssen. Viele türkische Familien besuchen jetzt Oma in der Türkei. Der Flieger ist nicht nur eng und voll besetzt, sondern auch laut von vielen übermüdeten Kleinkindern.

      Mit in unserer Reihe sitzt Suat, sechzehn Jahre alt. Er fragt uns, ob wir auch in die Türkei fliegen.

      Ja, nach Istanbul.

      A l l e i n e ??

      Nein, wir sind vier Frauen.

      Vier Frauen allein in Istanbul ??? Haben Sie da keine Angst??

      Nein, vor Istanbul haben wir keine Angst. Das Einzige, was wir langsam bekommen, ist Platzangst. Die Sitzreihen stehen so eng, dass wir nicht wissen, wo unsere Knie bleiben sollen. Für norddeutsche Riesenfrauen sind die türkischen Airlines nicht gemacht. Suat erzählt derweil, dass seine Familie in Lebenstedt wohnt. Seine Eltern kommen aus der Türkei, aus einem Dorf in der Nähe von Ankara. Na ja, vielleicht zweihundert Kilometer weg. Dort sind sie auch nur wenige Jahre zur Schule gegangen und sprechen nur einfaches Türkisch. Er selbst hat auch nicht viel Türkisch gelernt. Es reicht zum Verständigen, aber mehr auch nicht. In der Schule in Deutschland ist Suat erst einmal nicht so gut gewesen, weil seine Eltern gemeint haben, das sei nicht so wichtig. Aber dann hat er den Hauptschulabschluss doch noch ganz gut geschafft.

      Danach hatte er Lust, noch weiter zu machen und hat jetzt auch schon seinen Realschulabschluss. Seit den Sommerferien macht er ein Praktikum bei seinem Bruder im Laden. Später will er vielleicht noch seinen erweiterten Realschulabschluss dranhängen und dann eine Ausbildung als Kaufmann machen. Na denn, viel Glück. Jetzt fliegt Suat aber erst mal mit seiner ganzen Familie zu Oma. In der Nebenreihe sitzen seine Schwestern, alle schön mit Kopftüchern. Und dahinter noch mehr Familie. Auf die Frage, ob es in Omas Dorf schön ist und er sich freut, zieht er ein etwas schräges Gesicht. Naja, geht so ..... Nicht viel los eben. In Istanbul muss die Familie umsteigen in den Flieger nach Ankara. Von dort werden sie abgeholt und fahren die letzten zweihundert Kilometer mit dem Auto. Viel Vergnügen! Dann schläft Suat ein. Der Glückliche. Wir können nicht schlafen. Die Knie drücken und der Kapitän hat ständig etwas anzusagen, was man nicht versteht. Kaum ist er still, kommen die Flugbegleiterinnen mit Wagen. Keine Chance, in dieser Nacht bleiben wir wach.

      Irgendwann fällt uns ein, dass wir noch gar nicht über den Transfer vom Flughafen zum Hotel nachgedacht haben. Typisch Pauschaltouristen. Sonst wird man immer von einem freundlichen Menschen mit Hotelschild abgeholt oder der Reiseleiter winkt mit seinem Schirm und geleitet die Gruppe zu den bereitstehenden Bussen. Dieses Mal wohl nicht. Wir sind auf uns allein gestellt. Aber wie man in unserem Reiseführer aus dem Reisebüro nachlesen kann, ist der Flughafen Atatürk an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen.Kann also kein großes Problem sein.

      Nach ungefähr dreieinhalb Stunden kommen wir in Istanbul an. Atatürk ist ein großer internationaler Flughafen, der nicht weit entfernt von Wasser und Stadt liegt. Beim Blick nach unten während des Landeanfluges kommt uns die Stadt ein wenig dünn besiedelt vor. Auch Wasser können wir nirgendwo entdecken. „Aber Atatürk ist das hier doch?“ fragen wir unsere netten türkischen Sitznachbarn. „Nein nein“ lächeln sie freundlich, „das hier Sabiha Gökcen, Flugplatz auf asiatischer Seite. Heißt von türkische Pilotin aus Weltkrieg!“

      A s i a t i s c h e S e i t e !!?? Was heißt das? Schnell noch einen Blick in den Reiseführer: „.....der Flughafen Sabiha Gökcen ist ein Flughafen auf dem asiatischen Teil Istanbuls und wird überwiegend für Inlandflüge genutzt. Er ist benannt nach der türkischen Kriegspilotin Sabiha Gökcen.“ Auf dem abgebildeten Stadtplan sieht man ihn weit weit entfernt von Istanbuls Innenstadt in einem eher dünn besiedelten Gelände liegen. Uns wird es unbehaglich. Es ist mitten in der Nacht. Die Mitreisenden sehen nicht so aus, als wollten sie nach Istanbul hineinfahren. Eher scheinen sie sich weiter in das so genannte Inland begeben zu wollen. Wir haben keine Zeit mehr, über unsere Situation nachzudenken, denn das Flugzeug landet und die Passagiere drängeln zum Ausgang. Die Schlangen an den Passkontrollen sind überschaubar und verkürzen sich schnell. Einzig die Infrarot-Kamera, die die Grippekranken aufspüren soll, macht ein bisschen nervös. Darf man mit Schweinegrippe nicht in die Türkei einreisen? Kann die Kamera eine gewöhnliche Erkältung von einer Schweinegrippe unterscheiden?

      Der Vorteil des Schlange-Stehens ist immer, dass man die Gelegenheit zu Gesprächen hat und die nutzen wir jetzt unerbittlich. Mit hilflosem Blick und schreckgeweiteten Augen fragen wir unsere nebenstehenden

      Mitreisenden, ob sie wissen, wie man von hier nach Istanbul kommt. „Ja, doch, es gibt einen Shuttle-Bus“ weiß jemand. Aber Genaueres kann man uns da auch nicht sagen. Jede Stunde soll der fahren. Na gut, immerhin ein Ansatz. Am Schalter versteht man uns nicht, hinter dem Schalter ist niemand mehr, den wir fragen könnten. Der Flughafen selbst ist schön klein und überschaubar, die Toiletten sauber und Cafes gibt es auch. Aber wie kommen wir hier weg??? Der Shuttlebus! Ja, Aber wo?

      Vor dem Flughafengebäude stehen Busse in langer Reihe, a l l e mit laufendem Motor. Dazu unzählige gelbe Taxen. Zwischen dem Gewühl geht ein Polizist hin und her und pfeift unablässig auf seiner Trillerpfeife, ohne dass erkennbar wäre, warum. Es ist laut, es stinkt und wir sind müde. Es hilft nichts, wir müssen eine Lösung finden. Eine von uns muss beim Gepäck bleiben, die anderen


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