Vier Frauen allein in Istanbul. Kalika Häring
mal sehen? „Aber natürlich, Madam. Yussuf.....“
Yussuf klettert, die Lampe kommt. Auch wunderschön. Alle sind wunderschön. Kann ich noch mal die Rote da oben???? Yussufffff....
Cirka zwanzig Lampen später ist Yussuf nicht mehr sehr amused. Aber alle Lampen sind ganz wunderbar. Vielen vielen Dank, dass wir mal schauen durften. Ja, gern geschehen, Madam. Kein Lächeln, Tee auch nicht. Kein Problem, nebenan wartet ja schon der nächste Yussuf mit der langen Stange in der Hand......
Wir schlendern durch den Basar, trinken hier Tee, essen dort eine feine Linsensuppe (lental soup oder auch mercimek corbasi, wobei die beiden „i“ keine „i“ sind, sondern „e“ wie bei brauche), schauen dies, entdecken das – und schließlich gehen wir noch einmal zurück zu den Lampen, um schließlich die weiße mitzunehmen. Yussuf stürmt schon auf uns zu – das Lächeln erstirbt, kein Madam, reinkommen müssen wir auch nicht unbedingt, und der Nachbar hat auch wirklich sehr schöne Lampen. Nein nein, ich möchte die weiße da oben. Nur über den Preis müssen wir noch reden. Klappt auch alles wunderbar und wir trennen uns sehr einvernehmlich und zufrieden, denn so bald will man uns h i e r nicht mehr wiedersehen.
Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Vier Frauen allein in Istanbul! Wie kommen wir jetzt zu unserem Hotel? Mit dem Stadtplan in der Hand erst einmal ein Stück auf der Straßenbahntrasse, dann links in eine Straße, die sich Peykhane nennt und ein bisschen düster wirkt.
Dann rechts rum.......oder halb rechts??? Es wird immer düsterer und die Straßen sind nicht gerade eben. Man muss schon immer nach unten schauen, damit man nicht in Löcher tritt oder in einen tiefergelegten Geschäftseingang fällt. Sehr vertrauenerweckend sehen auch die vier jungen Männer nicht aus, die da vorne mit brennenden Zigaretten an der Straßenecke herumlungern. Wir kommen mit unserem ausgebreiteten Stadtplan näher und die jungen Männer auch.
„Wohin??“, fragt einer. Ein bisschen haben wir Angst. Es ist dunkel und niemand außer uns zu sehen. Bärbel nutzt die Gelegenheit und lässt sich von dem jungen Mann eine Zigarette anzünden. Dann erklärt sie, wir wollen zur Piyerloti Straße. Da ist das Hotel Aziyade. Ob man uns wohl weiterhelfen könne? Oh yes, alle lächeln, ein Arm zeigt nach vorn, der andere nach hinten, der dritte nach rechts und der vierte nach links.
„Oh yes, you are very kind“, verabschiedet Bärbel sich freundlich und wir entscheiden uns für geradeaus. Die Männer bleiben, wo sie sind. Puh, das war unheimlich. Aber ist nichts passiert den vier Frauen ganz allein im düsteren Istanbul. Wie auch immer, wir finden das Hotel und zum Abschluss finden wir uns wieder im Sultan ein, um Auberginen Moussaka mit Efes zu genießen.
Was für ein Tag! Alles gefunden, nichts passiert.
Mittwoch, 07.10.2009
Stadtrundfahrt, Fischereihafen, Gewürzbasar, Galatabrücke
Herrliche Sonne heute! Nach dem Frühstück werden wir einen zweiten Versuch zur Stadtrundfahrt unternehmen. Mal sehen, ob die Demonstranten heute Ruhe halten. Vor der Sultanahmet Moschee sind die Halteplätze für die vielen Busse. Dort fährt ein Bus nach dem anderen los. Hier ist megaviel Betrieb! Schließlich finden wir auch die Stadtrundfahrtbusse, schaffen es, gute Plätze in der oberen Etage zu besetzen und los geht’s. Ein Gefängnisbus kommt uns entgegen und macht scheinbar ebenfalls eine Stadtrundfahrt. Er ist gut gefüllt und aus den kleinen Fensterchen winken uns die Insassen zu. Wir sehen auch bald, woher sie kommen:
Als wir am Taksim-Platz vorbeifahren, sehen wir, dass hier sämtliche Zufahrtstraßen mit Gittern abgesperrt sind. Überall ist Polizei und dazwischen die Demonstranten. Hier sieht man auch schon eingeschlagene Scheiben an den Bankgebäuden. Etwas unheimlich das Ganze. Den Taksim können wir also nicht sehen und Aussteigen geht auch nicht, weil der Bus nicht anhält.. Dafür fahren wir ewig lange an der Stadtmauer entlang, durch die Außenbezirke, an einer gusseisernen österreichischen Kirche vorbei, die nach Angaben des Sprechers in den Ohrstöpseln an einem einzigen Tag aufgebaut wurde. Wir erfahren auch, woher unsere Straße ihren Namen hat: von einem Franzosen namens Pierre Loti, ein Schriftsteller, der in Istanbul gelebt hat.
Weiter geht es durch die alten Stadttore und an der Stadtmauer entlang bis ans Marmarameer. Der erste Halt ist erst am Fischmarkt. Da können wir das erste Mal offhoppen und das machen wir jetzt auch. Wir kommen direkt am Fischereihafen an, wo überall Stände mit Fischen und Meeresgetier aufgebaut sind. Alles wunderbar dekoriert. Die Fische nebeneinander, die nächste Reihe im Bogen darüber, die nächste Reihe schräg nach links und dann schräg nach rechts. Alle Fischlein zeigen brav ihre wunderschönen roten Kiemen, die ihnen dekorativ aus den Köpfen herausgezogen wurden. Die Kraken werden mit jeweils einem Arm an die Ecke einer Holzkiste genagelt, bis sie sich schön dekorativ in der Kiste räkeln. So ganz tot scheinen die noch nicht zu sein. Lieber woanders hinschauen. Die Verkäufer zeigen uns: Bonito = Thunfisch, Kefal = Meeräsche, Dil = Seezunge. Restaurants gibt es hier natürlich auch. Lasst uns essen gehen! Hier ist es schön. Und heiß ist es auch. Es gibt Vorspeisen und Obst. Alles wird fertig in einer mit Folie abgedeckten Schüssel vorgezeigt, so dass man aussuchen kann. Und um uns herum sind Katzen! Große, kleine, dünne, dicke, bunte, graue... So viele schöne Katzen! Alle sehen erstaunlich gepflegt aus und sind sehr, sehr schmusig. Eine kleine Katze hat sich schließlich in Brigittas Schuh eingenistet und möchte dort auch nicht mehr weg.
Nach dem Essen spazieren wir vom Restaurant aus direkt an der Uferpromenade entlang. Rechts haben wir das blaue Meer, links eine Schnellstraße, dahinter die Eisenbahn und dahinter die Reste der Stadtmauer. An der Promenade entlang zieht sich ein Park, in dem überall türkische Familien zusammensitzen und essen und trinken.
Teeverkäufer halten Kanister mit Wasser, Samoware, Teegläser und kleine Höckerchen bereit.
Sie bereiten frischen Tee, den man auf den Höckerchen für 1,5 TL mit Blick auf das Meer genießen kann. In den Felsen vor der Promenade sind Stöcker aufgestellt, dazwischen Seile gespannt und Luftballons daran aufgehängt. Für einen kleinen Obolus kann man mit einem Luftgewehr auf die Ballons schießen. Etwas weiter springen kleine Jungen ins Meer und werden immer verwegener, je länger man ihnen zuschaut. Das ist eine richtige türkische Familienidylle. . Erstaunlicherweise gibt es hier nicht einen einzigen Touristen, von den vier deutschen Damen einmal abgesehen. Schließlich endet die Promenade an einem Parkplatz für Touristenbusse, mit denen die Besucher in die großen Restaurants auf der anderen Straßenseite gebracht werden. Kein Wunder, dass man keine Touristen an der Promenade sieht. Sie werden vor dem Restaurant abgekippt und eine Stunde später wieder abgeholt. Da bleibt keine Zeit für Promenadenspaziergänge. Dafür hat man von den erhöht liegenden Restaurants einen traumhaften Blick auf das Wasser und teilt sich den mit gleichzeitig drei Busladungen. Wir verlassen die Promenade hier und wechseln über die stark befahrene Schnellstraße auf die andere Seite, wo wir durch einen Durchlass in der Stadtmauer wieder zurück in die Stadt gelangen. Kaum hat man die Mauer durchschritten, verschwindet der Schnellstraßenlärm und es wird friedlich.
Viele Holzhäuser, die einst hier standen und mit dem Rücken direkt an die Stadtmauer gebaut waren, sind weggerissen und durch Parkflächen ersetzt worden. Andere Häuser sind total verfallen, innen sieht man das Gebälk herunterfallen, die Fassaden sind alle dunkel und kaputt, die Häuser natürlich unbewohnt. Aber es gibt auch wieder aufgebaute Holzhäuser. Und die sehen dann ganz wunderbar aus mit ihren Schnitzereien und schön bunt bemalt.
Zu Fuß spazieren wir von hier aus weiter zum Gewürzbasar, wo uns langsam auch die Blase drückt von dem leckeren Tee unterwegs. Der Gewürz- oder auch Ägyptische Basar ist gebaut wie ein L und auf dem Platz innerhalb des L gibt es weitere Verkaufsstände, vor allem aber eine öffentliche Toilette. Mal sehen, ob das was für uns ist. Man bezahlt eine Lira und geht hinein. Im Innenraum sind mehrere Frauen dabei, sich ihre Gewänder auszuziehen und an Haken zu hängen. Dann erst gehen sie zu den Hocktoiletten. Puh, das ist jetzt nicht so ganz nach unserem Geschmack. Aber Gott sei Dank, es gibt auch eine „europäische“ Toilette, wo man nicht ganz so tief runter muss. Nach dem Pinkeln bekommt man Toilettenpapier zugeteilt, mit dem man sich die Hände trocknen kann. Und zum Abschluss gibt es Rosenwasser aus einer Plastikflasche auf die Hand. Auf diese Weise erleichtert und mit sauberen Händen können wir uns jetzt in das Getümmel des Gewürzbasars werfen.