Für immer Shane ~3~. Simone Lilly
sich gegenüber anderen aufzuregen ohne überhaupt einen Grund dafür zu nennen, ohn eine Sache aufzählen zu können, sie sie so nervte.
„Mir geht’s auch gut. Ich musste heute auch wieder total lang arbeiten.“
Schnell, sag‘ was anderes. Fiebernd kräuselte er die eingefrorenen Lippen und schnitt schnell ein anderes Thema an. „Hat Kim jetzt den Abschluss geschafft?“
„Ja.“, schnippisch verdrehte sie ihre dick geschmicnkten, grünen Augen. „Klar, endlich. Mom und Dad hätten ihn sonst auch aus der Wohung geschmissen.“
„Wirklich?“
Sie nickte zustimmend. „Das kann ich auch verstehen, ich meine … sie lässt sich nur noch gehen.“
„Sie“. Shane musste grinsen. Melody bezeichnete Kim immer als „Sie“, denn „Kim“ war sowohl ein Name für Mädchen, als auch für Jungen. Seitdem sie das wusste, hatte sie eine Schwester und keinen Bruder.
„Wie geht’s Mall?“
Shane wusste warum sie ihn nach seiner Schwester fragte. Wusste auch, warum sie ihn dabei veschwöhrerisch anlächelte und aus den Augenwinkeln beobachtete. Schon immer hatte Billys‘ Neffe, Matthew ein Auge auf seine Schwester Mall geworfen. Zu allererst bei Shanes‘ Bewerbungsgespräch, vielleicht war er deshalb auch genommen worden, das konnte er nicht genau sagen. Auf jedenfall hatte Mall ihn nach einiger Zeit immer, pünktlich um halb fünf von der Werkstatt abgeholt, hatte sogar noch mit ihm geredet und ihm eines Tages zugeflüstert: zieh‘ dich nicht so schnell an. Sag‘ einfach du musst dich noch umziehen.
Seit sie ihn darum gebeten hatte, blieb Shane bis zum Schluss, bis sie auftauchte in seinen Malerhosen, seinem verdreckten Oberteil und manchmal sogar noch in seinen Stiefeln.
Gackernd hatte sie gewartet bis Matthew aus der hinteren Stube zu ihr gekommen war und mit ihr geredet hatte. Erst nach langem guten Zureden hatte sie sich ein herz gefasst und ihn gefragt ob er mit ihr ins Kino gehen wollte. Shane hatte stundenlang auf eine SMS von seiner Schwester gewartet und hatte tiefe Furchen in den Boden seines Zimmers gelaufen.
„Oh, Mall. Ja sie und Matthew sind immer noch zusammen. Auch glücklich, wenn ich Mall so ansehe.“, sagte er und bremste ab. „Hier muss ich rein, Melody.“
Auch das Mädchen war stehen geblieben, hatte sich zu der Straßenbiegung umgewandt und den Kopf traurig gesenkt. „Oh, stimmt ja.“
Freundschaftlich umarmte er sie. Das war das schöne. Wenn sie beide joggten, konnten sie sich ohne den anderen mit ihrem Schweißgeruch zu stören umarmen.
„Bis dann.“
Shane nickte. „Bis dann. Komm‘ gut nachhause.“
4.
„Willst du noch mitessen?“
Noch bevor Shane zuhause durch die Tür treten konnte, war seine Mutter bei ihm. Sie war in eine dunkelgrüne Küchenschürze gekleidet und hielt demonstrierend einen Kochlöffel in der Hand. Hier im Haus koche ich! , als würde sie diese Worte mit ihrer Geste aussprechen, nickte Shane. Natürlich wollte er etwas essen. Es sei denn sie hätte wieder Nudeln mit Spinat gemacht. Nudeln mit Spinat war das Lieblingsessen seines Vaters und seiner Schestern. Shane selbst hasste dieses Gericht. Früher hatte er es gerne gegessen, es auch geliebt. Ende Juli hatte seine Familie eine Bootstour rund um die Küste geplant. Da war er gerade zehn Jahre alt. Mall war schon lange übel gewesen, immer wieder war sie in das Badezimmer des Schiffes gelaufen, hatte sich keuchend über die einsam im Eck stehende Schüsse gebeugt und versucht alles bis aufs Äußerste aus sich herauszupressen. Hatte es aber nie geschafft. Am Morgen hatte ihre Mutter Pfannkuchen mit Spinat serviert. Bei einer besonders großen und wilden Welle, welche das Schiff getroffen hatte, musste Mall sich nun doch übergeben, wobei ihr der gesamte Spinat aus dem Mund geronnen war. Bei dem Gedanken verzog er das Gesicht. Als kleiner Junge hatte er schüchtern in der Tür gestanden und für sich im Stillen beschlossen, nie wieder Spinat zu essen. Bis heute.
Verschwitzt und ermüdet ließ er sich auf einen herausgezogenen Stuhl im Esszimmer fallen und schlug die Beine übereinander. Sie waren schwer und es tat ihm gut, sie für einige Zeit zu entlasten.
„Hier bitte.“, fürsorglich griff seine Mutter nach seinem Teller und goss etwas Suppe aus dem Topf hinein. Zum Glück kein Spinat.
„Wie war dein Tag?“, fragte Mall, bließ auf ihre Suppe, damit sie kühler wurde und nippte vorsichtig daran.
Wortlos tat er es ihr nach. Sie war fiel zu heiß und er verbrannte sich die Lippen. Ebenso leise nickte er und pustete, dass ihm schwindelig wurde.
Entgegen seiner Erwartungen meldete sich Jillian sanft zu Wort. Seine jüngste Schwester war bei jedem Essen, bei jedem Zusammensitzen in sich gekehrt, hatte sich meist ein Buch mit an den Tisch gebracht, es neben sich gelegt und las während sie alle wichtigen Dinge besprachen. Was aber nicht hieß, dass sie davon nichts mitbekam. Sie war gerade fünfzehn geworden, hatte wie er kastanienbraunes Haar, dass sie wie Melody zu einem kurzne Bob geschnitten hatte. Ein kurzer Bob, bei den Worten „Bob“ musste er unweigerlich schaudern. Wie sehr er ihn hasste. Noch dazu da er wusste, dass Britney ganz allein bei ihm war. Und da Bob versucht hatte ihn umzubringen.
Mit ihrer leisen, kaum hörbaren Stimme drang sie kaum zu ihm hinüber über die Tischplatte. Shane lehnte sich entgegenkommend zu ihr. Musste sich aber trotzdem noch anstrengen, um sie zu verstehen.
„Matthew hat Mall einen Heiratsantrag gemacht.“, sagte sie knapp und beugte ihr zwartes Gesicht wieder über das Buch.
Sprachlos ließen alle den Löffel sinken. Anscheinend hatte noch keiner davon gewusst.
„Ist das … wahr, Mall?“, sein Vater machte ein so ernstes Gesicht, als wäre jemand verstorben. „Du heiratest ihn.“
„Dad“, stur unterbrach sie ihn und warf ihre Haare protestierend in den Nacken. „Ich hab‘ noch nicht gesagt, was ich geantwortet hab‘ oder?“
Alle schüttelten den Kopf. Um sie herum wurde es still. Niemand sagte etwas.
„Ich hab‘ „Ja“ gesagt.“, antwortete Mall mit einem gewinnenden Grinsen und nahm einen großen Löffen zu sich.
Shanes‘ Mutter war aufgestanden, band sich langsam die Schürze vom Körper, legte sie über die Lehne des Stuhls und ging auf ihre Tochter zu. Kurz vor ihr ging sie in die Knie und schlang ihre Arme um sie. Von weitem sah es aus, als hätte sie vor, ihr eigenes Kind wie eine Gottheit anzubeten.
„Mall das freut mich ja so für dich!“, rief sie mit Tränen in den Augen und winkte seinem Vater ihr ein Taschentuch zu bringen. Statt ihm tat es Fanny, die Mall bis zu dem Zeitpunkt nur abwartend angesehen hatte. Hatten es alle gewusst? All seine Schwestern? Warum hatten sie Shane im Dunkeln gelassen? Immerhin war es seiner Schwester, die heiratete, und immerhin war es sein Chef, den sie heiratete.
Um das Bild abzurunden ließ auch Shane die Suppe, Suppe sein, erhob sich und drängte sich zwischen, Fanny, seine Mutter, seinen Vater und Jillian um auch noch ein Stück seiner Schwester ergattern zu können, sodass auch er sie umarmen konnte.
„Eigentlich wollte ich es euch in einer Woche an Dads Geburtstag sagen, wenn auch Oma und Opa dabei sind und wir alle beim Kuchen zusammensitzen.“, traurig knetete sie ihren abgegriffenen, ohrlosen Teddybär und wog ihn hin und her. „Aber Jillian konnte es nicht mehr aushalten zu schweigen .“
Die angrenzende Zimmertür wurde geschlossen.
„Sie ist jetzt im Bett.“, sagte Shane und nahm einen neuen Schluck Tee zu sich.
„Ist verdammt komisch wieder bei dir im Zimmer zu sitzen, abends. Du hast dich in letzter Zeit total abgeschottet.“, vorwurfsvoll gab sie ihm ihren Bären, den er sorgsam auf sein Bett legte. Gemütlich auf sein Bett, in eine Decke gehüllt, gekuschelt, eine Tasse heißem Tee in der Hand ließen sie die Beine über die Bettkante hängen und redeten. So lange wie sie es schon lange nicht mehr getan hatten. Die Uhr zeigte schon längst nicht mehr ein Uhr, auch nicht zwei Uhr,