Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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ein Wort zu sprechen haben«, meinte Baghira in einem Tone, bei dem es Mogli etwas unbehaglich wurde. »Aber hier ist Kaa, dem wir den Sieg verdanken und dem du, Mogli, dein Leben schuldest. Erstatte ihm Dank nach unserer Sitte.«

      Mogli wandte sich um und sah den Kopf des Pythons einen Fuß über dem seinen hin und her schwingen.

      »Also das ist der Mannling!« sprach Kaa. »Sehr weich ist seine Haut und hat mit den Bandar-log rechte Ähnlichkeit. Sieh dich vor, kleiner Mann, daß ich dich nicht für einen Affen halte im Zwielicht, wenn ich die Haut gewechselt habe.«

      »Wir sind vom gleichen Blute, du und ich!« antwortete Mogli. »Du hast mich vom Tode errettet heute nacht, und es gehört dir alles, was ich in Zukunft erlege, wenn du hungrig bist, Kaa!«

      »Sehr verbunden, kleiner Bruder!« sagte Kaa mit ernsthaftem Gesichte, wenn er auch mit den Augen blinzelte. »Und was erlegt denn ein so kühner Jäger? Ich frage nur, damit ich auf deiner nächsten Pirsch deinen Spuren folgen kann!«

      »Ich töte nichts – jetzt noch nicht – ich bin noch zu klein – aber wenn ich jage, treibe ich meinen Freunden wilde Ziegen zu. Darauf verstehe ich mich vortrefflich. Wenn du hungrig bist, komm nur getrost zu mir und überzeuge dich, ob ich die Wahrheit spreche. Flink und geschickt bin ich mit diesen hier«, er zeigte seine Hände, »und wenn du je in eine Falle gerätst, dann kann ich dir vielleicht die Schuld zurückbezahlen ... dir und Baghira und Balu ... denn ihr alle habt ja für mich gekämpft. Große Jagd euch allen, meine Lehrmeister!«

      »Wohl gesprochen«, brummte Balu, denn Mogli hatte seinen Dank recht hübsch abgestattet. Kaa ließ seinen Kopf ein paar Fuß herab und legte ihn leicht auf Moglis Schulter. »Hast ein braves Herz, Mannling!« zischte er. »Und eine höfliche Zunge! Damit wirst du weit kommen in der Dschungel. Aber nun gehe schnell fort von hier mit deinen Freunden. Geh und leg dich schlafen, denn der Mond geht unter, und was nun folgt – das ist nichts für dich, Söhnchen!«

      Die Silberscheibe des Mondes versank hinter den Hügeln, und die Reihen der zitternden Affen, zusammengeduckt auf Mauern und Trümmern, erschienen wie zerfranstes Gezack der Ruinen. Balu trabte zum Wasserbecken, um sich mit einem Trunk zu laben; Baghira leckte und putzte sein Fell. Kaa aber glitt lautlos in die Mitte der weiten Terrasse und schnappte mit klingendem Ruck die starken Kiefer zusammen, worauf die verharrenden Affen starr die Blicke auf Kaa richteten.

      »Der Mond geht unter«, zischte Kaa. »Könnt ihr mich noch alle sehen?«

      Von den Mauern hallte es, als ob der Wind in den Wipfeln stöhnte: »Wir sehen dich, Kaa!«

      »Gut. Nun beginnt der Tanz – der Jagdtanz Kaas! Sitzt stille! Seht her!« Er glitt zwei- oder dreimal in großem Kreise umher und schwang tänzelnd im Takte den Kopf zur Rechten und zur Linken, als höre er eine geheimnisvolle Musik. Dann begann er mit seinem Körper Schleifen und Achterfiguren zu bilden, große Knäuel und Knoten, die lebten und unentwirrbar schienen, bis sie geräuschlos im Augenblicke auseinanderschlüpften – gleitende, gebogene Dreiecke, die sich in Vierecke, Kreise und Arabesken verwandelten; und während der glatte, buntscheckige Körper plötzlich in die Erde zu verschwinden und dann wieder ringelnd zum Himmel aufzuragen schien – immer raschelnd, raschelnd, raschelnd –, tönte Kaas leiser, zischender Zaubergesang.

      Balu und Baghira standen wie zu Stein erstarrt – in ihren Kehlen rasselte mühsam der Atem, ihr Nackenfell sträubte sich, während Mogli voll Staunen und Grauen zusah.

      Es wurde dunkler und dunkler. Die wirren Figuren schwanden in der Nacht, aber man konnte das Rascheln der schlürfenden Schuppen deutlich vernehmen.

      »Bandar-log«, sang die Stimme Kaas, »könnt ihr Hand oder Fuß noch regen wider meinen Willen? Sprecht!«

      »Wider deinen Willen kann keiner von uns regen Hand oder Fuß, o Kaa«, hauchten die Affen.

      »Gut. Kommt alle einen Schritt näher zu mir!«

      Die Reihen der Affen schwankten hilflos nach vorn – auch Balu und Baghira folgten mechanisch dem Befehle der Schlange.

      »Näher!« zischte Kaa; wieder schwankten sie einen Schritt vor.

      Mogli legte die Hände auf Balu und Baghira, um sie dem Zauber der Schlange zu entreißen; und die beiden gewaltigen Tiere schreckten zusammen, wie aus einem Traum erwacht.

      »Halte deine Hand fest auf meiner Schulter«, keuchte Baghira. »Laß mich nicht los – oder ich muß hin zu Kaa – muß hin zu Kaa. Ah!«

      »Was hast du? Es ist ja nur der närrische Kaa, der im Staube seine Kreise schlägt«, sagte Mogli. »Aber wir wollen fort von hier.« Und die drei stahlen sich durch eine Öffnung der Mauer und trabten fort in die Dschungel.

      »Wuff!« ächzte Balu, als er wieder unter den stillen Bäumen stand. »Nie mehr in meinem ganzen Leben verbünde ich mich mit Kaa.« Und er schüttelte sich am ganzen Körper.

      »Er weiß mehr als wir«, sagte auch Baghira zitternd. »Wäre ich geblieben – nur noch ein paar Minuten –, so hätte ich selbst den Weg in seinen Schlund angetreten.«

      »Viele werden diesen Weg wandern, ehe der Mond wieder aus den Tälern steigt«, meinte Balu. »Gute Jagd wird er haben – auf seine Art.«

      »Aber was bedeutet das alles?« fragte Mogli, der nichts von den hypnotischen Kräften eines Pythons wußte. »Ich sah nur eine große Schlange närrische Kreise schlagen, bis die Nacht kam. Und ihre Nase war ganz wund. Ha! Ha!«

      »Mogli«, knurrte Baghira ärgerlich, »wenn er sich verletzt hat, so geschah es nur deinetwegen, so wie meine Ohren und Tatzen deinetwegen zerbissen sind; und sieh nur auf deinen alten Lehrer Balu, wie er zerzaust ist, es war alles deinetwegen. Wir zwei werden so bald nicht wieder fröhlich jagen können.«

      »Laß nur gut sein«, brummte Balu. »Wir haben unser Menschenjunges wieder!«

      »Ganz recht, aber wir haben teuer für ihn bezahlt. Denke nur, was wir an Zeit für die Jagd verloren haben und an Haaren und – vor allen Dingen – an Ehre und Ansehen. Denn, denke daran, Mogli, ich, der schwarze Panther, erniedrigte mich so weit, Kaa um Hilfe anzurufen, und Balu sowohl wie ich wurden gebannt wie kleine Vögel von Kaas Jagdtanz! Und das alles kam nur, Menschenjunges, von deinem Spielen mit den Bandar-log.«

      »Wahr! Es ist alles wahr!« sagte Mogli mit aufrichtiger Reue. »Ein schlechtes Menschenjunges bin ich, und Kummer sitzt mir in den Eingeweiden.«

      »Mf! Was sagt das Gesetz der Dschungel, Balu?«

      Balu hatte keine Lust, seinem Schüler noch weitere Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber mit dem Gesetz durfte man nicht Spaß treiben. Und deshalb murmelte er: »Reue schützt vor Strafe nicht! Aber bedenke, Baghira, er ist klein!«

      »Ich weiß, aber er hat Unrecht begangen und muß dafür seine Schläge haben. Mogli, hast du noch etwas vorzubringen?«

      »Nein, ich tat unrecht. Balu und du, ihr blutet. Ich habe Strafe verdient.«

      Baghira gab ihm ein halbes Dutzend Klapse ... sanfte Schläge vom Standpunkte eines Panthers aus (sie würden kaum eines seiner Jungen aus dem Schlafe geweckt haben), doch für einen siebenjährigen Knaben waren sie eine ganz gehörige Tracht Prügel. Als es vorüber war, schüttelte sich Mogli, nieste einmal und rieb sich, aber sagte kein Wort.

      »Nun, nun«, schnurrte Baghira, »auf meinen Rücken, kleiner Bruder. Wir wollen nach Hause.«

      Das ist im Dschungelgesetz eine ganz prächtige Einrichtung: Wenn man seine Strafe erhalten hat, ist alles vergessen und vergeben. Da gibt es kein langes Brummen und Grollen.

      Mogli legte den Kopf auf Baghiras weichen Rücken und schlief so fest, daß er nicht einmal erwachte, als man ihn in der Höhle seiner Wolfseltern niederlegte.

      Und nun zurück zur ersten Geschichte.

      Wir schwingen uns, ein fliegender Kranz,

      Halbwegs bis zum neidischen Mond im Tanz.

      Bewunderst


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