Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf


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fühlten sich etwas zäh an. Kein Zweifel, der lästige geile Putenhals hatte es sich selbst gemacht. Dass ihm das noch einmal passieren sollte! Gott sei Dank lag er mit dieser Peinlichkeit allein im Bett. Nicht auszudenken. Das letzte Mal war ihm mit zwölf Jahren noch einer von selber abgegangen. Im Jugendzimmer. Neben seiner Schwester im Bett. Genau zwei Tage nachdem er neben ihr das erste Mal gewichst und seinen Schulkameraden verflucht hatte, der gesagt hatte, es könne nichts passieren. Erst wenn man vierzehn wäre, dann käme oben etwas heraus. Ein weißer Punkt. Seinem Eindruck nach hatte er es damals mit enormen Massen von Samen zu tun gehabt, der völlig unbeherrschbar geworden, aus ihm herausschoss und quoll. Eine Menge, die überhaupt nichts mit einem kleinen weißen Punkt zu tun hatte. Und Josef war noch keine vierzehn gewesen. Er war gerade mal stolze zwölf gewesen und streifte die nasse Bescherung mit den Händen auf seiner beflaumten Bauchdecke zusammen. Rollte vorsichtig aus dem Bett, hielt den Samen an sich gedrückt wie er so durch das elterliche Schlafzimmer schlich, hoffend das nichts zu Boden tropfte, um sich im Clo mit Papier zu reinigen. Niemand hatte etwas bemerkt. Dieser unerwartete erste Samenerguss hatte ihm das Rüstzeug gegeben, auf den folgenden unwillkürlichen nächtlichen Samenabgang, zwei Tage später, sofort richtig reagieren zu können. Hatte also durchaus etwas Gutes. Und in der Klasse fühlte er sich dadurch auch etwas überlegener. Er wusste, dass die anderen noch zwei Jahre darauf warten mussten. Wenn sie sich überhaupt erst einmal trauten, ihren eigenen Pimmel anzufassen und dieses eigenartige Gefühl, das sich im sich versteifenden Organ durchaus erschreckend aufbaute, immer weiter voran zu treiben. Bis zum unkontrollierbaren Ende. Er musste nicht mehr warten. Josef nicht. Und er genoss es. Dass er es konnte. Die Wichserei an den verschiedensten Orten. Auf Toiletten, im Wald, unter der Schulbank. Manchmal auch dreimal am Tag. Aber nie mehr neben seiner Schwester im Bett. Und jetzt rollte er, beinah wie damals, wieder aus dem Bett, den Saft in der Mulde seiner Rechten am Bauch fangend. Josef säuberte sich schlaftrunken mit Papier und stopfte es in den Papierkorb. Er urinierte noch schnell, um jetzt wirklich durch nichts mehr vom Schlaf abgehalten zu werden. Seufzend saugte das Bett seine daneben gegangenen Spermatropfen in sich hinein, noch bevor er sich wieder hineinlegen konnte. Es war zufrieden. Streichelte sanft seinen Arsch. Und fuhr ihm leicht über die Haare an seiner Bauchhaut. Josef schlief wie ein Baby.

      Der Morgen kam spät. Es war bereits elf Uhr, als Josef in Richtung Strand und damit in Richtung Frühstück ging. Er setzte sich an einen Tisch, der halb im Schatten stand und bestellte ein „Müseli with fruit and joghurt“ und „a hot pot of coffee“. Die Sonnenstrahlen zerhackten die kleinen Wellenkämme in gleißende Splitter. Josef setzte die Sonnenbrille auf. Am Nebentisch wurde ein Glas zerdrückt, und ein zerbrochener Eiskaffee am Morgen befleckte den Strand mit sich. Der Kellner, ein Vietkongverschnitt erster Sahne mit Matrixsonnenbrille, ein richtiger Honeyman, kam heran. Sein Lächeln war so breit und so groß, dass er damit sicher durchaus auch sehr kräftig zubeißen konnte. Arun, die Sonne, kam eigentlich aus Burma und er löste das Problem mit Witz. Professionell und elegant. Seit wann waren diese bleich sommersprossigen Engländerinnen eigentlich so stark, dass sie die Eiskaffeegläser mit ihren bloßen Händen zersplittern konnten? Die Frau hatte diese typische blasse Haut mit den vielen Pigmentflecken und ihre hellroten Haare kräuselten sich genauso um dieses gefleckte Gesicht herum, wie man es eben von einer Engländerin erwartete. Ihr Mann saß tatsächlich mit Stecktuch im blauen Anzug bei ihr. Weißem Stecktuch. Er schwitzte auf seinen Kragen, dunkelte das Blau salzig ein. Sein englischrotes Gesicht drückte sichtliches Unbehagen aus, - er fühlte sich hier nicht wohl; aber wen wunderte das bei dieser punktgenau verkehrt gewählten Garderobe, die sogar unten noch mit jenem berüchtigtem Sockenpaar in weiß abschloss, das in schwarzen Lackschuhen steckte. Und sie zerdrückte den Eiskaffee. Schuf Gefahrenpotential für Mensch und Tier. Scharfe Scherben im Sand. Am Strand. Und der Sonnenschirm war immer da, wo man ihn nicht brauchte. Der Halbschatten der Palme hatte Josef verlassen. Die Sonne stach ihm brutal ins Genick. Das Müsli kam an. Noch wichtiger, der Kaffee begleitete es.

      „Can I get an orange juice please?“

      „Yes master.“

      „And a water too.“

      Arun grinste mit einer Breite und beinah schon unverschämten Fröhlichkeit, dass Josef froh war, dass er seine linkisch burmesischen Augen unter der Matrixsonnenbrille nicht erkennen konnte, als er sagte: „Yesss, massa-man! Coming soon, freshly pressed and directly served to your breakfast table, please!“

      Am Strand trieben sich ein paar Hunde herum. Einem schwarzen, mit Glocke um den Hals, wurde das Stöckchen ins Wasser geworfen und er apportierte es immer wieder sehr brav, klingelte wie eine herumhüpfende Geiß dabei. Ein anderer Hund, eine hellrotbraune Schäfer irgendwas Mischung, stellte sich sehr bewusst für einen Fotografen in Positur. Geradeso als wüsste er um seine Modelqualitäten Bescheid. Er sah ja auch ganz nett aus. An einem seiner braunen Augen sah man einen quallig blauen Schimmer über der Iris liegen. Fortgeschrittene Erblindung. Sicher von den Sonnenstrahlen am Wasser. Strahlen der immer aggressiver werdenden Sonne. Josef rückte seine Nonamesonnenbrille gerade. Aruns schlanke und fast schwarze Hände stellten Juice und Wasser vor ihn, während am Strand ein Vater seine eigenen und zwei fremde Kinder in ein Kanu packte, um ein Stück weit hinaus zu paddeln. Zwei Familien teilten sich offenbar die Betreuungspflichten so auf, dass einmal der eine und einmal der andere Mann den Nachwuchs übernahm. Die Frauen schienen überhaupt frei zu haben. Waren nirgends zu sehen. Vielleicht gab es ja auch gar keine. Eine Blondine humpelte mit Gipsbein und Krücken über den Strand, eine Barbie im sandfarbenen Bikini, einem den man selber binden musste. - Beachlife im Bow Thong. Daneben, in der luxuriösen Koh Tao Cabana mit dem Rim Lae Restaurant waren die Hunde sicher nicht mehr willkommen. Das Restaurant stand auf Stelzen aus Beton, schmiegte sich an Felsen und Bäume. Es hatte keine Wände und war mit Palmwedeln gedeckt. Das Haupthaus sah einer Pagode ähnlich, ein Dom mit kleinen Extragiebeln auf halber Höhe und einer runden Kuppel darüber, die in einer schlanken Spitze auslief. Auch die kleineren Nebengebäude und Gästehäuser falteten auf ihren Giebeln neue auf, vier für jede Seite und jeder Giebel war gekrönt mit einem langen, nach oben geschwungenen Dorn. Alles in allem ein sehr hübsches Ensemble, das sich perfekt in die Landschaft einfügte.

      Josef überlegte, ob er sich noch ein Bier zum Abschluss bestellen sollte, entschied sich aber dagegen. Er zahlte und machte sich daran, die Insel ein wenig zu erkunden.

      Der Inselplan sprach irgendwie für die Mango Bay und das Quad war damit einverstanden. Es lag mit seinem kräftigen Brummen angenehm beruhigend zwischen seinen Schenkeln und trug ihn vom Sairee Beach zum Village und an der Kreuzung nach dem Seven Eleven links hinauf, an den Asia Divers vorbei, in eine Landschaft die ihn an alte Vietnam Filme erinnerte. Nur kurz war Josef der Versuchung erlegen wieder rechts statt links zu fahren. Aber nur kurz. Und ohne Gegenverkehr. Ab hier wurde die Straße ohnehin zu schmal für links oder rechts. Die Hütten dünnten aus, und das All-Terrain-Vehicle fuhr auf absolut steilen, entweder betonierten oder lehmzerfurchten Dschungelpfaden durch übervolle Landschaften. Es sah beinah inszeniert aus. Palmen, grüne Musastauden, Felsen dazwischen. Langes Stechgras, gleichmäßig darunter verteilt. Ein Himmel, so blau, dass er die Palmenköpfe dunkelsten Grüns gnadenlos scharf aus sich heraustreten ließ. Ein filmmäßiges Freiheitsgefühl mit Vietnamtouch. Easy Rider auf Coconut. Und mit schwerem Gerät natürlich. Auf der Spitze des Hügels ging es abrupt ohne Vorwarnung die andere Seite steil bergab, mitten durch einen endlos scheinenden Bananenwald. Am Ende des Fahrwegs führte ein schmaler Pfad weiter nach unten, vorbei an einem Geisterhäuschen samt Tierfiguren und einer stechend grünen Dschungelnatter, die sich rasch verzog. Das Häuschen sah beinah aus wie eine Krippe, und die Schlange war sicher auch kein Zufall. Hätte Josef in der Schule aufgepasst, hätte er auch nicht gewusst, dass es sich bei der Schlange um eine Grüne Peitschennatter gehandelt hatte, einem bis zu zwei Meter langem, lebend gebärendem Reptil, das sich von Vögeln und Echsen ernährte. Die Schule hatte seinerzeit wenig für exotisches über, und heute lief sowieso nur mehr alles auf Leistung und deren Maßeinheit, das Kapital hinaus. Merke: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir! Die Grüne Peitschennatter war eine extrem anpassungsfähige Schlange, die selbst in großen Städten vorkam. Eine die nur selten zubiss, und wenn, dann blieb ihr Gift ohne Wirkung auf den Menschen. Das hätte Josef zweifelsohne beruhigt, so er es gewusst hätte. In Ermangelung des entsprechenden Wissens aber hatte er automatisch einen größeren Sicherheitsabstand eingehalten, bis die Schlange im Laub des Bodens vollständig


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