Abgespaced 2. Thomas Frick
gesagt hatte ich mir so etwas schon früher ausgemalt. Der Mensch ist perfekt konstruiert. Meine neuen Freunde beginnen, mich zu kopieren. Wir sind dabei, eine kleine Gruppe der Freunde von Terra zu gründen. Nur so zum Spaß. Wir veranstalten Partys, trinken Sekt, küssen uns und reden - auf die langsame Art des Homo sapiens. Links vom Sternbild Kassiopeia gibt es einen hellen Punkt, der aus dem Himmels-W eine Schlange macht. Ihr Kopf ist die Sonne.
Vielleicht ist es ein Trost für die Raumfahrtagentur, dass hier jetzt wie geplant Humanoide leben, die Johann Sebastian Bach pfeifen und Pablo Neruda zitieren. Ich versuche, mir einzureden, damit einen Teil der Mission erfüllt zu haben.
Gelegentlich nutze ich eines unserer leistungsstarken Teleskope, um den Flug der TAGORE zu verfolgen. Sie wird mit jedem Tag kleiner. Damit verringert sich auch meine Angst, sie könnten zurückkommen, und es könnte noch etwas Schreckliches passieren. Einen Teil der Energie des Schiffes verwende ich, um Ihnen, verehrte Mitglieder der Agentur, diese Nachricht zukommen zu lassen. Der Sendebefehl wird mein letzter Kontakt zur TAGORE sein, wie auch zu Ihnen. Womit ich meinen Auftrag als erfüllt betrachte.
Als abschließende Handlung im Dienst übermittle ich diese Stellungnahme - verbunden mit den Grüßen meiner Gastgeber und deren Empfehlung, mittelfristig von weiteren Besuchen abzusehen.
Sie haben kein Interesse, Terra anzugreifen oder auch nur zu kontaktieren.
Wir haben über das Thema Hilfe diskutiert. Ich musste einsehen, dass eine materielle Unterstützung wegen der Entfernung zu aufwändig ist. Einen Know-how-Transfer wird es nicht geben. Auf die Frage, was Terra mit einer revolutionären Energiequelle anstellen würde, konnte ich nur ausweichend antworten.
Wenn Sie mich fragen, wie es zu dem Verhalten der Besatzung kam ... Ich möchte niemandem zu nahe treten. Menschen sind eine faszinierende - aber primitive Lebensform. Ein Blick in die Geschichtsbücher half mir, es besser zu verstehen. Die menschliche Literatur brachte mich auf die Lösung. Nämlich, dass in diesen Stunden zwischen Aman und Priyanka nichts Ungewöhnliches geschah. So geht es auf Terra schon immer zu.
3. Degenovskis Bestes
Als Ken Degenovski nach einem langen Schlaf erwachte, war das Erste, wonach er fragte: »Welches Jahrhundert?«
Er konnte sich sofort bewegen, seine Stimme gehorchte ihm, und im Kopf schien alles klar zu sein. Das konnte nur bedeuten, dass man ihn zu einer Zeit aufgetaut und ins Leben zurückgerufen hatte, in der die Medizin weit fortgeschritten war. Die Welt, in der er lebte, gab es nicht mehr. Der Raum, in dem er sich befand, sah aus, wie ein freundliches Hotelzimmer. Das Fenster zeigte ein Stück sauberen Himmel. Es gab weder Gerüche noch Geräusche, keine Infusionen oder Instrumente. Auf dem flachen Tisch, neben seinem Bett, stand ein Glas, daneben eine Karaffe. Er trank.
Bevor es dunkel um ihn wurde, dachte er noch: Das war es also? Es war ein bisschen zu perfekt.
Als Ken Degenovski erneut erwachte, saß ein Mann an seinem Bett und sah ihn an.
»Vierundzwanzigstes«, sagte er seltsam ernst, »Jahrhundert.«
»Dann bin ich mal gespannt«, lachte Ken beschwingt, als wäre er noch zwanzig. »Sind Sie der Arzt?«
Nun lächelte der Mann. »So würden Sie es vielleicht ausdrücken«, sagte er, »mein Name ist«, er klopfte mit zwei Fingern an seinen kahlen Schädel, »Tom. Gerne auch Thomas, wenn Sie möchten.«
»Haben Sie mich geweckt?« »So würden Sie es nennen, ja. Ein Programm. Möchten Sie weiter schlafen?«
Ken Degenovski hob rasch die Hand. »Um Himmels willen, nein! Das reicht erst einmal, oder?« Sie lächelten beide.
»Um Himmels willen ...«, wiederholte Thomas amüsiert.
Ken durchfuhr ein schrecklicher Gedanke. »Bin ich tot? Im Himmel?«
Der Mann musste kurz überlegen. Dann verstand er. »Sie haben sich einfrieren lassen, sind wieder aufgetaut. Es hat alles seine Ordnung.«
Aber etwas ist faul, dachte Ken. Mühelos stand er auf. Kein Schwindel, nicht einmal ein Prickeln in den Fußsohlen. Die haben ganze Arbeit geleistet. Er spürte den warmen Bodenbelag, während er zum Fenster schritt.
»Ein Programm hat mich geweckt? Verstehe, so etwas erledigen heute Maschinen. Computer. Richtig?«
Thomas nickte.
Die Hochhäuser, die weit unter dem Fenster aus einem Waldstück ragten, scherten sich vermutlich nicht viel um die Schwerkraft. Manche waren filigran oder geradezu durchsichtig. Ken sah lautlos dahinschwebende Objekte, wie in einem Sciencefiction Film. Das ist die Zukunft, dachte er. Ich habe es geschafft. Er fragte: »Und was machen wir jetzt?«
Thomas stand plötzlich neben ihm am Fenster und sah mit einem Blick hinaus, als versuchte er, die Landschaft mit seinen Augen zu sehen. »Ich weiß nicht, was möchten Sie?«
Ken wirbelte herum. »Sagen Sie schon! Fliegen wir zu den Sternen? Haben wir den Warp-Antrieb? Reisen wir durch die Zeit?«
»Ach du meine Güte«, Thomas kratzte sich am Kopf. Er setzte sich, seufzte, und es klang ein bisschen hohl. Als würde er versuchen, traurig zu sein, ohne zu wissen, wie das ging. »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen.«
Ken wurde blass. »Nein? Machen wir nicht?« Thomas legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die Anspannung in Kens Körper ließ nach. Er begann zu schluchzen, lehnte sich an die Schulter des Arztes - oder was immer dieser Tom sein mochte - und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Spürte Furcht und Verlust - und die Frage nach dem Warum.
»Tut mir leid. Ist alles ein bisschen viel.« Er schniefte, um nicht das perfekte Hemd des anderen zu beschmutzen. »Ich bin normalerweise nicht so.« Er zuckte mit den Schultern.
»Ein bisschen viel«, wiederholte Thomas, »das ist ...«, er suchte nach Worten.
»Ja?«, fragte Ken, begierig auf eine Erklärung. »Das ist schön gesagt.« Ken sprang auf, baute sich vor Tom hin und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Jetzt sagen Sie mir endlich, was los ist!« Thomas schüttelte den Kopf. »Herr Degenovski, setzen Sie sich bitte.«
Ken schielte nach der Tür. Sie hatte keinen Drücker.
Tom begann: »Wir haben Sie ... geweckt, weil es in ihrem Vertrag stand. Vielleicht haben Sie auch eine Art moralisches Recht darauf. Oder einfach, weil es technisch möglich ist.«
»Aber?«
Thomas sah ihn verwirrt an. »Nichts aber. Sie leben. So gut wie jeder andere bei uns. Herzlichen Glückwunsch.«
»Ja und?«
Thomas schlug die Augen nieder und schwieg eine Weile. Dann sagte er sanft: »Was möchten Sie denn? Was können wir für Sie tun?«
In Kens Kopf rasten die Gedanken. »Was ich möchte? Herrgott! Auf dem Mars spazieren? Mit Außerirdischen sprechen? Mit Marylin Monroe schlafen - was weiß ich denn? Sagen Sie mir, was geht!«
Thomas nickte. »Ach so, ich verstehe. Das mit Marylin stellt kein Problem dar. Die Menschen heute machen so etwas nicht mehr, aber ... sicher. Gern. Warum nicht?«
Ken wurde rot. »Das war natürlich nur ein Beispiel.« Er stockte. Sein Hals fühlte sich trocken an.
Thomas reichte ihm das Wasserglas.
Ken winkte entsetzt ab, aus Angst, in einen ungewissen Schlaf geschickt zu werden. »Sie ist immer noch bekannt?« Er biss sich auf die Lippen.
»Wenn man sich für ihre Zeit interessiert, ja. Sie begehren sie? Sie können sie haben.«
»Nein nein, ich bin verheiratet. Das heißt - ich war es.«
»Sie hieß Lydia, nicht wahr?«
Ken erschrak und dachte: Ich war es, der sterben sollte, und jetzt ist sie lange fort. Lydia. »Wie würde das denn funktionieren ...«, fragte er eine Spur zu beiläufig, »per Zeitreise, oder virtuell? Ich meine ...« Seine Hände machten Gesten, zu etwas,