90 Tage Achterwasser. Jutta Hinzmann
Fragen reagiert führe ich die Grundpflege fast wortlos durch, ziehe ihn an und setzte ihn dann in den Rollstuhl. Auch als ich den Bewohner ans Fenster schiebe, erfolgt keine Reaktion. Das Zimmer ist karg eingerichtet, ein Tisch, keine Stühle, ein Schrank und das Bett. Keine Blumen im Fenster, nichts. Keine Fotos, nichts persönliches des alten Mannes. Nur ein Bilanzierungsplan entdecke ich auf dem Tisch, nebst schmutzigem Trinkbecher. Dieser ist minutiös geführt. Ob das immer alles stimmt, bezweifle ich sofort. Nun Papier ist geduldig und in der Pflege sowie so. 30 Minuten sind vorbei, mehr Zeit habe ich nicht für eine Grundpflege. So gehe ich zum nächsten Bewohner dieser Ebene. Beim Überqueren des endlos langen Flures kommt mir kein Mensch entgegen, habe ich Sorgen, bin ich wohl rettungslos verloren. Das will ich gleich, nach meiner Arbeit klären. Der nächste Bewohner ist eine Frau, sie freut sich sehr, endlich ein Gesicht zu sehen. Die Rollladen sind noch unten, es ist halbdunkel im Zimmer, was ich als erstes ändere. „Sind sie neu hier“, ist ihre erste Frage. „Ja „, Heut ist mein Probetag“, gebe ich höfflich zur Antwort und stelle mich gleich einmal vor. Frau Hoole, so der Name, ist noch gut bei Sinnen und sie kann mir all meine Fragen beantworten. Beim Waschen erzählt sie mir, dass sie bereits sechs Jahre hier lebt und ständig das Personal wechselt. Den Rest möchte sie allein erledigen und entlässt mich. Auf zum nächsten Bewohner. Ich bekomme keine Antwort auf mein Klopfen hin, so trete ich ein, ohne Erlaubnis. Auch dieses Zimmer ist nicht verdunkelt, es geht auf acht Uhr zu. Zunächst verschaffe ich mir Licht. Danach schaue ich mich um. Ich sehe eine schlafende Frau. Auch dieses Zimmer ist mehr als armselig eingerichtet. Hat die Bewohnerin keine Angehörigen mehr? Keine Fotos, keine persönlichen Gegenstände. Auch hier erfolgt keine Reaktion auf meine Begrüßung hin. So schaue ich mich weiter um, was hier wohl zu tun sein. Ich entdecke einen Bilanzierungsplan, Schnabeltasse, auch leer und eine Kanne gefüllt mit Tee und sogar noch warm. Vorsichtig hebe ich die Bettdecke der noch schlafenden Person an, oh nee, Beinamputation. Davon hat mir die Wohnbereichsleiterin kein Wort gesagt. Na dann ist sie bestimmt auch Diabetiker. Ohne dass die Bewohnerin reagiert, führe ich eine Grundpflege durch, auf Grund ihres Übergewichtes lasse ich sie im Bett. Kurz nach acht Uhr erscheine ich im Dienstzimmer. „Bin fertig“, warte darauf, was ich als nächstes erledigen muss. „Ist gut“, die Antwort. „Jetzt ist Frühstückszeit, der Essen wagen ist schon oben, kannst mit austeilen helfen.“ Also helfe ich mit Frühstück austeilen, so schnell kann ich bald nicht schauen, wie die Pfleger das Frühstück in den Zimmern verteilen. Laut Wohnregeln, ist den Bewohnern ein ein halb Stunden zum Frühstücken vergönnt. Während ich noch Essen bei zwei Bewohnern anreiche, höre ich, wie auf dem Flur bereits das Geschirr eingesammelt wird. Und ich steh vielleicht 20 Minuten am Bett. Toll, denke ich, bloß nie im Heim landen. Mit der Weil knurrt auch mir der Magen. „Es ist Pause, höre ich eine Pflegerin sagen, komm mit.“ Es ist Sommer und wird gemeinschaftlich vor dem großen alten Portal gefrühstückt, alle fünf Ebenen. „Bist neu hier?“ Erschrocken drehe ich mich um, nicke bejahend und schaue neugierig die Fragende an. Mir lacht ein offenherziges Gesicht an, nett denke ich. „Und gefällt es dir bei uns?“ Was soll ich nach drei Stunden Arbeit dazu sagen? „mal sehen“, gebe ich zur Antwort. Die Pause ist vorbei und ich begebe mich nach oben. Die Wohnbereichsleiterin wartet bereits auf mich „Kannst mit der Wanne umgehen?“ Nun muss ich aber doch lachen. „Ja klar, bin doch nicht vom Mond.“ „Man darf doch wohl noch fragen!“ Schwester Elke, so der Name, erklärt mir, dass es hier keine Bestimmten Badezeiten gibt, wann Zeit ist, werden die Bewohner gebadet. „Wir haben Zeit, bitte bade Frau Wagner.“ Bevor ich mir die Bewohnerin zum Baden hole, schaue ich mir das Bad an. Oh, eine nagelneue Badewanne, mit Lift und integrierten Whirlpool, schon nicht schlecht. Ansonsten ist es eben ein gewöhnliches Badezimmer. Ich hole mir Frau Wagner. Die strahlenden Augen der Bewohnerin sagen mir, dass ich meine Arbeit gut mache und sie sehr zufrieden ist. Noch bei der Arbeit lugt Schwester Elke ins Badezimmer und zeigt wortlos auf ihre Armbanduhr. Es ist Mittagszeit, der Essenwagen steht bereits auf dem Flur. Wortlos helfe ich beim Austeilen und anreichen die Mittagesse. Was dann auch wieder binnen kurzer Zeit passiert. Danach ist Schutzhosenwechsel und ab in die Kojen mit den Bewohnern. Schichtübergabe, man trifft sich im Speisesaal, wo dem Spätdienst dann die Ereignisse des Frühdienstes mitgeteilt werden. Damit endet mein Probetag auf der Ebene zwei. Getan habe ich viel, gesagt wurde mir wenig. Trotzdem entschließe ich mich, noch einmal in einem Pflegeheim zu arbeiten. Ich nehme mir fest vor, einfach nur meinen Job zu erledigen, blind zu sein. Nichts zu hören und nichts zusehen. Schwester Elke schickt mich nach Dienstschluss zur Pflegedienstleiterin. „Nun wie hat ihnen es bei uns gefallen? Wollen sie bei uns anfangen?“ Eine recht gutaussehende Dame dreht sich vom PC langsam zu mir um. „Bin Schwester Monika, die Pflegedienstleiterin des gesamten Hauses. Sie sind eine Pflegefachkraft? Gut, dann kann ich von ihnen fachliches Wissen verlangen. In zwei Wochen können sie anfangen.“ Reicht mir Hand und dreht sich sofort zum PC um. Schnell sause ich zum Auto, mache das Radio an und fahre los.
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