Abformen mit Alginat. Rainer Habekost

Abformen mit Alginat - Rainer Habekost


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Kindergarten und Schule oder zu Hause beim Basteln werden die ersten Erfahrungen mit Ton oder anderen Modelliermassen gemacht. Die Lust am Gestalten ist dem Menschen sozusagen in die Wiege gelegt. Je erwachsener man wird, umso wichtiger werden die Detailtreue und die Perfektion von selbst Gebasteltem. Gerade diese Ansprüche werden in hohem Maß durch Abformungen erfüllt. Hier mischen sich der eigene Ideenreichtum und die Fantasie mit vorgegebenen, bereits perfekten Formen.

      Wie „gut“ solch eine Abformung gelingt, hängt in erster Linie vom verwendeten Material ab. Aus der Schule kennen wir meist Gipsbinden oder Gips als Werkstoff für die Herstellung von Reliefformen. Damit lassen sich grobe Formen erzeugen, die anschließend mit Ton, Gips oder anderen geeigneten Materialien ausgeformt oder auch ausgegossen werden können. Wem besonders genaue und naturgetreue Abformungen wichtig sind, muss allerdings auf andere Materialien zurückgreifen. Für diesen Zweck besonders gut geeignet ist das Alginat, dass aus der Braunalge hergestellt wird. Als natürlicher, schadstofffreier Werkstoff ist Alginat ausgezeichnet geeignet, um auch feinste Details naturgetreu nachzubilden. Es wird aufgrund seiner Eigenschaften in vielen Bereichen eingesetzt, so für Abformungen in der Zahnmedizin, aber auch als Zusatz in Kosmetika und sogar bei der Nahrungszubereitung. In den letzten Jahren hat Alginat dann auch Einzug in den künstlerisch-gestalterischen Bereich gehalten. Es wird besonders gerne für Körperabformungen, aber auch im Modellbau verwendet, denn selbst feinste Strukturen werden genau nachgeformt.

      Seit entdeckt wurde, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Algen besondere Geliereigenschaften haben, hat sich ein immer größer anwachsendes Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten gebildet. Seit mehreren Jahrzehnten wird das sogenannte Alginat technisch genutzt und hat tatsächlich eine wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Was Alginat allerdings genau ist, wie es zusammengesetzt ist und was man damit alles anstellen kann, wissen die Wenigsten. Wir sind uns gar nicht bewusst, in welchen Produkten Alginat überall steckt und wofür dieses Naturprodukt überhaupt verwendet werden kann. Das folgende Buch wird sich in erster Linie mit der Nutzung von Alginat als detailgetreue Abformmasse beschäftigen, gleichzeitig aber auch einen Überblick über die übrigen Verwendungszwecke geben. Sie werden wahrscheinlich staunen, wie und wo das unscheinbare weiße Pulver überall eingesetzt werden kann.

      Meeresalgen und Tang bilden die Basis von Alginat. Vermischt mit Wasser wird es zu einem elastischen Gel, mit dem extrem genau Abdrücke von allen erdenklichen Vorlagen gemacht werden können. Die große Detailtreue, die damit erreicht wird, wird in erster Linie in der Zahnmedizin genutzt: Der Hauptverwendungszweck von Alginat liegt in der Herstellung von Zahn- oder Kieferabformungen. Aber auch als Trennmittel wird Alginat verwendet. Als Lösung angewendet, verhindert es, dass sich bestimmte Substanzen verbinden. Alginat ist als natürliche Substanz gesundheitlich unbedenklich und kann deshalb besonders gut für Körperabformungen verwendet werden.

      Alginat kommt in den Zellwänden der Braunalge vor. Dort sorgt die Substanz zum einen dafür, dass die Zellwände ihre Form behalten, zum anderen sichert es die so wichtige Elastizität der Zellwände. Der Anteil an Alginat kann dort bis zu 40% der Trockenmasse betragen. Dies ist sehr wichtig, um die großen mechanischen Kräfte auszuhalten, der die Algen durch Meeresströmungen und Stürme ausgesetzt sind. Andere Organismen, die Alginat bilden, sind zum Beispiel die Azotobacter-Bakterien, die eine bedeutende Rolle im Stickstoffkreislauf spielen.

      Das Alginat, das für die Herstellung von Abformmasse gewonnen wird, stammt von einigen Arten der im Meer lebenden Braunalgen. Diese Algenart kommt in etwa 1.500 bis 2.000 verschiedenen Arten vor und werden in tropischen Gewässern noch bis in eine Tiefe von 200 Metern nachgewiesen, Hauptverbreitungsgebiet sind die Küsten in den gemäßigten Zonen. Je nach Art können die Algen eine Länge von bis zu 100 Metern erreichen und werden dann als Tang bezeichnet. In der Regel haften sie durch spezielle Organe an festen Unterlagen wie Muscheln oder Felsen an, teilweise treiben die Arten auch im Oberflächenwasser wärmerer Meer, wie zum Beispiel dem Sargassosee im Atlantik zwischen Florida und den Bermudainseln.

      Die Braunalge kann auf verschiedene Arten geerntet werden. Zum Teil kommen dafür sogenannte Trawler zum Einsatz. Diese Schiffe sind speziell für den Einsatz von Schleppnetzen ausgestattet. Trawls heißen die Grundschleppnetze, mit denen eigentlich die Fische, die am Meeresgrund leben, gefangen werden. Ebenso wird für die Ernte der Braunalgen verfahren: Die Schleppnetze werden über den Meeresgrund über die Braunalgenfelder gezogen und die Algen werden mitgerissen. Immer noch gebräuchlich ist es auch, die Braunalgen vom Strand abzusammeln. Nach Stürmen, die sich auch unter Wasser ausgewirkt haben, sammeln sich die Algenpflanzen in großen Mengen am Strand und können bequem eingesammelt werden.

      Die vielen verschiedenen Gattungen der Braunalgen wachsen zum Teil innerhalb der Küstengebiete. Die größeren Arten bilden ausgedehnte Algenfelder, die an flachen Küsten etwa fünf bis zehn Kilometer vom Ufer entfernt angesiedelt sind.

      Ist das Wasser klar, können sich die Algenfelder bis zu einer Tiefe von 30 Metern ausbreiten.

      Die Vegetationskörper der Braunalgen sind so weit entwickelt wie bei keiner weiteren Algenart. Große Tange wie zum Beispiel die Laminaria sind in Rhizoid (das Haftorgan), Cauloid (die Achse) und Phylloid (die blattartigen Algenteile) untergliedert. Zwischen der Achse und dem „Blatt“ befindet sich die meristematische Zone, das ist ein Bereich mit teilungsfähigen Zellen, der für das Nachwachsen der Alge zuständig ist. Wird Algenmaterial abgeerntet, kann dieses außergewöhnlich schnell nachwachsen, so dass immer ausreichende Mengen der Braunalge verfügbar sind.

      Ihre charakteristische dunkelbraune bis olivgrüne Farbe erhalten die Braunalgen durch das Pigment Fucoxanthin, das nach einer Entdeckung japanischer Chemiker als Fatburner wirken soll. In Japan wird die Braunalge zur Zubereitung der traditionellen Misosuppe verwandt. Wer große Mengen dieser Suppe verzehrt, kommt allerdings kaum in den Fatburner-Effekt von Fucoxanthin. Dazu ist es erforderlich, den extrahierten Farbstoff zu konsumieren.

Macrocystis pyrifera Ascophyllum nodosum
Laminaria hyperborea Ecklonia-Spezies
Laminaria digitata Lessonia-Spezies
Laminaria japonica Durvillaea-Spezies

      Alginat ist in allen Braunalgen enthalten. Für die Herstellung der Alginsäure werden allerdings nur großwüchsige Arten verwendet, die in der Regel in Kelp genannten Algenwäldern vorkommen und einen wichtigen Lebensraum für verschiedene Meerestiere darstellen.

       Die Laminaria, die in Nordostasien auch als Nahrungsmittel weit verbreitet ist, wird dort als Suppengrundlage, als süß-sauer eingelegter Snack oder auch als Grundlage von Tees verwendet.

       Der Riesentang Macrocystis gehört zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen auf der Erde und kann pro Tag um bis zu 30 cm an Länge zulegen.

       Die Braunalge Ascophyllum, die auch als Knotentang bekannt ist, wächst an den Felsenküsten des Nordatlantiks in großen Mengen. Er ist besonders reich an Polysacchariden und wird sehr gerne für die Alginatgewinnung verwendet. Die Alge wird bei Ebbe von den Goémoniers, den Algenbauern geerntet und wächst 15 Jahre lang immer wieder nach.

       In der Antarktis wächst die Durvillea, eine Braunalge, die zu 48% aus Alginsäure besteht und als Heilpflanze benutzt wird. Der Alginanteil ist deshalb so hoch, weil die Alge einen großen Teil des Jahres unterhalb der Eiskappe überlebt. Der hohe Anteil an Polysacchariden sorgt für eine hohe Flexibilität der Zellwände und damit eine hohe Widerstandskraft gegen die Kälte.


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