DER ERZENGEL JOHANNES. Nicole Sturm
Wer ist da?
Er richtet die Waffe auf Vinzenz Gesicht, dessen Todesangst glitzert in den Schweißperlen, die von seinem Kinn, auf den Boden fallen.
Der Teufel, du Kotzkrücke!
Er streckt seinen Arm durch und zieht den Abzug. Vinzenz kneift die Augen zu. Es klickt. Er zuckt zusammen und schnappt hastig nach Luft. Mit geschlossenen Zähnen presst Luzifer, lachend Luft durch seinen Kehlkopf. Er senkt die leere Pistole und lässt sie in Nepomuks wachsende Blutlache fallen. Der junge Exorzist zittert sich die restliche Farbe aus dem Gesicht.
Ich bin der Satan, Ihr Idioten!
Der gefallene Engel reibt sich die Augen mit dem Handrücken und lacht vergnügt dabei. Johannes nimmt schmunzelnd einen tiefen Schluck Absinth.
Du bist ein Arschloch Luzifer.
Ich weiß.
Wie geht’s dem Hund?
Das Vieh hat drei Köpfe und sabbert.
Luzifer hebt den Arm und zeigt auf den Kühlschrank.
Darf ich?
Tu dir keinen Zwang an!
Luzifer öffnet den Kühlschrank, beugt seine Knie und steckt seinen Kopf zwischen Bier und Mayonnaise. Johannes sucht Vinzenz Blick.
Hey Vinnie, bist du noch da?
Der Priester öffnet zuckend die Augen. Er sieht auf den verstümmelten Körper seines Lehrmeisters. Dessen Augenlider flimmern. Sein, so gut wie, abgetrennter Unterschenkel liegt in einem unnatürlichen Winkel zu seinem Oberschenkel. Luzifer drückt seinen Kopf gegen die Innenseite des Kühlschranks.
Ahh, göttlich.
Er verharrt kurz in dieser Position.
Hat deine Frau dich endlich verlassen?
Johannes zeigt Luzifers Rücken den Mittelfinger.
Sie ist im Garten, bei den zwei Profichaoten aus dem Erdgeschoss.
Johannes sieht zu Nepomuk.
Wenn sie Monsignore Giordano lebendig vortrifft wird sie zur Furie.
Gut, dass ich mich beherrschen kann.
Gut, dass du lügst.
Luzifer lacht hämisch in den Kühlschrank.
Sag diesem kleingläubigen Pharisäer, ich bin Satan!
Vinzenz Stimme huscht dünn aus seinem Mund.
Der Teufel selbst darf keine Menschen töten.
Johannes dreht die Glut seines Blunts im halbvollen Wegwerf-Aschenbecher.
Du darfst nicht alles glauben, was sie dir im Fernsehen erzählen. Und wenn er es nicht getan hätte …
Vinzenz erhebt sich wie ein Roboter. Er zieht ein kleines rundes Glas mit Weihwasser, aus seiner blutbefleckten Kutte und hält es zitternd in die Höhe. Es ist verschlossen von einem, mit rotem Kerzenwachs versiegelten, Korken.
Wollen wir doch mal sehen ob ihr wirklich kugelsicher seid.
Johannes fixiert das Gefäß mit seinen Augen. Vorsichtig stellt er sein Glas auf den Tisch. Blut tropft von Vinzenz Gesicht auf seinen linken Schuh. Seine Stimme schwankt zwischen Zorn und Panik.
Ihr werdet mir jetzt zuhören …
Johannes lächeln weicht aus seinem Gesicht.
Luzifer, der Pfaffe zeigt Charakter.
Er zieht seinen Kopf langsam aus dem Kühlschrank.
Charakter …
Der Teufel sieht voller Ernst zu Vinzenz.
… Charakter ist etwas für Tiere.
Das geweihte Wasser schwappt im Glas hin und her. Die Stimme des Exorzisten zittert stockend aus ihm heraus.
In Namen Jesu Christi, ich befehle euch …
Luzifer hebt die Hände schützend vor sich.
Vinz, bleib cool, keiner will dir was Böses.
Luzifer geht einen Schritt auf ihn und Nepomuk zu.
Vinnie, du hast doch nicht ohne Grund den weiten Weg gemacht und der Grund ist bestimmt nicht hier Amok zu laufen. Ein paar der Anwesenden sind, in der Tat, Weihwasserintolerant.
Luzifer geht einen weiteren Schritt auf ihn zu. Nepomuk kommt mit einem tiefen Husten wieder zu Bewusstsein. Vinzenz wendet seinen Blick ruckartig zu seinem stark blutenden Lehrmeister, Luzifer greift mit einer Hand nach dem Weihwasser und mit der anderen nach Vinzenz Kehle. Die italienischen Schuhe samt Priester verlassen den Boden, seine Zehenspitzen greifen nach dem blutigen Vinyl, doch sie versagen. Seine Augen weiten sich, kein Ton schafft es durch seine Kehle. Luzifer öffnet das Fläschchen mit einen Daumendruck und stemmt den Priester noch etwas höher gen Zimmerdecke. Er hält das gesegnete Wasser vor sein eigenes Gesicht, prostet Vinzenz zu und trinkt es in einem Zug aus. Luzifer sieht seinem Gefangenen tief in die Augen und lässt das Fläschchen fallen. Er rülpst Vinzenz ins Gesicht und lässt auch ihn auf den Boden fallen. Die Gäste lachen zügellos und gehässig. Aus der Menge hört man konstruktive Kritik.
Idiot!
Vinzenz ringt mit aller Kraft nach Luft. Luzifer fährt sich mit den Fingern durch die Haare.
Ich hasse Katholiken.
Bevor er weiter ausholen kann, unterbricht ihn Nepomuks schleifender Fluchtversuch. Unter Höllenqualen robbt er sich Zentimeter für Zentimeter voran. Die anderen Partygäste versperren ihm den Weg. Luzifer muss kurz grinsen.
Will der mich verarschen oder was?
Ein paar energische Schritte später steht Luzifer neben Nepomuks blutendem Kopf.
Ich glaube es hackt!
Der gefallene Engel hebt das rechte Bein und stampft mit aller Gewalt zwischen die Schulterblätter des alten Mannes. Das Rückenmark bricht an beiden Enden der Sohle. Seine Lunge und sein Herz stellen aus Mangel an Anweisung ihren Betrieb ein. Es folgt ein stummes Ersticken, begleitet von vollem Bewusstsein. Jubel bricht zwischen den Dämonen aus. Vinzenz erstarrt, doch Luzifer findet die passenden Worte.
Wir sehen uns morgen früh, Verdammter!
Er wendet sich zur Seite und tritt mit aller Kraft Nepomuks Unterschenkel an den beigen Küchenschrank. Vinzenz muss kurz seinen Würgereflex unterdrücken. Gemächlich steht Johannes aus seinem Stuhl auf.
Vinz, altes Haus, du musst begreifen, wir haben genauso wenig Interesse daran, ein verfrühtes Ende zu finden, wie du. Jedoch befindet sich hier nur eine Person im Raum, das bist du, die den Vatikan nicht brennen sehen will. Alle anderen haben sich chic gemacht und schlürfen Van Goghs geheimen Keller leer. Gott hab' ihn selig, den alten Spinner. Wir sind in Kampfstellung und bereit zurückzuschlagen, aber wir …
Als das Wort seine Lippen verlässt, wird ihm wieder klar, dass er kein Teil von diesem »Wir« ist.
… bestehen auf einen Plan B und da kommst du ins Spiel. Falls und ich betone falls die Kirche einmal recht haben und sollte und wir Legion nicht besiegen können, wird der ermordete Engel sich Gott unterwerfen und gegen meinen und den Willen des Satans, zu Gott zurückkehren. Sie wird fallen, wenn es nicht anders geht. Der, ach, so gnädige Erzengel Michael wird eine Feder verkraften können, ich reiß sie dem Kopfgeldjäger mit Vergnügen selber raus. In dieser Wohnung bist du sicher, auch nach dem Fall des Vatikans, dafür kannst du dich bei dreiundvierzig verbrannten Nonnen aus Wales bedanken.
Das Blut, die Gewalt und die Anwesenheit des Teufels setzen Vinzenz zu, aber das seine Angstgegner die Situation anscheinend nicht mal ernst nehmen, irritiert ihn völlig.
Ihr wollt die ganze Welt opfern um …
Nein, nein,