Das Dorf Band 12: Schleim. Karl Olsberg

Das Dorf Band 12: Schleim - Karl Olsberg


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und hüpft vor Vergnügen im Kreis.

      „Hast du eine Idee, was ich Golina schenken könnte?“, fragt Primo.

      „Klar“, erwidert die Hexe. „Schenk ihr doch einen giftigen Pilz! Sieht gut aus und ist praktisch, wenn man mal jemanden vergiften will.“

      Primo rollt mit den Augen. „Ich meinte eher etwas, womit ich ihr zeigen kann, dass ich sie liebe.“

      „Hm ...“ Ruuna denkt angestrengt nach. „Ich hab’s! Ich habe da ein bisschen mit Farben experimentiert.“ Sie zwinkert ihm zu. „Na, fällt es dir auf?“

      Jetzt, wo sie ihn darauf hinweist, fällt Primo tatsächlich auf, dass Ruuna anders aussieht als sonst. Über ihren Augen sind seltsame Schatten, ihre Haut sieht rosig aus und ihre Lippen sind ganz rot.

      „Bist du krank?“, fragt Primo.

      „Krank? Ich? Nein. Ich habe mich nur ein bisschen im Gesicht angemalt. Sieh mal, mit diesem in rote Farbe getauchten Holzstück habe ich mir die Lippen verschönert, und mit diesem rosa Pulver meine Wangen gefärbt. Und die Schatten unter den Augen habe ich mit Kohle gemacht. Hübsch, oder?“

      „Ähm, nun, na ja ...“

      „Du könntest doch Golina solche Gesichtsfarben schenken. Ich zeige dir, wie man sie herstellt, wenn du willst.“

      Primo schüttelt den Kopf. Die Vorstellung, dass eine Frau ihr Gesicht anmalt, um hübscher auszusehen, kommt ihm völlig absurd vor. Sowas kann wirklich nur einer durchgeknallten Hexe einfallen!

      „Lieber nicht“, sagt er. „Sonst denkt sie noch, ich finde sie nicht hübsch, so, wie sie ist.“

      „Hm, auch wieder wahr“, gibt Ruuna zu.

      „Wir könnten unseren Frauen neue Kleider schenken“, schlägt Kolle vor.

      „Neue Kleider? Aber Margi und Golina haben doch schon so viele davon!“, wendet Primo ein.

      „Ja, schon, aber vielleicht in einer neuen Farbe ... Ist dir nicht auch aufgefallen, dass die Welt in letzter Zeit bunter geworden ist?“

      „Bunter? Weiß nicht ...“

      „Das ist eine gute Idee!“, ruft Ruuna. „Und ich weiß eine Kleiderfarbe, die die beiden garantiert noch nicht haben!“

      „Wirklich?“, fragt Primo skeptisch. „Welche denn?“

      „Unsichtbar!“, ruft Ruuna aus. „Pass auf, ich zeig’s dir!“

      Sie holt ein braunes Kleid aus einer Kiste, dann nimmt sie ein Fläschchen mit einem Trank aus einem Regal und spritzt etwas davon auf das Kleid, das plötzlich verschwindet.

      Primo greift danach. Tatsächlich, das Kleid ist noch da, man sieht es nur nicht mehr.

      „Wow!“, ruft Primo aus. „Das ist ja genial! Eine tolle Idee! Über diese Überraschung wird sich Golina ganz bestimmt freuen! Danke, Ruuna!“

      „Äh, Primo, wenn das Kleid unsichtbar ist, dann ...“, beginnt Kolle, doch Primo ist so begeistert, dass er gar nicht zuhört. Ein unsichtbares Kleid ist das perfekte Geschenk!

      Kolle bittet Ruuna, ein Kleid in die rote Farbe zu tauchen, die sie für ihre Lippen verwendet hat.

      „Ich glaube, diese Farbe hat Margi noch nicht“, sagt er.

      Umso besser, denkt sich Primo. Dann hat Golina als Einzige im Dorf ein unsichtbares Kleid!

      Die beiden bedanken sich überschwänglich bei Ruuna für ihre Hilfe und kehren gut gelaunt ins Dorf zurück.

      „Siehst du, es war eine gute Idee, dass wir zu Ruuna gegangen sind“, meint Primo. „Sie weiß immer einen Rat!“

      „Ja“, stimmt Kolle zu. „Aber was schenken wir jetzt den anderen?“

      „Welchen anderen?“

      „Na, Magolus und Birta und Olum und Kaus und deinem Vater und meinen Eltern und all den anderen. Die haben doch auch alle Geburtstag!“

      „Auweia“, stöhnt Primo.

      2. Eine schöne Bescherung

      Am übernächsten Tag wird auf der Wiese neben der Schlucht das Fest vorbereitet. Birta, die inzwischen schon Übung damit hat, kommandiert alle anderen herum und sorgt dafür, dass Tische und Stühle aufgebaut werden. Auf einem extragroßen Tisch, der etwas abseits steht, können die Dorfbewohner ihre Geschenke ablegen. Bald quillt der Tisch über von ihren Gaben: Gegrillte Steaks, Brote, Kuchen und gebratene Fische, deren Urheber leicht zu ermitteln sind. Auch die bunten Wollknäuel, die Jarga dort hingelegt hat, Porgos Gartengeräte und der Stapel mit Büchern, den Kolles Vater spendiert hat, könnten von niemand anderem stammen.

      Primo und Kolle haben sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Sie sind in die Höhle unter dem Dorf gegangen und haben nach Gold gesucht, das sie im Schmiedeofen von Primos Vater eingeschmolzen und in kleine Nuggets gegossen haben – für jeden im Dorf eines. Nur Margi und Golina bekommen jeweils das Kleid, das Ruuna ihnen gegeben hat.

      „Müsste nicht eigentlich jeder von uns jedem Dorfbewohner etwas schenken?“, fragt Kolle, als sie die Nuggets auf den Tisch legen.

      „Tun wir doch. Wir haben gemeinsam nach Gold gesucht. Ich habe dir den Rücken freigehalten, als du gegen den Knallschleicher und die beiden Nachtwandler gekämpft hast. Dafür hast du mich festgehalten, als ich beinahe in die Tiefenschlucht gefallen wäre. Wir sind ein gutes Team, findest du nicht?“

      „Ja, schon.“

      „Na, dann ist es doch nur fair, dass wir auch als Team jedem was schenken.“

      „Na, wenn du meinst ...“

      In diesem Moment kommen Ruuna und Willert hinzu. Letzterer trägt eine große Kiste.

      „Was ist denn da drin?“, fragt Primo. „Und wieso hast du die Kiste in buntes Papier gewickelt?“

      „Das ist mein Überraschungsgeschenk“, erklärt die Hexe. „Es ist von Willert und mir für euch alle zusammen. Ich habe es eingepackt, damit man nicht gleich sieht, was es ist. Also, erst morgen aufmachen!“

      Willert stellt die Kiste auf den Gabentisch, dann verschwinden die beiden wieder im Wald.

      „Hm, keine schlechte Idee, das Geschenk in buntes Papier zu packen“, findet Kolle. „Das sieht hübsch aus! Meinst du, wir sollten unsere Goldnuggets auch einpacken? Und die Kleider?“

      „Ach was“, meint Primo. „Die sehen auch so hübsch aus.“ Er grinst. „Und Golinas Kleid wird eine wirkliche Überraschung! Das sieht man nämlich gar nicht.“

      „Stimmt. Wo hast du es denn hingelegt?“

      „Da drüben ... glaube ich ...“

      Primo betastet den Geschenkestapel. Hier irgendwo muss das Kleid doch liegen! Er gerät in Panik, als er es nicht findet. Doch dann ertastet er schließlich den unsichtbaren Stoff, der genau auf Olums Fischen liegt, die schon länger in der Sonne liegen und bereits etwas streng riechen. Erleichtert atmet er aus.

      „Hast du die vielen Geschenke gesehen?“, fragt Golina ihn abends.

      „Klar“, sagt Primo.

      „Von wem wohl diese kleinen goldenen Körnchen sind? Die sind wirklich hübsch, und sie sehen richtig wertvoll aus.“

      „Äh, keine Ahnung.“

      „Und dann habe ich da ein wunderschönes rotes Kleid gesehen ... Hach, so eins hätte ich auch gerne! Aber das ist ja ganz bestimmt nicht für mich.“ Sie blickt ihm tief in die Augen. „Oder?“

      „Äh, nein, ich ... ich glaube nicht.“

      Golina wirkt enttäuscht. Primo verkneift sich ein Grinsen, als er daran denkt, was sie für Augen machen wird, wenn sie ihr noch viel tolleres unsichtbares Kleid bekommt.

      „Hach, ich bin so aufgeregt“,


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