Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik Euskirchen
kann nicht gut gehen, so einfach geben die nicht auf.
Noch ist nichts verloren, ich habe die Chance, weiter mit der Fregatte zu sprechen, um die Situation zu erklären.
Aber der Kapitän übernimmt und schreit, dass sie auf keinen Fall näher kommen dürfen, er ist sehr energisch und schreit sogar Flüche.
Als ich wieder den Hörer von meinem mittlerweile schneeweißen Kapitän bekomme, stimmt man zu.
Die Fregatte bricht ihre Anfahrt ab und erhöht den Abstand.
Was war das denn jetzt für eine Aktion? Die Piraten gucken uns fragend an, während sie langsam wieder runterfahren.
Von Abdi wissen wir, dass die BOW ASIR, welche auch vor Haradere liegt, bald ihr Geld bekommt.
Wir denken uns etwas aus, wie in etwa, dass die Fregatte Angst hat, dass wir der Geldübergabe zu nahe kommen und dass die Piraten auf der BOW ASIR vielleicht uns angreifen usw.
Das akzeptieren sie.
2.7 Der Alltag und die Verhandlungen beginnen
Wir erreichen endlich Haradere und lassen unseren Anker knappe vier Meilen vor der Küste runter. Es ist sehr flach und ein äußerst sandiger Untergrund, wir müssen viele Kettenlängen lassen, um schließlich sicher am Anker zu liegen. Dennoch, Vlad, Slava und ich müssen weiterhin Wache gehen, zum einen für den Fall, dass der Anker nicht hält, zum anderen, weil die Piraten es verlangen. Sie wollen, dass wir das Radar beobachten und ihnen auf Nachfrage die Distanz der Fregatte ansagen.
Außerdem fragen sie bei jedem kleinen Fehlecho, was das sei. Ein kleines Boot? Neben Sorgen vor einer militärischen Aktion sprechen sie auch immer davon, dass sie sich vor anderen Piraten in acht nehmen müssen.
Als wir wieder vor Anker liegen, ist es tatsächlich so weit, die Bow Asir wird freigelassen. Ein Flugzeug kommt und schmeißt das Geld ab, zwei Boote fahren raus und sammeln es ein. Abdi meint, dass das Schiff keine drei Wochen hier gelegen habe und für 3,2 Millionen Dollar freigekommen wäre.
“Siehst Du, wie schnell das geht. Was ist mit Eurer Reederei?”, sagt er mit seinem Dauergrinsen.
Abdi redet in letzter Zeit überhaupt viel mit uns, er versteht es, sich zum einen ein gewisses Vertrauen zu den Geiseln aufzubauen, sie aber auch einzuschüchtern und damit zu instrumentalisieren.
Am Anfang fällt es mir noch schwer, den richtigen Weg zu finden, mich einerseits instrumentalisieren zu lassen, das aber ungemerkt für uns zu nutzen.
Ich weiß nicht, was hier für ein Spiel gespielt wird, wer lügt, wer sagt die Wahrheit. Selbstverständlich vertraue ich unserer Reederei viel mehr als den Piraten. Anderseits sieht es für uns immer so aus, als würde sich die Reederei hier nie zu dem vereinbarten Zeitpunkt, 10 Uhr Somaliazeit, melden und verhandeln wollen.
Der Kapitän, der vor einigen Tagen noch zuversichtlich war,
steckt nun langsam die Mannschaft mit seiner Haltung gegen die Reederei an. Für ihn sind es Verbrecher, die mit uns Versicherungsbetrug machen wollen usw.
Es ist zunächst schwer für mich, ein klares Bild der Situation zu erstellen, zu viele Spekulationen gibt es.
Fakt ist, wir sehen immer nur den verhandlungsbereiten Abdi, aber nichts von der Reederei. Anderseits bin ich überzeugt, dass noch nie jemand 15 Millionen gezahlt hat, irgendwie muss man den Preis drücken. Ich brauche mehr Informationen und die Informationen von hier müssen raus.
Regelmäßig reden Kapitän und ich mit der Reederei und mit zu Hause.
Unsere Ziele scheinen die gleichen zu sein, aber unsere Wege unterscheiden sich leider sehr, was nicht gerade förderlich ist.
Wenn ich mit der Reederei telefoniere, gehe ich anfangs zwar auch davon aus, dass ihnen noch nicht ganz klar ist, wie die Piraten verhandeln und was hier an Bord los ist, aber ich versuche, es ihnen in Ruhe mitzuteilen und so viel Nützliches wie möglich mitzuteilen.
Jedes Mal verwundert es mich allerdings, wenn ich Herrn Kotiuk schreien höre, mit Zynismus und Ironie flucht er des Öfteren und hängt dann unvermittelt auf. Warum denn so? Es bringt doch nichts, im Gegenteil.
Die Reederei hält uns bald für unzurechnungsfähig, außerdem bekommt sie von dem Gezeter auch kein klareres Bild. Die Kommunikationsecke ist nicht weit von der Mannschaft weg - muss sie das Geschreie mitbekommen, die Verzweiflung hören? Sie bekommen schon genug mit, was für Gerüchte und noch mehr Ängste sorgt. Die Piraten sehen es außerdem auch und wissen damit, wie es in uns aussieht, sehen uns ohne Deckung und wissen, wo sie zu bohren haben, um uns gefügig zu machen.
Auch Abdi nutzt es aus, was mir zugutekommt. Wenn er mit der Reederei spricht oder ihnen E-Mails schickt, ruft er mich. “Officero, Officero come here…!”
Dann telefoniert er entweder mit dem Unterhändler der Reederei, schreibt ihnen eine E-Mail oder ich muss zu Hause anrufen. Mit der Zeit bekomme ich einen immer besseren Einblick in die Vorgänge und fange langsam an zu begreifen.
Um die Lage zu begreifen, habe ich viel Zeit, denn lediglich zwischen zehn und zwölf Uhr Ortszeit wird verhandelt. Den Rest des Tages gibt es nichts Besonderes zu tun auf der Brücke, außer irgendwie zu versuchen, den Stress abzuwettern.
Es ist sehr heiß, wir liegen nachts eng zusammen. Knapp zwölf Leute sind wir auf der Brücke. Auf unserer Seite der Brücke ist nicht besonders viel Platz.
Nachts müssen wir gucken, dass wir uns nicht überrollen, was nicht einfach ist, da sich das Schiff in dem aufkommenden Monsun immer mehr bewegt und wir nicht lange auf einer Position liegen bleiben können.
Die meisten von uns haben Ohrstöpsel und legen sich ein Tuch über die Augen. Manchmal hat das etwas Perfides, es sieht aus wie eine zugedeckte Leiche.
Ich schlafe morgens immer am längsten, was vor allem an meiner Nachtwache liegt. Am Morgen ist Abzählen, die ganze Mannschaft soll hoch auf die Brücke und man kontrolliert unsere Vollzähligkeit. Meist liege ich da noch im Halbschlaf und werde eben einfach mitgezählt. Nach dem Abzählen muss ich aber aufstehen. Die Jungs fangen mit dem Aufräumen an. Der Kapitän schimpft immer, wie dreckig es ist, das geht mir auf die Nerven.
Wir wissen das auch … vor allem, da wir auf dem Boden schlafen und er nicht. Aber was können wir tun, wenn die Piraten alles volldrecken, mit Tee, Khat und Zigaretten.
Unsere Ecke dürfen wir nur einmal am Tag wischen, ihre Seite der Brücke lassen die Piraten von unseren Jungs sogar nur alle zwei bis drei Tage reinigen. Ich habe aus dem Hospital verschiedene Desinfektionsmittel bereitgestellt, zumindest können wir so einen gewissen Grad der Reinlichkeit halten, um uns keinen Krätze oder Ähnliches einzufangen.
Ich bin die erste Zeit morgens immer was schlecht gelaunt. Erst mal Kaffee und Zigarette. Das Rauchen habe ich am Tag der Kaperung angefangen. Ich wusste, dass wir viel rumsitzen werden müssen und das ist nichts für mich, dann rauch ich eben zur Ablenkung.
So sitze ich morgens da und frage mich immer wieder, wieso wir nicht abends sauber machen, dann müssten wir nicht im Dreck des Tages schlafen. Hauptsache der Kapitän ist zufrieden, nur dass er auf dem einzigen Sofa der Brücke schläft und von dem Dreck, der einem da unten auf dem Boden begegnet, nicht viel mitbekommt.
Der Kaffee und ein paar Gespräche lassen mich wieder in Fahrt kommen. Frühstück lasse ich ausfallen und warte auf das Mittagessen. Wenn die Verhandlungen davor was ergeben haben, hab ich Appetit, wenn nicht, kriege ich nicht viel runter.
Noch können wir regelmäßig zu den Mahlzeiten runter und uns unten duschen. Die ersten Wochen müssen tagsüber nur die Offiziere oben bleiben, der Rest der Mannschaft kann sich in den Aufbauten mehr oder weniger frei bewegen.
Immer wieder während der Gefangenschaft kommt es zu Umverteilungen der Geiseln. Mal dürfen die einen am Tage nach unten, mal sollen alle oben bleiben, mal so, mal so. Außer in der Nacht, da sind in der Regel immer um die zehn Personen auf der Brücke.
Es