Elynne. Salakridas W.

Elynne - Salakridas W.


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ich eine gute Aussicht auf Bixi und Leyth, die sich die Markierungshemden überziehen.

      „Ely“, sagt Bixi und wählt somit als erstes mich in sein Team. Er nimmt das blaue Markierungshemd entgegen, das Professor Garou ihm entgegenstreckt. Mein bester Freund sieht sich um, und lächelt, als er sieht, wo ich bin. „Soll ich es rauf werfen?“

      „So ungeschickt wie du wirfst? Nein. Ich komme runter.“ Ich springe runter und ziehe mir das Markierungshemd über.

      „Wie bist du hier raufgekommen?“ Kyara sieht mich verblüfft an.

      Ich antworte ihr nicht, denn ich bin Kyara keine Erklärung schuldig. Stattdessen blicke ich meinen Bruder an, der mit Wählen dran ist. Er wählt einen seiner Mitschüler aus, den ich nicht kenne. Sein Name ist Cody. Nachdem Cody sich ein grünes Markierungshemd übergezogen hat, ist Bixi wieder dran mit Wählen. Er wählt Nemuel. Am Schluss bleibt nur noch Nyra, die wegen ihres Asthmas beim Basketballspiel besser nicht mitmachen sollte. Wie eine manipulierte Kanone, die ständig die Richtung ändert, flitz ich von einer Seite der Turnhalle A zur anderen und werfe einen Korb nach der anderen. Alle schauen mich völlig verdattert an. Am Schluss gewinnen wir 25:10. Und dabei haben wir nur eine Stunde gespielt.

      „Als nächstes spielen wir Völkerball“, verkündet Professor Garou und zieht alle Markierungshemden ein.

      Jetzt reissen sich alle um mich. Jeder will mich in seinem Team haben. Diesmal wählen Tamera und Nyra. Tamera beginnt mit Wählen.

      „Nemuel“, sagt Tamera lächelnd, deren Team die blauen Markierungshemden bekommt.

      Nyra sieht mich an und winkt mich zu sich. „Ely.“

      Unser Team schickt Sissy in die Ferien, wie wir es hier nennen. Sissy geht zum hintersten Feld auf der gegnerischen Seite. Professor Garou pfeift mit der Zunge und das Spiel beginnt. Geschickt weiche ich den Softbällen aus, die versuchen mich treffen. Warum zielen die alle nur auf mich? Wie in Zeitlupentempo kommen die Softbälle auf mich zugeschossen. Ein paar Bälle fange ich und ziele auf die Gegner. Keiner aus der gegnerischen Mannschaft schafft es meinen Bällen rechtzeitig auszuweichen. Mein Team jubelt, als wir am Ende gewonnen haben. Professor Garou mustert mich eingehend. Er fragt sich wahrscheinlich, was bei mir nicht richtig läuft.

      Als die Schule endlich aus ist, stürme ich Nachhause und gehe mit meinen Lieblingen nach draussen.

      „Wie war die Schule? Was habt ihr heute in der Schule durchgenommen?“, erkundigt sich Mom, die sich sehr für die Schule interessiert.

      „Ein Wolf hat letzte Nacht sein Unwesen getrieben. Er ist hier in der Stadt herumgestreunt“, erzählt Leyth unseren Eltern beim Mittagessen.

      „Dieser Wolf hat eine Frau umgebracht“, sagt Dad und schluckt sein Essen runter. „Das habe ich im Radio gehört. Die hatte anscheinen eine Autopanne, als der Wolf sie angegriffen hat.“

      „Professor Garou hat einen Freund, der bei der Polizei arbeitet. Er hat uns erzählt, dass diese Frau von diesem Wolf in Stücke gerissen wurde“, murmle ich.

      „Diese arme Frau!“ Mom hält sich schockiert die Hände vor den Mund.

      Eine Träne kullert über meine Wange. Ich wische sie mit der Hand schnell weg und räume meinen Teller weg. Was ist nur los mit mir? Als ich in meinem Zimmer bin, schalte ich meinen Laptop an und öffne die Internetseite. Sahira springt auf meinen Schoss und schnurrt. Auf einem Schreibblock notiere ich mir Sachen, die mir in letzter an mir selber aufgefallen sind. Da ich am Nachmittag frei habe, habe ich genügend Zeit, um herauszufinden, was mit mir los ist.

      Nur alle sechs Monate Menstruation

      Sehr gutes Gehör

      Kann gut riechen

      Sehr schnelle Reaktion

      Kann sehr schnell rennen

      Filmriss bei Vollmond

      Was noch? Ach, ja, mitternachtsblau. Nachdem ich auch das letzte Wort aufgeschrieben habe, beginne ich alles zu Googeln.

      „Zu viel männliche Hormone. Unmöglich! Deshalb kriege ich nur alle sechs Monate meine Periode?“, sage ich leise und recherchiere weiter.

      „Der Afrikanische Elefant hat die grössten Ohren. Ein Wüstenfuchs hat ein so guter Gehörsinn, das er sogar Käfer hören kann“, lese ich leise vor. „Ich glaube kaum, dass ich ein Wüstenfuchs bin.“

      Das meiste überfliege ich einfach. Ein Satz sticht mir jedoch sofort ins Auge. Hunde und Katzen haben ein feineres Gehör als wir Menschen. „Hunde? Katzen?“

      Sahira schaut mich fragend an. Ich streichle ihren Kopf, ehe ich mit der Suche fortfahre.

      „Schon wieder Hunde!“, stelle ich fassungslos fest. „Mal schauen, was für Tiere bei der Schnelligkeit kommen.“ Ich klicke auf die oberste Seite auf der Ergebnisliste.

      Es überrascht mich nicht, dass der Gepard, der Schnellste ist. „Was? Ein Wanderfalke erreicht 322 Kilometer pro Stunde bei einem Sturzflug? Ich frage mich, wie schnell ein Mensch ohne Fallschirm auf die Erde stürzen kann. Wie schnell kann ich eigentlich rennen? Bin ich schneller, als der Windhund mit seinen70 Kilometer pro Stunde?“

      Nach einer Stunde bin ich immer noch nicht schlauer aus mir selber geworden. Ich gebe die Suche auf und öffne eine Onlinezeitung. Mit den Augen überfliege ich die Nachrichten: Ein Erdbeben im Süden, Autounfall wegen Sekundenschlaf oder Alkoholkonsum, Schiesserei in einer Bank, Ausbruch aus dem Gefängnis, Zugunglück in Helvetia und Wolf reisst Frau in Stücke. Den letzten Artikel klicke ich an und lese interessiert den Bericht eines Polizeisprechers. Die getötete Frau hat in Tossa gewohnt und ist gerade auf dem Nachhauseweg gewesen. Sie hat ihre Eltern besucht, die in Helvetia wohnen. Die 32-jährige Frau hielt aufgrund einer Autopanne auf dem Waldweg stehen. Laut der ersten Ermittlungsergebnissen hatte ihr Auto einen Motorschaden. Da die Frau im Wald keinen Empfang hatte, ist anzunehmen, dass sie Hilfe suchen wollte. Sie wollte den Wald mit einer Taschenlampe verlassen, als der Wolf kam und sie in Stücke riss. Woher der Wolf gekommen ist, ist noch nicht bekannt. Ein Wildhüter sagt, dass es in Tossa und in den umliegenden Städten keine Wölfe gibt. Es gibt Zeugen, die den Wolf ebenfalls gesehen haben. Ihnen ist jedoch nichts passiert. Ich denke an Bixis Vater, der aus seinem Auto ausgestiegen ist. Er hatte so grosses Glück, dass der Wolf unter Schock gestanden hat. Eine Blutspur führt zu einem roten Haus, dass sich einige Meter vom Wald entfernt befindet. In dem Bericht steht, dass die Pfotenabdrücke eines Wolfes bis zu einem Zimmerfenster reichen. Komischerweise hört die Spur vor diesem Zimmerfenster auf. Die Polizei wird demnächst das Zimmer des Mädchens durchsuchen müssen. Ist der Wolf in ihr Zimmer reingesprungen? Hat er dort möglicherweise seine Spuren verwischt?

      „Nein!“ Ich springe vom Stuhl auf und starre entsetzt auf den Bildschirm meines Ultrabooks.

      Sahira beklagt sich maunzend, als sie ohne Vorwarnung auf den Teppich fällt. Sie leckt sich die Pfoten und springt auf das frisch bezogene Bett. Hat Mom das Blut auf der Bettwäsche gesehen?

      „Entschuldige, Süsse. Die Polizei will mein Zimmer durchsuchen! Das dürfen die nicht. Ohne einen Durchsuchungsbeschluss lasse ich die nicht in mein Zimmer rein“, sage ich bestimmt. Wenn die Polizei die roten Pfotenabdrücke unter Sahiras Körbchen entdecken, werde ich ein Problem haben.

      Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich setzte mich aufgeregt wieder auf den Stuhl und tippe eilig auf die Tastatur. Werwölfe. Keinen Bericht darüber, dass Werwölfe existieren. Auf der Ergebnisliste lese ich Lykanthropie. Was ist das? Neugierig klicke ich auf das Fremdwort und öffne Wikipedia.

      „Lykanthropie… blablabla… ist die Verwandlung eines Menschen in einen Wolf. Blablablabla… sehen sehr gut… blablabla… haben einen guten Geruchs- und Gehörsinn“, lese ich laut vor. Ach, du fauliger Scheisse! Ich bin ein Werwolf! Ich erinnere mich nicht an die Vollmondnacht, aber so wie es aussieht, habe ich diese Frau in Stücke gerissen! Bixis Vater hat mich gesehen! Aber was bedeutet mitternachtsblau? Sahira hat es gewusst! Sie wusste, dass ich ein Werwolf bin. James und Ward wissen es vermutlich auch. Wie werden wohl meine Freunde reagieren,


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