Nächster Halt: Darjeeling-Hauptbahnhof. Christoph Kessel

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Kehlen. In der Highland Park Brennerei wird sehr guter Whisky hergestellt. Es handelt sich bei dem Wort Whisky nicht um einen Rechtschreibfehler. Die geizigen Schotten haben das »e« einfach weggelassen. Dafür investieren sie sehr viel Arbeit in ihren Whisky, dessen Basis Gerste ist. Beim Mälzen wird diese zunächst in Wasser eingelegt, damit Enzyme entstehen, die Zucker bilden. Die Gerste wird anschließend über einem Torffeuer getrocknet, da es auf den baumlosen Orkneyinseln kein Brennholz zum Feuer machen gibt. Dabei entsteht der einzigartige rauchige Geschmack des Whiskys. Danach wird der so entstandene »Malt«{20} gemahlen, mit heißem Wasser vermischt und über ein paar Stunden im Maischbottich ruhen gelassen. Als im 2. Weltkrieg die Whiskyproduktion auf den Orkneyinseln eingestellt war, wurde der Bottich als Schwimmbecken für die britischen Soldaten genutzt. Daher ist dieser Geschmack des Whiskys wahrscheinlich tatsächlich einzigartig. Danach werden die Feststoffe aus dem Maischbottich herausgefiltert. Der flüssige Teil wird zur Gärung in einen Tank geschüttet, die Feststoffe hingegen an die Rinder und Schafe verfüttert. Daher fand ich nur glückliche Viecher auf den Orkneyinseln – Cheers! Der schwach alkoholische Trunk mit etwa sieben Prozent Alkohol wird anschließend zweimal in Kupferkesseln gebrannt, im Gegensatz zum irischen Whiskey, der dreimal gebrannt wird. Danach wird die hochprozentige, farblose Flüssigkeit, die ca. 70 Prozent Alkohol enthält, in alten Bourbon- und Sherry-Fässern mindestens drei Jahre lang eingekellert. Während dieser Zeit bekommt der Whisky schließlich seine schöne, bräunliche Farbe. Der fertige Whisky wird anschließend 12 bis 18 Jahre lang gelagert.

      Abends stand ich plötzlich vor einer katholischen Kirche, bei der gerade der Gottesdienst anfing. Also entschied ich mich spontan, wieder einmal eine Messe zu besuchen. Der Pfarrer kündigte seinen acht Schäfchen eine Karaoke-Messfeier an. Von einem CD-Player wurden die Musikstücke abgespielt, und wir mussten, so gut es ging, mit Hilfe des Gesangbuchs mitsingen. Ansonsten lief das Amt wie bei uns ab, sodass ich halbwegs mitbekam, was gerade vorne am Altar passierte. Schließlich hieß es Abschied nehmen von den Orkneyinseln und mit dem Schiff setzte ich in sechs Stunden auf die Shetlandinseln über. Die Schiffspassage war äußerst langweilig, da es an Bord praktisch keine jungen Reisenden gab, sodass ich mir aus Langeweile im Fernsehen zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen anguckte und »Schumi« natürlich wieder gewann.

      Regen, Wind, Kälte und viele Schafe waren für mich die ersten Eindrücke dieser Inselgruppe, die im 15. Jh. als Mitgift einer dänischen Prinzessin an Schottland und die Krone fiel. Der skandinavische Einfluss war überall an den Straßennamen zu erkennen, wie beispielsweise an der King Hakon Street. Nirgends wehte die schottische Fahne, sondern die der Shetlands: weißes Kreuz auf blauem Grund. Glücklicherweise wurde das Wetter besser und ich traf auch noch auf fotogenere Wesen als die Schafe, die bei meinem Anblick permanent die Flucht ergriffen, bei Autos aber ruhig weitergrasten. Die blonde Mähne wehte im Wind, der dunkle Teint glänzte im Sonnenschein und das Gesicht war immer auf die Kamera fixiert. Nein, ich habe im Nordatlantik keine Supermodels abgelichtet, sondern die berühmten Vierbeiner, mit demselben Namen wie die Inselgruppe. Die Ponys waren gut drauf und neugierig, wer da auf ihrer Weide vorbeischaute. Leider waren sie die einzigen Tiere, die so zutraulich waren. Die angeblichen Vogelkolonien waren bis auf die Möwen leider aufgelöst, oder die Vögel waren schlauer als ich und haben die Reise nach Süden bereits begonnen, wohingegen für mich die Reise immer weiter nach Norden führte. Auf den Shetlands läuft das Alltagsleben etwas anders ab als bei uns. In den Bussen werden Lebensmittelpakete überall mit hingenommen und an die Bewohner in den entlegenen Dörfern ausgeliefert. Aus Mangel an ebenen Stellen wurde der Flughafen quer über die Insel angelegt, sodass Autos und Fußgänger wie bei einem Bahnübergang an den Leuchtzeichen warten müssen, falls ein Flieger startet beziehungsweise landet.

      Um zwei Uhr nachts ging ich auf die große Überfahrt auf die Färöer. Ich war von der Auslastung des Schiffes überrascht, bekam ich doch auf diesem Riesendampfer, der bis zu 1.000 Leute transportieren konnte, eine 6-Bett-Kabine für mich alleine. So schlief ich bei gemütlichem Hin-und-her-Schwanken endlich um halb drei nachts ein. Nach 13 Stunden Fahrt erreichten wir Thorshavn, die Hauptstadt der Färöer, wo ich einen kleinen Stadtbummel machen konnte. Die alten, kleinen, schwarzen Holzhäuser aus dem 16. Jh. mit ihren knallroten Türen und Fensterläden haben mir besonders gefallen. Die Dächer sind nicht mit Ziegeln sondern mit dichtem Gras versehen. In Thorshavn konnte ich mich auch wieder »sicher« fühlen, herrscht doch auf den Färöer Rechtsverkehr, und die Chance, Opfer eines Unfalls zu werden, sollte doch geringer werden. Die Färöer verabschiedeten sich auf der Weiterfahrt, so wie ich sie auf einer früheren Reise kennen gelernt habe: mit einem wunderschönen Theaterstück von der Natur komponiert. Die lang gezogenen Bergrücken der Inseln Kalsoy, Kunoy und Borðoy dienten als Kulisse. Das glatt daliegende Meer war das Parkett und die Hauptdarsteller waren Wolken und die untergehende Sonne. Sie präsentierten permanent neue Szenen. Auf dem Sonnendeck der Norröna, meinem betagten Schiff, konnte ich dieses Schauspiel richtig genießen, ehe es in Richtung Nordwesten nach Island ging.

      Bei der dortigen Ankunft wurde ich vom Wetter nicht enttäuscht: Sturm, Nebel und Platzregen. Alle, die je dort waren, haben mich vor dem Wetter gewarnt, und sie hatten leider alle Recht. Ich war gespannt, wie lange ich dieses Wetter aushalten würde. Auf jeden Fall musste ich vom Osten Islands irgendwie in Richtung Reykjavik gelangen, um meine Reise fortzusetzen. Ob ich bis dahin festgefroren oder mit Moos überwachsen war, blieb abzuwarten.

      Unterwegs in Snæland

      Etappe: Von Seydisfjörður, Ísland 65° Nord 14° West (GMT+0) nach Akureyri, Ísland 66° Nord 18° West (GMT+0): 598 km – Total 5.068 km

      Akureyri, 12. September 2002

      Glücklicherweise ist der erste Eindruck, den ich von einem Land gewinne, nicht immer der entscheidende. Dies trifft auf Island ganz besonders zu, denn mittlerweile hatte ich mich gut eingelebt, kein Moos angesetzt und mich mit »Light Beer«{21} angefreundet.

      Den ersten Bewohnern dieser Insel, die diese damals Snæland{22} nannten, war ich bereits seit den Shetlandinseln und den Färöer auf den Spuren. Das Jahr 874 wurde in den Geschichtsbüchern und Sagen als das Jahr der ersten permanenten Besiedlung der Insel festgehalten. Vorher kamen nur irische Mönche, um als Einsiedler auf Island zu leben. Diese sorgten (un)natürlicherweise für keine Nachkommen. Wikinger, die zu Hause in Norwegen ihren heidnischen Kulten nicht mehr nachgehen durften, flohen erst in Richtung Schottland, um sich mit Frauen »einzudecken«, ehe sie der Zufall wegen schlechter Winde nicht auf die Färöer, sondern nach Snæland brachte. Einige Jahre später wurde die Insel von einem anderen Wikinger wegen vorbeiziehender Eisberge in Ísland{23} umbenannt. Da die Wikinger von der Monarchie in Norwegen genug hatten, gründeten sie im Jahr 930 eine Art Nationalversammlung, den Alþing, in dem einmal jährlich alles Wichtige für das Land entschieden wurde. Das Isländische entwickelte sich aus dem Norwegischen, das zu dieser Zeit gesprochen wurde. Die Sprache ist eine der schwierigeren, alleine schon wegen der vielen fremdartigen Buchstaben. »ð« wird wie »th« im englischen »them« gesprochen; »þ« ist auch ein »th«, welches wie im englischen »thin« ausgesprochen wird, wohingegen »æ« wie »ei« und »ll« wie »ddl« klingt. Dazu kommt der Umstand, dass Substantive wie im Lateinischen dekliniert werden. Für Busfahrpläne wird bei Ortsnamen der Dativ benutzt, der beispielsweise für die Stadt Höfn »Havnar« lautet. Darauf musste ich erst einmal kommen. Für die Zahl eins existiert sogar der Plural, um z. B. die Formulierung »ein paar Schuhe« auszudrücken. Isländer haben ein ähnliches sprachliches Faible wie die Franzosen, die auch für neue Begriffe Sprachschöpfung betreiben. Das isländische Wort für Computer wurde z. B. aus »tala« und »völva«{24} gebildet und heißt »tölva«.

      So war ich glücklich, dass Isländer ein Einsehen haben und immer sehr gut Englisch sprechen können. Ansonsten hätte ich vor einem riesigen Problem gestanden. Ein Problem, mich richtig für Island im wahrsten Sinne des Wortes zu erwärmen, stellte aber der erste Tag dar. Für Wettergurus hier die Wetterdaten von Seydisfjörður am 5. September um zwölf Uhr mittags: 051200 09020G30KT 1000 +RA OVC030 03/01 Q990{25} oder auf Deutsch: Sauwetter.

      Am nächsten Tag sah es nicht besser aus, und was das Sehen betraf, sah ich dank der niedrig hängenden Wolken, die wie Watte alles zudeckten, sowieso nichts. Die Busfahrt mit zwei Passagieren an Bord ins 20 Kilometer entfernte nächste Dorf zeigte bereits, dass es


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