Wo ist Schmidt?. Franz Staab

Wo ist Schmidt? - Franz Staab


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sitzen wir bei Thomas zuhause im Wohnzimmer und reden darüber, dass sich REM aufgelöst haben. Die Hardrocker um den charismatischen Frontmann Michael Stipe aus Georgia USA hatten einunddreißig Jahre lang die Musikwelt begeistert. Wir sind, wie so viele andere musikinteressierte Menschen weltweit, perplex.

      Einunddreißig Jahre sind eine lange Zeit. Eine so lange Zeit, dass man zwar darüber trauern mag, dass es diese famose Band nun nicht mehr gibt, aber andererseits auch voller Respekt anerkennen will, dass sie nun einen sauberen Abgang hingelegt haben. Das gelingt nicht allen. Chapeau!

      Einunddreißig Jahre, ähnlich lange träumt Thomas Schmidt von einer Teilnahme bei einem Ironman-Wettkampf. 2012 soll es endlich soweit sein.

      Thomas und Heikes Kinder sind groß, das Haus ist gebaut, das berufliche Fundament stabil, Thomas hat sich in Frankfurt angemeldet, er will sich endlich seinen großen Traum erfüllen: Das Finish über die Volldistanz.

      Wir sitzen auf der Couch und trinken darauf: „Prost Frankfurt!“

      Der Waldaschaffer Tausendsassa hat schon viel mitgemacht und erlebt: Er war als junger Pfälzer, der er war und ist, ambitionierter Fußball-Torwart. Außerdem ist er schon immer viel geschwommen: „Schwimmen war immer ein Ausgleich für mich“, sagt er. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass er in der jüngeren Vergangenheit bereits Langdistanz-Luft geschnuppert hat, als kraulender Staffelteilnehmer in Roth 2010 und 2011.

      Thomas ist ein Mensch mit vielen Facetten. Er ist ein kreativer Kopf, arbeitet als selbstständiger Mediengestalter, er ist gesellig. Zur Zeit hat er einen herausnehmbaren Schneidezahn, den er (nur zuhause) manchmal auszieht, was ich ausnehmend cool finde, weil es einen vollendeten Piraten aus ihm macht. Er ist ein famoser Grillmeister, mag kleine Weißbierflaschen und ist ein totaler Familienmensch. Obwohl er sich einen seiner Daumen beim Holzmachen zur Hälfte weggesägt hat, lieben ihn seine Jungs Max und Leon, oder gerade deshalb? Sein Hund hört auf ihn und seine Frau lacht immer. Noch was? Ja. Thomas sieht immer gut aus (egal wie ungekämmt er ist) und trägt vorzugsweise Heinerman-Finishershirts. Beim sogenannten Heinerman-Wettkampf im hessischen Darmstadt gibt es tatsächlich die mit Abstand schönsten Finishershirts auf diesem Planeten! Nicht wenige Triathleten gehen nur wegen der jedes Jahr anders gestalteten Langarm-Shirts dort an den Start.

      Das alles ist schön und macht neugierig.

      Ich möchte wissen, wie sich so ein bewundernswert normaler Mensch verändert, während der Vorbereitung auf einen Ironman-Wettkampf.

      Das enorme Trainingspensum wird den Familienalltag durcheinanderwirbeln. Ich möchte wissen, wie er das macht, wie er das hinkriegt mit seinem Leben und dem seiner Lieben. Wie sich seine unmittelbare Umgebung mit allen Unwägbarkeiten auf ihn einnordet und er sich auf sie. Oder wird er nur in sich sein? In sich ruhen? Fragen über Fragen.

      Um Antworten zu finden, habe ich Thomas gefragt, ob er damit einverstanden ist, wenn ich ihn in unregelmäßigen Abständen besuche, um mich mit ihm zu unterhalten über seinen Weg nach Frankfurt. Der Beginn unserer Unterhaltungen sollte unmittelbar nach der TV Goldbach - Marathonreise nach Basel 2011 sein. Das ist jetzt. Krönender Abschluss der Gesprächsrunden in lockerer Atmosphäre wird dann hoffentlich ein grandioses Finish am 08. Juli 2012 am Frankfurter Römer sein.

      Wir sind zu viert, außer Thomas und dessen Frau Heike komplettiert meine Frau Tina die Runde.

      Meine erste Frage geht an Heike: „Heike, wie denkst Du über die Pläne Deines Mannes?“

      „Ich kenne Thomas jetzt achtzehn Jahre und das erste, was mir Thomas von sich damals erzählt hatte, war, dass er am darauffolgenden Wochenende eine Mitteldistanz in Erlangen machen würde. Ich konnte damals mit dem Begriff Mitteldistanz gar nichts anfangen und er musste mir erst erklären, was Triathlon überhaupt ist, ich hatte keine Ahnung. Gleich im Anschluss sagte er mir, dass sein großer Traum eine Ironman-Teilnahme sei. Das waren so mit die ersten Sätze, die wir gewechselt haben. Ja, und jetzt, nach achtzehn Jahren, ist es eben soweit.“

      Tina stellt fest, dass in den vergangenen achtzehn Jahren viel geschehen ist und die Kinder groß geworden sind. Thomas bejaht das und überlegt gründlich, bevor er fortfährt: „Man sagt immer so lapidar, man hat keine Zeit, oder man hat keine Zeit für so was. Ich sage, die Zeit hat man immer, man muss sie sich nur anders einteilen. Und das will man halt manchmal nicht. Davon abgesehen, für so einen großen Wettbewerb denke ich schon, dass man das auch nicht alleine entscheiden kann. Es sind Verpflichtungen gegenüber der Familie da, es ist nicht einfach, so eine Entscheidung zu treffen. Wenn man in einer Partnerschaft lebt, was ich mit Leib und Leben tue, dann muss bei so einem Entschluss, der ja auch sehr egoistisch ist, wirklich alles passen: Die Ehe, der Beruf, man muss seinen Ausgleich haben. Und das gilt nicht nur für mich, das gilt auch für alle anderen im Umfeld. Heike hat jetzt auch eine Arbeitsstelle, bei der alles passt. Auch sie hat ihren Ausgleich, ihren Chor, das ist alles sehr schön. Die Kinder sind groß und selbstständig. Dazu kam ein Schlüsselerlebnis!“

       Das Schlüsselerlebnis

      „Heike hatte mich in all den Jahren zu allen Wettkämpfen begleitet und hat 2010 selbst am eigenen Leib gespürt, wie elektrisierend das Erlebnis eines erfolgreichen Finishs ist. Sie hat eine Sprintdistanz bewältigt und bei zwei Staffeln mitgemacht“, erzählt Thomas nicht ohne Stolz. „Kurz darauf hat der Familienrat getagt und es wurde beschlossen, dass es 2012 soweit sein soll meinen Traum zu verwirklichen. Und jetzt freue ich mich innerlich wie ein kleiner Bub.“

      Ich selbst muss schmunzeln, als Thomas das sagt. Er spricht von sich als einem „kleinen Bub“. Man muss wissen, dass Thomas drei Geschwister hat, drei Schwestern! Und er ist der Jüngste. Wenn man das Glück hat (und ich hatte das schon oft) mit diesem Mann einen genauso redseligen, wie kulinarisch genussvollen Abend verbringen zu dürfen, bekommt man irgendwann erzählt, wie sehr „der kleine Bub“ heute noch zum Leben erwacht, wenn er mal heimfährt in die Pfalz. Da wird alles stehen und liegen gelassen, es wird Kuchen gebacken und alle Leibspeisen des inzwischen Erwachsenen werden aufgetischt, den wann kommt schon mal „der Bub“ heim! Thomas genießt das und gibt es auch unumwunden zu, er strahlt dann über beide Ohren und freut sich herrlich über seine Mittelpunktrolle in seiner Pfälzer Familie.

      Ich will wissen, wann der Moment da war, in dem Thomas voll realisiert hatte, dass die Sache mit dem Ironman jetzt wirklich gefixt ist. Von der blanken Idee an, die jetzt ausgesprochen ist, bis zu dem Punkt, wo er wirklich gemerkt hat, dass es tatsächlich Wirklichkeit wird.

      „Es war nicht der Moment, ab dem ich dort gemeldet war“ antwortet Thomas und fügt hinzu: „Die Erkenntnis kam erst nach Basel. Unmittelbar nach Basel war ich Montags auf der Kerb in Waldaschaff (Ank. d. Autors: wo sich Thomas quasi komplett „resetet“ hat, alle lachen..) und habe dann im Anschluss eine Woche lang gar nichts gemacht. Dann habe ich realisiert, dass der Tag X jetzt ansteht und dass mein Training dafür jetzt beginnt.“

      Basel hat also positiv gewirkt in Thomas, jetzt ist er kopfmäßig voll auf Frankfurt gerichtet und „freut sich total“.

      Wie wird die Familie das packen? Das beschäftigt ihn im September 2011 mit am Meisten.

      Dass er das packt, davon geht er aus. Es ist ihm vollkommen wurscht, in welcher Zeit, betont er.

      Thomas kann aber keine vier Stunden Fahrrad fahren, wenn er weiß, dass zuhause etwas nicht stimmt. Das muss sich noch setzen, das wird spannend die nächsten Monate, sinniert Thomas.

      Thomas ist ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Streit und Zank sind ihm fremd.

       Thomas würde sein Vorhaben auch abbrechen

      Hündin Anka nennt er seine „Trainingspartnerin“. Und die Familie, wieder die Familie, natürlich, soll am Wettkampftag dabei sein.

      „Und wenn die aus irgendeinem Grund nicht kann, die Familie?“, frage ich.

      „Ja. Dann starte ich auch nicht. Wenn irgendetwas passiert, wenn ich merke, das tut uns allen nicht gut, dann breche ich


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