Koppelgeschichten - von und mit Pferd. Gabi Lohmann

Koppelgeschichten - von und mit Pferd - Gabi Lohmann


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war sie in ihrem Beruf sehr erfolgreich und hatte eigentlich gar keine Zeit für ein eigenes Pferd. Aber da Geld bei ihr reichlich vorhanden war, entschied sie sich damals für Topgun und einen Komplett-Beritt.

      Der Bereiter war gleichzeitig auch mein Reitlehrer, und als mein Reitabzeichen-Pferd kurz vor der Prüfung lahm ging, fragte er kurzerhand Heike, ob wir Topgun ausleihen dürften. So begann meine Zeit mit dem wunderschönen Tier.

      Mein Reitabzeichen bestand ich mit Bravur. Topgun und ich harmonierten wunderbar zusammen – und Heike gefiel, was sie sah. Sie bot mir eine kostenlose Reitbeteiligung, wenn ich bereit war, das gesparte Geld für Einzelstunden zu investieren. Wie war ich froh, als meine Eltern zustimmten! Mit meinen damals 15 Jahren hätte ich mir so eine Entwicklung nie träumen lassen.

      Sieben Jahre später staunte ich im Rückblick immer noch, was mir sozusagen ‚in den Schoß gefallen‘ war. Am Anfang hatten Heike und ich beide an den Turnieren teilgenommen. Aber bald machte es mir einfach nicht mehr so richtig Spaß. Lieber ‚tanzte‘ ich daheim allein oder unter Aufsicht unseres Reitlehrers mit Topgun durch die Halle oder ging einfach mal ins Gelände.

      Bei Heike war das anders: Sie genoss den unerwarteten Erfolg. Sie ritt an ein bis zwei Tagen in der Woche und ging am Wochenende Turnier. An den turnierfreien Wochenenden hatte ich Topgun für mich. Es war nicht so, dass Heike Topgun nicht schätzte, aber für sie war er halt ‚nur‘ ein Pferd. Eine richtige Beziehung hatte sie nie zu ihm aufgebaut. Am Anfang hatte ich es nicht verstanden – nein, ich habe es bis heute nicht kapiert: Wie kann man ein Lebewesen besitzen, es aber gefühlsmäßig nicht an sich heranlassen? Andererseits hatte es den Vorteil, dass Heike nie eifersüchtig wurde, wenn Topgun mir entgegen wieherte. Sie konnte darüber lächeln.

      Die Fahrt verlief wortkarg wie meistens. Aber das störte mich nicht. Nach sieben Jahren waren Heike und ich ein eingespieltes Team. Jeder wusste, was er von dem anderen zu erwarten hatte.

      Den Turnierplatz kannten wir vom vorangegangenen Tag. Gestern war Topgun in einer L-Dressur und einem L-Springen gestartet und war beide Male platziert worden. Das Springen hatte er sogar gewonnen! Für heute stand eine M-Dressur morgens und ein M-Springen nachmittags auf dem Plan. Heike suchte einen Platz ganz am Ende der zum Parkplatz degradierten Wiese. Wir hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, ein kleines Stück ‚Parkplatz‘ neben dem Transporter mit Stangen und Litze abzustecken, sodass Topgun zwischen den Prüfungen etwas grasen konnte. Bisher hatte sich noch keiner beschwert, zumal wir, wie gesagt, ganz hinten parkten.

      Heike machte sich auf den Weg zur Meldestelle, während ich Topgun auslud und für die Prüfung sattelte. Wir hatten noch etwas Zeit und so ritt ich mit Topgun außen um den Turnierplatz zwischen den Feldern die Wege auf und ab. Ich genoss die beginnende Wärme der Sonne auf meinen Beinen. Topgun schnaubte zufrieden und ließ den Kopf hängen. Nie würde er versuchen schnell einen Grashalm zu naschen – Trense im Maul hieß ‚Arbeiten‘ - und nicht ‚Fressen‘. Mein Blick strich aufmerksam über den Weg vor mir. Leichte Unebenheiten waren für Topgun kein Problem, aber ich wollte nicht auf dem unbekannten Weg unversehens in ein Loch geraten. Es war ein wunderschöner Morgen: Das Gras glänzte noch feucht vom Morgentau, die Luft war kühl und frisch. Vögel strichen auf der Suche nach Futter über die abgeernteten Felder. Ich spürte unter mir die kraftvolle Bewegung meines Pferdes. Ich schloss kurz die Augen und genoss die friedliche Umgebung.

      Rechtzeitig eine halbe Stunde vor Prüfungsbeginn traf ich mit Topgun am Abreiteplatz ein. Heike wartete bereits dort, in eine Unterhaltung mit einem befreundeten Reiter vertieft. Ich grübelte kurz, während ich mich aus Topguns Sattel gleiten ließ. Richtig, Stefan hieß er. Mit Menschen-Namen hatte ich es einfach nicht so. Aber sein Pferd, ein kleiner quirliger Fuchs namens Firlefanz, war mir noch gut im Gedächtnis. Ich verharrte kurz, mein Gesicht in Topguns Mähne verborgen und atmete den Duft des Wallaches. Firlefanz hatte gestern auch an den beiden Prüfungen teilgenommen. Während Topgun – wie soll ich sagen – die Prüfung wie ein ‚Erwachsener‘, der sich seiner Verantwortung voll bewusst ist, absolviert hatte, jagte Firlefanz wie ein übermütiger Jugendlicher durch den Parcours. Viel hatte er nicht ganz gelassen. Andererseits konnte ich mich an Tage erinnern, an denen es uns der kleine Fuchs verdammt schwer gemacht hatte. Wenn Firlefanz wollte, konnte er ein harter Konkurrent sein. Nur wollte er, sehr zum Ärger seines Reiters, nicht sehr häufig.

      Ich schmunzelte vor mich hin. „Na, Stefan“, neckte ich ihn. „Meinst du, dein Pferd hat es sich über Nacht anders überlegt und nimmt diesmal an der Prüfung teil?“

      Stefan lachte trocken. „Klar! Ich habe es ihm auf der Hinfahrt noch einmal deutlich erklärt: Kleine weiße Stangen auf dem Boden sind Dressurplatzbegrenzungen und dürfen nicht übersprungen werden. Ich glaube, er hat es verstanden. Und wenn er so springt wie gestern – und die Stangen liegen bleiben, habt ihr es heute Nachmittag ganz schön schwer!“

      Ein Junge kam auf Firlefanz angeritten und übergab ihn an Stefan. Heike saß schon auf Topgun und richtete sich die Bügel. Stefan und Heike ritten nebeneinander auf den Abreiteplatz. Der große Schimmel mit dem ruhigen Blick und den aufmerksam gespitzten Ohren und der kleine zappelige Fuchs mit den wachen Augen und dem unruhig schlagenden Schweif. Zwei Pferde, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten!

      In der Prüfung später überraschte Firlefanz uns alle. Als hätte er es sich von Topgun abgeschaut, spulte er die Dressuraufgabe ruhig und souverän ab. Nichts war mehr von der Anspannung am Abreiteplatz zu spüren. Was immer Stefan getan hatte: Er hatte ganze Arbeit geleistet.

      Topgun zeigte sich zuverlässig wie immer. Aber bei gleicher Leistung verfügte der kleine Fuchs über einen Hauch mehr Ausstrahlung als unser großer Schimmel, und das brachte Firlefanz an diesem Morgen den Sieg.

      Während Stefan und Heike ihren Erfolg im Esszelt feiern gingen, übernahmen der unbekannte Junge und ich nach der Siegerehrung die Pferde. Topgun ging gelassen neben mir her. Er schien mit sich und der Welt zufrieden, während der Junge alle Hände voll zu tun hatte: Firlefanz war nach der Ehrenrunde, die er hatte anführen dürfen, total aufgedreht. Ich schmunzelte vor mich hin und lehnte meinen Kopf an Topguns Hals. Wie liebte ich dieses große zuverlässige Pferd!

      Nachdem ich Topgun auf seine Mini-Weide entlassen hatte, genoss ich den Schnitzel-Weck und die Cola, die Heike mir vorbeibrachte. Während sie sich mit Freunden traf, genoss ich die Abgeschiedenheit hier am Ende des Parkplatzes. Dies war für mich die pure Erholung zwischen meinen anstrengenden Studientagen: Auf einem Stuhl sitzend, die Sonne im Gesicht und das Pferd neben mir auf der Weide – was gab es Schöneres?

      Zum Nachmittag hin richtete ich Topgun für das anstehende Springen. Der Turnierplatz füllte sich nach und nach mit Zuschauern, denn das Springen war als letzte Prüfung auch der Höhepunkt des Turniers. Ich nahm mir wieder die Zeit zwischen den Feldern herumzureiten, denn der Abreiteplatz war den Turnierteilnehmern vorbehalten und zudem sicherlich schon gut gefüllt. Am Abreiteplatz wiederholte sich der Pferdewechsel wie am Vormittag. Nur hatte Stefan diesmal mehr als gute Laune. Sein Pferd hatte seinen ‚guten Tag‘ und seine Chancen, auch im Springen eine Schleife zu gewinnen, standen gut.

      Stefan war einer der ersten Starter und zeigte allen, wie man so einen Parcours anging. Ohne einen einzigen Fehler zu machen, hüpfte der kleine Fuchs über die für ihn doch recht hohen Hindernisse. Nach dem letzten Sprung gönnte er sich noch einen kräftigen Buckler, der Stefan fast aus dem Sattel katapultierte. Nach einer kurzen Schrecksekunde bekam Stefan sein Pferd wieder unter Kontrolle. Lachend klopfte er ihm den Hals und ritt strahlend an uns vorbei.

      Heike hatte noch viel Zeit. Topgun war einer der letzten Starter. Zwischen Firlefanz und Topgun hatten es bisher nur zwei andere mit einer fehlerfreien Runde geschafft. Topgun enttäuschte Heike nicht. Ruhig und souverän nahm er alle Hindernisse und war damit der vierte und letzte Teilnehmer im Stechen.

      Und dann ging alles irgendwie ganz schnell. Ich sehe das Ganze heute immer noch wie einen Film vor mir ablaufen: Firlefanz geht motiviert in das Stechen, verliert aber am letzten Sprung die Lust und zerlegt das gesamte Hindernis. Die beiden andern Teilnehmer reiten wie der Teufel, um eine gute Zeit zu erzielen. Das hilft ihnen aber nicht viel, denn vor der Zeit, zählt die Fehlerfreiheit und beide machen zwei Fehler, also acht Fehlerpunkte. Bisher führt Firlefanz. Stefan stellt sich, sein Pferd


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