Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen

Auf ihren Spuren - Sabine von der Wellen


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folge ihm an eins der Fenster. „Schau da rüber. Das hat Cecilia sich immer angesehen und gesagt: „Marco, das da, das wird mal mein Domizil.“

      Ich sehe über den Park und die Häuser hinweg direkt auf das, in dem die WG liegt.

      „Was hat Mama hier gemacht?“, frage ich verunsichert und von seltsamen Gefühlen durchdrungen bei dem Gedanken, dass Mama auch schon mit Marco hier an diesem Fenster gestanden hat. Mein Blick fällt in die Suite zurück, zu dem Bett.

      „Manchmal ihren Job, manchmal ihre eigene Wunscherfüllung und viel zu selten meine.“ Marco klingt einen Moment frustriert, grinst mich dann aber entschuldigend an. „Aber sie schickte dich zu mir und wir beide können ihr Lebenswerk weiter voranbringen.“

      Ich sehe wieder zur WG hinüber. Marco glaubt offensichtlich, dass Cecilia uns wirklich führt. Aber ich denke immer noch, sie wollte alles, nur nicht das.

      Aber auch meine Mutter hatte nicht in allem recht. Ich habe eine der wundervollsten Nächte mit dem wundervollsten Mädchen hinter mir. Und das, ohne sie vorher gekannt zu haben und in Liebe entbrannt zu sein.

      Ich seufze auf.

      Mir geht es gut damit, meine erste Nacht mit einem Mädchen verbracht zu haben, dass nicht meine Freundin war. Vielleicht bin ich doch nicht so anders als Cecilia. Im Moment kann ich nur daran denken, diese Gefühle der letzten Nacht weiter auszuloten.

      „Also. Ich muss bis zum Abend in Stuttgart sein. Sehen wir uns nächstes Wochenende? Dann führe ich dich in Jeannies Underworld ein. Das Programm wird dich überraschen. Wir haben lange daran herumgefeilt, um es sicher zu machen.“

      „Sicher zu machen?“

      „Joel, vieles, was Cecilia tat, war grenzwertig. Und diese Seite … sie birgt Möglichkeiten weit über die Grenzen hinaus. Darum ist es wichtig, dass wir mit niemandem darüber reden. Sonst kann uns das ins Gefängnis bringen. Das muss dir klar sein!“

      Ich kann nicht richtig denken. Marco verlangt wirklich zu viel von mir. In meinem Kopf brummt es und langsam fühlt sich mein Magen wie mit Steinen gefüllt an. Darum nicke ich nur.

      Marcos grünen Augen verengen sich. „Ich glaube, du solltest erst mal nachdenken. Überlege dir bis nächste Woche, was du tun willst. Und dann schauen wir, ob du Mann genug bist, dich ins Abenteuer des Lebens zu stürzen.“

      Ich starre ihn einen Moment aufgebracht an. Was glaubt er von mir? Natürlich bin ich Mann genug.

      „Wir treffen uns nächsten Samstag hier“, sage ich überheblich und Marco grinst wissend. „Ja, nächsten Samstag. Ich mache das Zimmer heute gleich wieder für nächsten Samstag klar.“

      Ich bin froh, dass ich bis dahin Zeit habe, um zu verdauen, was alles passiert ist und was alles passieren soll. Ich brauche wirklich Bedenkzeit, um das alles zu begreifen. Aber ich werde nicht abspringen. Bestimmt nicht. Marco biete mir einen Einblick in Mamas Wirken, wie es sonst keiner kann.

      Mein Blick läuft zu der Nummer auf meiner Hand.

      Marco seufzt auf. „Das war ein dummer Aussetzer.“

      Ich sehe auf und verstehe nicht, was er meint.

      „Lisa sollte sich nicht zu solchen Gefühlsduseleien herablassen. Das schadet ihr nur. Sie braucht immer einen klaren Kopf, sonst kann sie ihren Job nicht mehr gut machen und geht unter.“

      Ich verstehe nicht, von was er redet und murmele: „Was meinst du damit?“

      Marco geht zu seinem Sessel zurück und greift nach der Kaffeekanne, um sich erneut Kaffee einzuschenken. „Dir ist doch klar, dass sie sich die Nacht mit dir bezahlen ließ?“

      Ich starre Marco fassungslos an. Seine Worte kommen erst langsam in meinem Kopf an und ich zische wütend, weil ich nicht weiß, was ich sonst dazu sagen soll: „Ich zahle dir das zurück!“

      Marco dreht sich zu mir um und verzieht das Gesicht, als hätte ich ihm vor die Füße gekotzt. „Ich habe dir doch gesagt, das war eine Gratiswunscherfüllung von Jeannie, die schon lange überfällig war.“

      Was soll ich dazu sagen?

      Marco wartet keine Antwort ab, sondern raunt nur: „Joel. Ich will dir auch nur damit sagen, dass diese Welt alles bietet, was man sich wünschen kann. In hundertfacher Ausführung. Aber du darfst dich nicht von Gefühlen leiten lassen.“

      „Tue ich nicht“, zische ich und mir wird langsam klar, was er mir da zu verstehen gibt. Meine letzte Nacht war eine gekaufte. Dennoch war sie viel zu schön, um sie deshalb unterzubewerten und das Gefühl, Lisa zu lieben, durchströmt mich wie heißes Wasser. Egal, was Marco faselt. Und sie hat mir ihre Nummer gegeben. Sie wird dasselbe für mich empfinden.

      Als ich eine halbe Stunde später auf den Park zusteuere, wird mir endgültig klar, dass ich in der letzten Nacht mit einem Milieu Bekanntschaft machte, dass ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte und dessen Existenz ich notgedrungen kurz in meine Gedanken ließ, wenn ich über den Sinn und Unsinn von Mamas seltsamer Kleiderauswahl nachdachte.

      Heute weiß ich, Mama lebte darin ihre Träume aus und das in dem Zimmer, in dem ich letzte Nacht das erste Mal Sex hatte. Und sie hatte ihn dort auch. Wie und mit wem will ich lieber nicht hinterfragen. Aber es war nicht immer Marco.

      Dass er immer noch an dem Zimmer festhält, verstört mich. Auch Marco hat ein paar Eigenheiten, die ich noch nicht ganz durchschaue. Er liebte meine Mutter und ertrug, dass sie andere hatte und erträgt noch, in dem Zimmer zu sein, dass dafür prädestiniert war, ihn zu betrügen.

      Was für eine Form von Liebe kann so etwas ertragen? Und welcher Mensch kann einem schönen Menschen wie Marco so etwas antun?

      Ich frage, wie zum hundertsten Mal in den letzten Monaten: „Cecilia, wer warst du?“

      Und zum ersten Mal frage ich mich: „Und zu wem werde ich werden, wenn ich deinem Pfad folge?“

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