HASSO - Legende von Mallorca. Wolfgang Fabian

HASSO - Legende von Mallorca - Wolfgang Fabian


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Zurück in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die interessanteste Zeit für den jungen Hasso war zweifellos die auf der Insel Rügen, wo sein Vater beruflich engagiert war. Fast täglich hielt sich der Junge im Schloss des Fürsten von Putbus auf. Franz, des Fürsten Malte jüngster Sohn, zählte zu seinen engsten Freunden. Ein Leben in aristokratischer Umgebung, die freundschaftlichen Bindungen in diesen Kreisen und die von ihr oft ausgehenden, weitreichenden Beziehungen waren seit eh und je eine Garantie für Ansehen und Erfolg.

       Verantwortlich für Hassos Weiterbildung war das altehrwür­dige Pädagogium in Putbus. Natürlich ging es in solch einer In­stitution nicht immer zu wie vermutlich in einer Klosterschule. In Hasso, inzwischen im dreizehnten Lebensjahr und seit etwa anderthalb Jahren auf Rügen wohnhaft, rührte sich erstes Geschäftsinteresse. Eines Tages entdeckte er in der Bibliothek sei­nes Vaters explizierte Bücher wie beispielsweise den Band Die perfekte Liebe zwischen Mann und Frau. Überzeugt, mit dieser Art Literatur, noch dazu reichlich bebildert, auch seine Mit­schüler begeistern zu können, zog er die Bücher, es waren deren drei, nach und nach heimlich aus dem Regal und verlieh sie gegen eine Gebühr von zehn bis fünfzehn Pfennig, je nach be­bildertem Inhalt und Umfang. Doch bald bekamen die Lehrer Wind von der Sache, und da Hassos eklatantes Verhalten nicht mit ihren Moralvorstellungen in Einklang zu bringen war, musste er die Schule verlassen.

      Vater Eugen wertete die Maßnahme als eine weit überzogene Reaktion, aber keiner der maßgeblichen Herren ließ sich zu einer Urteilsänderung erweichen. Hasso hatte für eine Situation gesorgt, über die sich heute niemand aufregen würde. Aber da­mals veranlasste sie Vater Eugen, Rügen zu verlassen. Er dach­te auch nicht daran, die Bildung seines Sohnes in der Volks­schule in Putbus fortführen zu lassen. Also reisten Vater und Sohn zurück nach Hamburg.

       Für interessierte Leserinnen und Leser ein paar Worte zum Pädagogium in Putbus: Erbauen ließ es in den Jahren 1833/36 Fürst Wilhelm Malte I. zu Putbus, der es nach Fertigstellung dem preußischen Staat übergab. Das somit Königliche Päd­agogium (Name ab 1919: Staatliches Pädagogium) war nach der Universität Greifswald das bedeutendste Bildungsinstitut Vorpommerns, bis die Nazis in den dreißiger Jahren kurzerhand die traditionsreiche Lehran­stalt auflösten und dafür die Parteispezifische Erziehungsanstalt Rü­gen installierten und unterhielten. Die Anstalt war bis Kriegsende in Betrieb. Geraume Zeit später waren die Gebäude ein Ausbildungszentrum für Lehrer und von 1975 an wurden in den Räumen gehörlose Kinder betreut und unterrichtet. Von 2000 bis 2002 stand der Gebäudekomplex teilweise leer und drohte zu verkommen. Doch dann wurde er zu neuem Leben erweckt: Das sogenannte IT-College Putbus begann, dort Fachkräfte für Infor­matik auszubilden, was die ersten Jahre auch ordentlich lief, bis Insolvenz die Sache stoppte.

       Ein Wort noch zu Hassos Schulfreund Fürst Franz zu Putbus. Dessen Vater, Fürst Malte, trat 1932 der NSDAP bei. Doch in den Folgejahren machte er, der nicht aus Überzeugung Par­teimitglied geworden war, sondern aus Gründen, die u.a. der Sicherung seiner Familie und seinen Besitztümern dienlich sein soll­ten, gelegentlich mit parteischädigenden Bemerkun­gen auf sich aufmerksam. Genauer besehen passte der Adel nicht in das Konzept der Nationalsozialis­ten. Fürst Malte erfuhr sehr schnell seinen Parteiaus­schluss; doch nicht genug: Im Zuge der Verhaftungswelle nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 nahm ihn die Gestapo fest und schickte ihn zu­nächst in die Gefängnisse von Stralsund und Greifs­wald und schließlich in das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo er 1945 als Nazi-Gegner ermor­det wurde.

      1990 strengte sein Sohn und Erbe Franz (der ältere Bruder Friedrich ist im Zweiten Weltkrieg gefallen) einen der größ­ten Rückgabeprozesse in den neuen Bundesländern an. Dabei ging es um riesige Anlagen auf insgesamt etwa 16.000 Hektar. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte noch vor Gründung der DDR die Enteignung der fürstlichen Besitztümer vorgenommen. Es war aber offensichtlich, dass bereits die Nazis die Fürstenfamilie um ihren Besitz gebracht hatten, was angeblich nicht nachzuweisen war. Andernfalls wäre für den Fürsten die Sache sicherlich positiv beschieden wor­den. Das Schicksal sei­nes Vaters werteten die Richter mit der sonderbaren Feststel­lung: Der im KZ Sachsenhausen ermordete Fürst hätte die Möglichkeit wahrnehmen können, sich rechtzeitig vor den Na­zi-Schergen in Sicherheit zu bringen. Nach diesen Rückgabe­ablehnungen der Gerichte rief Fürst Franz 1998 die letztmögli­che Instanz an, die aber die Ablehnung seiner Ansprüche end­gültig festschrieb.

      Hasso realisierte nach der Wende 1989 umgehend die persönlichen Kontakte zu seinen ehemaligen Rügener Klassenkameraden. Für ihn, der der DDR-Grenze bis zur Öffnung fern­bleiben musste, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, verhaftet zu werden, wurden seine neu geschaffenen Verbin­dungen mehr eine Demonstra­tion seines Reichtums als ein wahres kameradschaftlich verbunden­es Bedürfnis. So folgte nicht nur hin und wieder Fürst Franz seinen Einladungen, son­dern einmal auch seine sämt­lich reise­fähigen Klassenkamera­den, die er geschlossen im Son Vida, dem Hotel allererster Güte auf Mallorca, wohnen ließ. Er de­monstrierte Reichtum und Macht vor seinen Gästen aus der ehemaligen DDR, intensiv, wie nur er es fertig­brachte. Und er war stolz darauf, nach wie vor den Fürsten zu Putbus, der da­mals auf die Rückgabe seines Erbes hoffte, immer noch zum Freund zu haben. Es bedurfte je­doch nur weniger Folgejahre, und die wiedervereinigte Klas­senkameradschaft war samt Fürs­tenstolz Geschichte. Schützen­dorfs ständig unverkennbare Selbstherr­lichkeit und vage Versprechungen sind von seinen ehemaligen Mitschülern samt Ehefrauen nicht allzu lange zu ertragen gewesen.

      Doch erwehren wir uns nun schnell wieder einer sich erneut heimlich ein­stellenden Vorwegnahme und kehren nochmals zurück in das Jahr 1936.

      Hasso empfand bereits als Kind jede Bevormundung als eine Unterdrückung. Eine Rüge reichte aus, ihn in stille, manchmal auch ausbrechende Wut zu versetzen. Das konnte dann dazu führen, dass er sich Dinge ausdachte, die seine Umgebung durchaus in Schrecken versetzen konnten. Aber auch ohne einen Anlass ließ er sich die eine oder andre Dummheit einfallen. Während eines der seltenen Familientreffen im Hause eines seiner Onkel in Weißensee zündete er einen der schweren Fenstervorhänge an. Doch glücklicherweise konnte die bereits aufsteigende Flamme schnell erstickt werden. Er habe prüfen wollen, erklärte Hasso seiner fassungslosen Verwandtschaft, ob der Vorhangstoff feuerfest sei. Vater Eugen war, was die Ent­wicklung seines Sprösslings betraf, in ständiger Sorge. Um sei­nen Sohn nicht allzu oft allein gelassen zu wissen, vereinbarte er mit seiner jungen Hausgehilfin, sich auch um Hasso zu küm­mern, ihm das Gefühl zu vermitteln, nicht auf sich allein ge­stellt zu sein und ihn anzuhalten, seine Freizeit nicht mit dum­men Streichen zu vergeuden. Vater Eugen hatte nicht überse­hen, dass das Mädchen, für ihn zufriedenstellend, mit seinem Sohn umzugehen wusste; und Hasso wiederum, gewisserma­ßen ein Feind erzieherisch tätiger Personen, versuchte sich zu bemühen, Vater und Mutterersatz nicht zu enttäuschen, was ihm nicht gerade oft gelang.

       Nach der Rückkehr nach Hamburg wurde Hasso wiederum auf eine Oberschule geschickt, wo er bald auch den dortigen Lehrern negativ auffiel. Er benahm sich sehr oft respektlos und aufmüpfig und war selten zur Vernunft zu bringen, sodass seine Lehrer ihm eine düstere Zukunft prophezeiten, ja, irgendwann werde er in einem Gefängnis landen. Schon der Abschlussbericht aus dem Pädagogium in Putbus an die Hamburger Schul­behörde hatte Hasso negativ dargestellt. Seinen neuen Lehrern wurde empfohlen, sich darauf einzustellen, dass die Erziehung ihres neuen Schülers mit Schwierigkeiten verbunden sei. Die­ser vorausgehenden Warnung wurde Hasso dann auch gerecht! So kam es bereits nach verhältnismäßig kurzer Zeit dazu, dass er auch dieses Gymnasium verlassen und mit einer schulischen Einrichtung für schwererziehbare Heranwachsende vorliebnehmen musste. Hassos Wesen, sein ganzes Verhalten, ging über das aller Schützendorf-Generationen beträchtlich hinaus. Deren Unbeugsamkeit trat grundsätzlich nur dann zutage, wenn sie entsprechend ihrer Vorstellung behördliche Ungerechtigkei­ten oder Gängelungen hinnehmen sollten. Nein, hauptsächlich hatte ihn, sein Wesen, ein fragwürdiges, zerrüttetes familiäres Umfeld geprägt. Und nach der Rückkehr nach Hamburg war für ihn der plötzliche Verlust seiner Rügener Freunde in einem gehobenen Umfeld mit ausschlaggebend und von ihm nicht so­fort zu verkraften gewesen. Dazu traf ihn die offensichtliche Überforderung seines Vaters in fast allen Belangen. Sehen wir einmal in unsere heutige Zeit hinein, so ist das, was sich Hasso im Verlauf seiner Schulzeiten, vereinfacht gesagt, an Dumm­heiten geleistet hatte, geradezu


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